Es muß nicht immer Kaviar sein

Bisher hatte ich Johannes Mario Simmel stets für einen Trivialschriftsteller gehalten. War er ja auch. Altes Germanistenvorurteil. Doch bisweilen ist das Gute ebenso trivial wie die hartnäckige geschmäcklerische Voreingenommenheit. Nun habe ich mal einen Roman von Simmel nicht nur kursorisch gelesen. Das Vorurteil hatte keinen Bestand. Simmel hat recht: »Es muß nicht immer Kaviar sein.« Das Richtige ist manchmal auch das einfache Gute.

Wert der Werte

Bereits die Frage, ob ich Wert auf ein Wertsystem lege, ist keine intellektuelle, sondern eine moralische. Umso mehr wird die Auswahl eines Wertsystems primär von ethischer Motivation geleitet und nicht so sehr von rationalen Überlegungen. Der Wert von Werten aber versteht sich nicht von selbst, sondern muß rationaler Prüfung ebenso standhalten wie der Wert der Wertung als Haltung. Welchen Wert hat es zu werten? Hat die Frage nach einem Wert überhaupt einen Sinn?

Werteverfall

Am lautesten beklagen diejenigen den allgemeinen Werteverfall, die selbst ihr Leben an fragwürdigen Werten ausrichten, und am heftigsten widersprechen ihnen jene, die über keine Werte verfügen. Beide Gruppen (manchmal gehören sie sogar zu einer Fraktion, bisweilen sind sie gar Kläger und Widersprecher in Personalunion, je nachdem, über wessen Wertverlust geredet wird) hätten es am liebsten, wenn man sie selber nach Gutdünken schalten und walten ließe, aber alle andern sich zurückhielten und nach ihnen zugedachten Wertvorstellungen lebten.

Museum

Der Nippes
Trödel der Antike
in Marmorhallen aufgereiht.
Und auch bisweilen
edle Teile.
Wenn man vom
Wert absieht
den das Besitzstreben
ihnen verleiht
größtenteils Plunder
Gebrauchswert null
nur manchmal goldig
und nett anzuschaun.
Und immerhin sichtbar
vorhanden.
Doch welchen Wert
haben die Knochen
die sie schufen?

Erreichbarkeit

Wertvolle Dinge schützt man am besten vor Berührung und Diebstahl, indem man ihnen ein Schild beifügt, das sie als Kopie ausweist, und die Kopie gut geputzt in einer Panzerglasvitrine daneben stellt. Die Leute werden sich am Glas die Nasen plattdrücken. Der unerreichbare Schrott ist den Menschen um vieles wertvoller als das erreichbare Wertvolle. Kriterium des Wertes ist nicht die Qualität, sondern die Erreichbarkeit. Wenn sich ein Ding dem Begreifen entzieht, erhöht das ganz automatisch seinen Wert. Und sei der Appetit auch noch so groß: Eine auf einem Pappteller liegende Currywurst kann mit dem Hundekot auf Silbertablett in der verschlossenen Glasvitrine nicht mithalten. Vielleicht ißt man, vom Hunger übermannt, dann doch die Currywurst, aber die Träume vom Guten in der Vitrine werden dafür sorgen, daß die Wurst nicht besonders schmeckt. Trotzdem: Guten Appetit.