Über Spiegel und Narrenkappen

Nichts reizt meinen Widerspruch und meine spöttische Kreativität so sehr wie Leute, die glauben, sie wären klüger als andere, nur weil sie einen zu kurzen Spiegel haben, um die Narrenkappe auf ihrem eigenen Kopf zu sehen.

Wenn sie dann, wenn man ihnen einen etwas längeren Spiegel vorhält, auch noch meinen, das sei eigentlich ihr Spiegel, denn wie jeder sehe, sei schließlich ihr Bild doch darin, dann fühle ich mich an gewisse Blondinenwitze erinnert und lache nachträglich, aber um so heftiger, weil ich erst jetzt den wahren Kern dieser Witze erkenne. Manchmal ist auch bei Leuten, die sich nicht für klüger halten als andere Kluge, der Spiegel zu kurz, um alles zu sehen.

Deshalb gehört Selbstironie zur Selbstbetrachtung wie das tägliche Zähneputzen zur Körperpflege.

Nur wenn wir uns nicht selbst überschätzen, können wir einigermaßen sicher sein, daß wir nicht von anderen unter die kalte Spottdusche gestellt werden.

Bei realistischer Selbstbetrachtung dagegen kann uns noch so unberechtigter Spott nur wenig anhaben.

Spiegelbild

Jeder betrachtet täglich unzählige Male seinen Körper vor dem Spiegel. Und seinen Kopf. Frauen öfter als Männer zwar. Aber jeder in unserer Spiegelgesellschaft tut das. Wie ist das mit den Haaren? Aha, neue Fältchen! Ein Pickel. Mehrmals täglich findet eine Inspektion statt, mal kritischer, mal weniger kritisch. Und ob wir nun zufrieden sind mit dem, was wir da sehen, oder ob es uns niederdrückt: Wir neigen dazu, dem Spiegel zu glauben, wenn er uns auf den Kopf zusagt: Du bist nicht die Schönste im ganzen Land. Manchmal werden wir zwar kurz grün und gelb vor Neid, aber das gibt sich rasch. Wir machen etwas auf Diät, kaufen ein neues Kleid und gehen zum Friseur. Und schon ist die Gesichtsfarbe für eine Weile wieder normal.

Was aber ist mit unserem geistigen Spiegelbild? Verhalten wir uns da nicht eher wie Schneewittchens Stiefmutter und versuchen mit aller Macht und Tücke, nicht nur unser verschwommenes Denken als klar auszugeben und aufrechtzuerhalten, sondern beginnen rasch, wenn kein Jäger zur Hand ist, mit der Herstellung von Schnürriemen und dem Präparieren von Kämmen und Äpfeln? Curare für Bibliothekare. Und daß wir erst mal versuchen, alle erreichbaren Spiegel zu zerschlagen, die uns unser Selbstbild nicht bestätigen, das versteht sich von selbst.

Du anderer

Willst du dich sehn
laß den Spiegel
sieh mich an
atme tief den Geruch
der schwefligen Lügen
im Ehrlichkeitskult der
verschlossenen Schlösser
hinter denen
du dich verkriechst
in mir.

Oder wende dich ab
von dir
wenn die Schlüssel
klirren in mir
dem Gefängnis
deiner unausgesprochenen
Gedanken.

Wenn die Blicke
sich streifen
siehst du vorbei
siehst deinen
Rücken
wie er im Dunkel
verschwindet
in den Schatten
deiner Unmöglichkeit
so fern wie
die Sonne
als wäre kein Tag.

Vorbei der Traum
der Unendlichkeit.
Vorbei der Traum
der Geburt

Bild im Spiegel

Immer wieder Spiegel. Und der Blick hinein. Wenn die Eitelkeit in den Spiegel hineinschaut, kann nicht die Erkenntnis herausschauen. Vielleicht hilft dir ein mutiger Sprung hinein in dein gläsernes Ich.