Über den angeblichen Solipsismus in der Literatur

Der modernistische Stream-of-consciousness-Roman seit Joyce beruht auf einem Mißverständnis. Es handelt sich nicht um solipsistische Bewußtseinsstromdarstellung, denn jede äußere Schilderung inneren Geschehens versucht implizit, dem inneren Monolog durch seine Darstellung eine soziale Funktion zu verleihen und ihn, wie den quasiauktorialen Beschreiber, damit aus seiner solipsistischen Existenz herauszuholen, was nicht gerade für die tatsächliche solipsistische Existenz des Monologisierenden und schon gar nicht für die des Beschreibers spricht.

Sobald der innere Monolog in Schriftsprache umgeformt wird, wird er zum Dialog, und allem Solipsistischen wird damit das Wasser abgegraben.

Solipsistische Miniatur II

Wir sind verborgen, in uns selbst gefangen
und einig nur im Anderssein.
Die Hilferufe, die hinausgelangen
verfehlen sich im Dämmerschein.

Und bleiben ungehört und ungesehen
die Dunkelheit bricht sie entzwei.
Wenn wir des Nachts am Fenster stehen
brennt nur das Licht der Tyrannei

der unerforschten, ewig unbekannten
gespiegelt nur im Rauch der Zeit
in der wir an die Mauern rannten
im blutbefleckten Hochzeitskleid

Wir

Manchmal fühle ich mich einen Wimpernschlag lang recht wohl in meiner Welt, aber nur so lange, bis mir wieder einfällt, daß meine Welt ein Teil deiner Welt ist und deine Welt ein Teil meiner, auch wenn dir das vielleicht nicht klar ist, und dann wird mir bewußt, daß ich allein bin in meiner Welt, wenn ich nicht gleichzeitig in deiner Welt bin. Und auch wenn mir deine Welt weniger gut gefällt als meine, möchte ich doch auf Dauer nicht allein sein, denn Solipsismus ist etwas für Abgestorbene, und ich fühle mich sehr lebendig. Bleibt nur die Hoffnung, daß unsere scheinbar getrennten Welten sich im Bewußtsein einander annähern und irgendwann miteinander verschmelzen, das heißt, daß wir beide erfahren, wo wir wirklich sind.