Vergebliche Umpolung

Ob es ihnen bewußt ist oder nicht: Die Existenz der Lebewesen besteht aus der Jagd nach dem Genuß und der Flucht vor dem Leid. Bei einigen wenigen, ausschließlich Menschen, scheint es umgekehrt zu sein. Als gehörte nicht beides, die Befriedigung der Bedürfnisse und deren Versagung, unweigerlich zusammen, so daß keinerlei Grund besteht, das Leid anziehen zu wollen wie ein Magnet die Eisenspäne. Ob wir genießen oder nicht: Kommt Zeit, kommt Leid. Niemals hat der Genuß das letzte Wort. Und Leid läßt sich nicht dadurch austricksen, daß wir versuchen, das Leiden zum Genuß umzudeklarieren. Früher oder später wird sich die Falschetikettierung im Nebel unseres Lebens von uns ablösen, wie der Wasserdampf das Etikett von der Weinflasche trennt.

Zahnschmerzen

Daß es pures, goldenes Glück ist, keine Zahnschmerzen zu haben, merken wir nur in dem Augenblick, da sie gerade nachlassen. Dann vergessen wir das blitzschnell wieder und denken, Glück wäre, etwas zu haben.

Übel

Wer von ihm nicht betroffen ist, weil er nicht von ihm getroffen wurde, möglicherweise weil es schlecht gezielt hatte, sollte sich in jedem Augenblick darüber im klaren sein, daß es schon heute besser zielen und ihn treffen könnte. Es schießt dauernd und sehr häufig vorbei. Doch es trifft jeden mindestens einmal. Meist jedoch viel, viel öfter. Es ist nicht die schlechteste Art und Weise, sich auf diesen Augenblick, da man selbst getroffen werden wird, dadurch einzustellen, daß man sich in Menschen einfühlt, die bereits getroffen wurden.

Dazu ist es manchmal notwendig, sich erst einmal an die eigenen Wunden zu erinnern und ihren Schmerz nicht ständig zu verdrängen. Der zweite Schritt fällt dann leichter.