Mutmaßlich

Spiegel online meldet: »Hamburg.
Mann bei Ikea attackiert und schwer verletzt …

Durch einen Stich in den Rücken ist ein 22-Jähriger in einer Ikea-Filiale schwer verletzt worden. Der mutmaßliche Täter konnte flüchten.«

Was soll der Unsinn? Jemandem wurde von einem anderen, wie man lesen kann, ein Messer in den Rücken gerammt. Der offensichtliche und nicht als mutmaßliches Opfer bezeichnete Leidtragende ist im Krankenhaus, und der offensichtliche Täter hat sich aus dem Staub gemacht.

Wieso aber bezeichnet man nun den Täter, dessen Existenz unstrittig, dessen Identität im Augenblick jedoch noch nicht bekannt ist, als »mutmaßlichen« Täter? Geht man vielleicht davon aus, der Verletzte hätte sich selbst in den Rücken gestochen, vielleicht aus Langeweile oder nur mal so zum Spaß?

Wenn ich sehe, wieviel hirnloses Zeug in der Presse an der Tagesordnung ist, überkommt mich immer wieder mal das Grausen.

Mumienmord

Unter der Überschrift »MUMIEN-MORD« schreibt die Berliner Schlauzeitung »BZ«: »War die Mumie eine Prostituierte?«

Trotz der meist nicht ausgelebten destruktiven nekrophilen Neigung als Folge ungelebten Lebens, die sich vereinzelt ihre Objekte sucht: Prostituierte, die Freier dazu auffordern, ihre Totenruhe zu stören, sind bisher, aus naheliegenden Gründen, nicht in Erscheinung getreten.
Was bei Tom Sharpe satirisch daherkam, ist hier im Fachblatt der Ahnungslosen ganz ernst gemeint. Hier wird erst eine Mumie ermordet und dann auch noch der Prostitution verdächtigt. Das ist ein starkes Stück. Mal ganz abgesehen von Pietätserwägungen, die nun wirklich niemand von derartigen Zeitungen erwartet, ist ein solcher Journalismus Ausdruck bedenklichen denkerischen Unvermögens. Aber wer erwartet von der Journaille Denkfähigkeit? Nur ein Ochse.

Die Frage lautet nicht: »War die Mumie eine Prostituierte?« Die Frage lautet: War der Schreiber ein Ochse? Ja, ein Hornochse.

Ganz sicher.