Jenseits der Saufkultur

Nicht im Vakuum

Interwiew

Sozusagen quasi, wie soll ich sagen?

Maulkörbe für Zahnlose

ntv

Statisterei

Der Unterschied zwischen Hofberichterstattung und Journalismus ist leicht auszumachen. Der »Focus«, bekannt für Oberflächlichkeit und Tendenziöses, schreibt, als wäre schon Wahlkampfzeit: »Regierungsbericht entlarvt Mär vom armen Rentner«. Bei der »Rheinischen Post« klingt das schon weniger euphorisch: »Regierung hält Rentner für gut versorgt«. Die »Frankfurter Rundschau« meint: »Vielen Rentnern geht es noch gut«. In der »Süddeutschen« lesen wir zum gleichen Thema: »Ohne Privatvorsorge droht Altersarmut«. Was sagen die Zahlen? Zweidrittelgesellschaft auch bei den Renten. Der Durchschnitt nützt niemandem.

2012

Großartige Politik

Die Regierungsparteien haben sich geeinigt. Das Klima geht vor. Tante Elfriede aus Altenbüren (80), die in einem Fachwerkhaus wohnt und deren Gasheizung (25) es mit Stottern und Schnaufen wieder mal gerade so über den Winter geschafft hat, kann aufatmen. Die beiden Rentnerinnen werden nicht zwangsgetrennt. Die komische Zeitung mit den großen Buchstaben in den Überschriften jubiliert: »Habecks Gasheizungs-Verbot gekippt«. Das angebliche Verbot von Gasheizungen ist vom Tisch. Toller Zaubertrick. Der Tisch ist so leer wie zuvor, denn ein Verbot von Gasheizungen war nie geplant, sondern nur das Verbot, eine neue Gasheizung einbauen zu lassen, wenn die alte den Geist aufgibt. Und daran hat sich nichts geändert. Tante Elfriede kann also leider nur kurz aufatmen, denn die altersschwache Brennwerttherme in ihrem Haus wird sicherlich trotz guter Wartung bald den Dienst quittieren. Aber im Notfall kann man ja mal das eigene Sterben in Betracht ziehen.

Die Ersparnisse der Tante Elfriede, die weniger als 1000 Euro Rente bezieht, würden so gerade eben für den Austausch der Therme reichen, der weniger als 10 000 Euro kosten würde; aber ein solcher Austausch wird ja künftig verboten sein. Was dann? Grob überschlagen, kämen auf Tante Elfriede bei der einzigen Alternative, dem Einbau einer Wärmepumpe nebst zugehörigem alternativlosen Umbau des 150 Jahre alten Hauses, Kosten von mindestens 80 000 bis 100 000 Euro zu. Da ja vollmundig versprochen wurde, niemand werde zurückgelassen und der Umstieg auf eine klimafreundlichere Technologie werde nicht teurer sein als eine neue Gasheizung, muß sich Tante Elfriede keine Sorgen machen, denn der Staat wird es schon richten.

Wer’s glaubt …

Ihr Nachbar, der jeden Morgen fröhlich aus dem Schwimmbad im Keller seines neuen Hauses klettert, bevor er mehrmals die Woche in seinen drei Tonnen schweren 600-PS-Geländewagen mit Elektroantrieb steigt, um entweder zur Jagd oder zum Golfplatz zu fahren, sorgt sich ohnehin nicht, hat er doch ein gutgedämmtes Haus mit zwei Wärmepumpen und Fußbodenheizung. Er ist zwar auch Rentner, aber als Miteigentümer einer Anwaltskanzlei und ehemaliger Regierungsrat ist er bestens versorgt und sorgenfrei. Er freut sich über den zukünftig schnelleren Ausbau der Autobahnen und darüber, daß es nach wie vor dieses lächerliche Tempolimit nicht geben wird.

Glaub ich sofort.

Und der viele Strom, der demnächst benötigt wird, wird mindestens zur Hälfte aus Kohle- und
Gaskraftwerken kommen. Oder aus Zaubertricks künstlicher Intelligenz.

Das Ganze ist das Ergebnis natürlicher Dummheit.

Wahlklau

Die Berliner Koalition hat nach den Neuwahlen 90 Sitze errungen. Die CDU 52. Und jetzt lese ich, die Regierung sei abgewählt, und „keiner“ wolle die Wahlverlierer mehr. Habe jetzt ich im Matheunterricht nicht aufgepaßt oder nur ein merkwürdiges Demokratieverständnis, oder muß man das eher von den seltsam im Nebel wandelnden Hirnen annehmen, die zuviel „BILD“ und „BZ“ gelesen haben, wo schon vorher von „Wahlklau“ gesprochen wurde?

Wenn die Berliner Bevölkerung einen Wechsel gewollt hätte, dann hätte sie anders gewählt. Aber Berlin ist nicht Spandau. Darauf weist man ja gerade in Spandau gerne hin.

In meinem Kreuzberger Heimatwahlkreis hat die CDU ihren Stimmenanteil sogar fast verdoppelt (von 7 auf 13 Prozent), was vermutlich hauptsächlich daran liegt, daß viele sich dort das Wohnen nicht mehr leisten können. Trotzdem liegt man nach wie vor klar außerhalb der Medaillenränge.

Irre

Das Hauptproblem der gegenwärtigen Zeit ist es, daß die Irren, die sich zur politischen Weltlage äußern, nicht in Klapsmühlen sitzen, sondern auf Präsidentensesseln oder Drehstühlen in Redaktionen von Medien und sich gegenseitig befeuern. Auf Dauer kann das nicht gutgehen.

Vorschlag zur Konfliktlösung und Reaktion

Plapperheinis Laberkiste. Markenkern.

Die CDU sei insgesamt »gut beraten, wenn sie an ihrem Markenkern der inneren Sicherheit festhält«. Sagt ein ehemaliger CDU-Innensenator in Berlin über einen, der Zäune errichten läßt, damit Obdachlose nicht zu ihrem Quartier unter einer Brücke gelangen können.

In Hamburg wird der »Markenkern der CDU« vermißt, die Stadt sei so autofahrerunfreundlich geworden. »Merkel entkernt die CDU«, heißt es in der SZ. Der Bonner Generalanzeiger sieht »Die Union … Marke ohne Wert«. Die NRW-SPD will »zurück zum Markenkern«. Und so weiter und so fort. Hatte man bisher gedacht, CDU, SPD oder andere ähnliche Gebilde seien Parteien, stellt sich nun heraus: Sind sie nicht, sie sind Marken, so wie ALDI oder das Posaunenwerk der evangelischen Kirche Hessen-Nassau – »es lohnt sich (, sich) für diese große Marke der EKHN einzusetzen« – oder DIE LINKE, wo es beim letzten Parteitag (aus dem Kreisverband Krefeld) hieß, »der Markenkern der Linken dürfe nicht aufgeweicht werden«. Glück auf im Betonbau.

Man möchte, leicht abgewandelt, mit Wilhelm II. sagen: Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Marken.

Werbeschach

Ein verkehrt stehendes Schachspiel, über das sich zwei Spieler mit großem Ernst beugen und auf dem sie gleichzeitig ziehen. Und eine Fotografin, die ebensowenig Ahnung vom Schachspielen hat wie die Verlagsmitarbeiter, die den Buchumschlag zu verantworten haben. Glanzleistung.

Mich wundert dieser Fauxpas nicht, denn daß Fotografen bei Werbeaufnahmen tricksen, ist nichts Neues, da wird für Brauerei Blaß gern mal das Bier von der Konkurrenz eingekauft, weil es farblich überzeugender wirkt, oder mit Farbe aus der Tube nachgeholfen. Seien wir also froh, daß die Fotografin kein Halma-Spiel herbeigeholt hat, weil es bunter ist. Reklame ist verlogen. Bisweilen fällt es auf.

DW

Mini-Miszellen 1 –Botschafter

Wenn es am Anfang dieses Jahres einen Botschafter der Ukraine in Russland gegeben und der sich so verhalten hätte wie der ukrainische Botschafter in Deutschland, dann wäre der Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine für mich verständlicher. Aber daß es in Russland seit vielen Jahren keinen ukrainischen Botschafter gibt, ist vielleicht auch ein Zeichen für die ukrainische Neigung, ebenso wie die russische Führung Konflikte und Meinungsverschiedenheiten lieber mit der Brechstange lösen zu wollen als mit diplomatischen Mitteln. Da haben sich die Richtigen gefunden. Aber ich frage mich nicht erst seit gestern: Was haben wir damit zu tun?

Falsche Floskeln

Heute hörte ich
man müsse allen Wurzeln
entgegentreten

des Antisemitismus
blasse Metapher und falsch

man tritt drauf und viel besser
solche Wurzeln reißt man raus

Tirade 231 –Vom Wert der Werte

Kann glauben wer mag
Wer wissen will kann wissen
vom Herzen der Finsternis

befreit vom betäubenden
Duft der Blumen des Bösen

Arte

Arroganz und Größenwahn

Der Botschafter des korruptesten Landes in Europa hat die Meinungsäußerung eines deutschen Admirals, die nicht so recht in den Rahmen der gegenwärtigen Stimmungserzeugungsbilder passt, als Zeichen von »deutscher Arroganz« und von »Größenwahn« bezeichnet und gleich hinzugefügt, ein Rücktritt des Admirals reiche nicht, die deutsche Regierung »müsse ihre Politik anpassen«. Er meint damit Waffen an die Ukraine liefern und am besten gemeinsam mit der Ukraine und der NATO gegen Russland in den Krieg ziehen.

Man kann das als Ausdruck von gefährlichem Größenwahn betrachten.

WELT