Wahlklau

Die Berliner Koalition hat nach den Neuwahlen 90 Sitze errungen. Die CDU 52. Und jetzt lese ich, die Regierung sei abgewählt, und „keiner“ wolle die Wahlverlierer mehr. Habe jetzt ich im Matheunterricht nicht aufgepaßt oder nur ein merkwürdiges Demokratieverständnis, oder muß man das eher von den seltsam im Nebel wandelnden Hirnen annehmen, die zuviel „BILD“ und „BZ“ gelesen haben, wo schon vorher von „Wahlklau“ gesprochen wurde?

Wenn die Berliner Bevölkerung einen Wechsel gewollt hätte, dann hätte sie anders gewählt. Aber Berlin ist nicht Spandau. Darauf weist man ja gerade in Spandau gerne hin.

In meinem Kreuzberger Heimatwahlkreis hat die CDU ihren Stimmenanteil sogar fast verdoppelt (von 7 auf 13 Prozent), was vermutlich hauptsächlich daran liegt, daß viele sich dort das Wohnen nicht mehr leisten können. Trotzdem liegt man nach wie vor klar außerhalb der Medaillenränge.

Irre

Das Hauptproblem der gegenwärtigen Zeit ist es, daß die Irren, die sich zur politischen Weltlage äußern, nicht in Klapsmühlen sitzen, sondern auf Präsidentensesseln oder Drehstühlen in Redaktionen von Medien und sich gegenseitig befeuern. Auf Dauer kann das nicht gutgehen.

Vorschlag zur Konfliktlösung und Reaktion

Plapperheinis Laberkiste. Markenkern.

Die CDU sei insgesamt »gut beraten, wenn sie an ihrem Markenkern der inneren Sicherheit festhält«. Sagt ein ehemaliger CDU-Innensenator in Berlin über einen, der Zäune errichten läßt, damit Obdachlose nicht zu ihrem Quartier unter einer Brücke gelangen können.

In Hamburg wird der »Markenkern der CDU« vermißt, die Stadt sei so autofahrerunfreundlich geworden. »Merkel entkernt die CDU«, heißt es in der SZ. Der Bonner Generalanzeiger sieht »Die Union … Marke ohne Wert«. Die NRW-SPD will »zurück zum Markenkern«. Und so weiter und so fort. Hatte man bisher gedacht, CDU, SPD oder andere ähnliche Gebilde seien Parteien, stellt sich nun heraus: Sind sie nicht, sie sind Marken, so wie ALDI oder das Posaunenwerk der evangelischen Kirche Hessen-Nassau – »es lohnt sich (, sich) für diese große Marke der EKHN einzusetzen« – oder DIE LINKE, wo es beim letzten Parteitag (aus dem Kreisverband Krefeld) hieß, »der Markenkern der Linken dürfe nicht aufgeweicht werden«. Glück auf im Betonbau.

Man möchte, leicht abgewandelt, mit Wilhelm II. sagen: Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Marken.

Werbeschach

Ein verkehrt stehendes Schachspiel, über das sich zwei Spieler mit großem Ernst beugen und auf dem sie gleichzeitig ziehen. Und eine Fotografin, die ebensowenig Ahnung vom Schachspielen hat wie die Verlagsmitarbeiter, die den Buchumschlag zu verantworten haben. Glanzleistung.

Mich wundert dieser Fauxpas nicht, denn daß Fotografen bei Werbeaufnahmen tricksen, ist nichts Neues, da wird für Brauerei Blaß gern mal das Bier von der Konkurrenz eingekauft, weil es farblich überzeugender wirkt, oder mit Farbe aus der Tube nachgeholfen. Seien wir also froh, daß die Fotografin kein Halma-Spiel herbeigeholt hat, weil es bunter ist. Reklame ist verlogen. Bisweilen fällt es auf.

DW

Mini-Miszellen 1 –Botschafter

Wenn es am Anfang dieses Jahres einen Botschafter der Ukraine in Russland gegeben und der sich so verhalten hätte wie der ukrainische Botschafter in Deutschland, dann wäre der Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine für mich verständlicher. Aber daß es in Russland seit vielen Jahren keinen ukrainischen Botschafter gibt, ist vielleicht auch ein Zeichen für die ukrainische Neigung, ebenso wie die russische Führung Konflikte und Meinungsverschiedenheiten lieber mit der Brechstange lösen zu wollen als mit diplomatischen Mitteln. Da haben sich die Richtigen gefunden. Aber ich frage mich nicht erst seit gestern: Was haben wir damit zu tun?

Falsche Floskeln

Heute hörte ich
man müsse allen Wurzeln
entgegentreten

des Antisemitismus
blasse Metapher und falsch

man tritt drauf und viel besser
solche Wurzeln reißt man raus

Tirade 231 –Vom Wert der Werte

Kann glauben wer mag
Wer wissen will kann wissen
vom Herzen der Finsternis

befreit vom betäubenden
Duft der Blumen des Bösen

Arte

Arroganz und Größenwahn

Der Botschafter des korruptesten Landes in Europa hat die Meinungsäußerung eines deutschen Admirals, die nicht so recht in den Rahmen der gegenwärtigen Stimmungserzeugungsbilder passt, als Zeichen von »deutscher Arroganz« und von »Größenwahn« bezeichnet und gleich hinzugefügt, ein Rücktritt des Admirals reiche nicht, die deutsche Regierung »müsse ihre Politik anpassen«. Er meint damit Waffen an die Ukraine liefern und am besten gemeinsam mit der Ukraine und der NATO gegen Russland in den Krieg ziehen.

Man kann das als Ausdruck von gefährlichem Größenwahn betrachten.

WELT

Unsere Freiheit

Nachdem die Verteidigung unserer Freiheit am Hindukusch so gut funktioniert hat, aber dort bis auf weiteres leider keine Verteidigungsmöglichkeiten mehr bestehen, muss unsere Freiheit jetzt woanders verteidigt werden: in der Ukraine. BILD online: »Unsere Freiheit, Europas Freiheit wird in der Ukraine verteidigt. Das muss endlich allen klar sein.«

Auch in Afghanistan hatte der Kampf um unsere Freiheit bekanntlich als CIA-unterstützter Kampf der Taliban begonnen, die sich damals noch Mudschaheddin nannten und auch vom BND wohlwollend gefördert wurden. https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Sommerregen_(Bundesnachrichtendienst)

Es ging (mal wieder) gegen die Sowjetunion, in deren Nachfolge heute Rußland mit seinen geopolitischen/geostrategischen Interessen steht.

Daß die angestrebte Durchsetzung dieser Interessen ebenso fragwürdig ist wie die der US-dominierten NATO, sollte dabei nicht übersehen werden.

Zwei Kampfhunde in einem Zwinger waren noch nie eine Garantie für Ruhe und Frieden.

Zur Tagespolitik

Schon den halben Tag frage ich mich, ob die obersten Repräsentanten im Rechtsstaat Serbien dem Klüngel im Verbrecherstaat Australien schon den Krieg erklärt und eine Generalmobilmachung angeordnet haben oder ob ich etwas mißverstanden habe.

Ideologieferne Faktizität

Ideologen zeichnen sich bevorzugt dadurch aus, daß sie Ideologie verachten und ständig auf solche hinweisen, also auf die Ideologie, die sie bei anderen als bewußtseinstreibend erkennen oder auch nur vermuten. Den eigenen ideologischen Stallmist können sie dagegen nicht riechen, weil sie eine Nase haben, die auf bestimmte Geruchs»frequenzen« reduziert ist. Häufig ist auch nur das linke Nasenloch frei und befähigt zur Erschnupperung von Ideologie. Also linker.

Das eigene rechte Gedankengut, also alles, was für sie nicht linke Ideologie oder liberaler Schwachsinn ist, halten solche merkwürdigen Leute für gesunden Menschenverstand und bezeichnen es gern als ideologiefreie Fakten, notfalls auch als alternative Fakten.

Manchmal Bibelzitate inklusive. Gottes Segen.

Kritischer Journalismus. Ohne „Haltung“. Ohne Belehrung. Ohne Ideologie.

Antisemitismus unverstanden

»An einem Berliner S-Bahnhof haben Unbekannte einen der 29-Jährigen erst auf seinen Glauben angesprochen und dann mit Reizgas ins Gesicht gesprüht. Der Staatsschutz ermittelt.« So kann man bei »Spiegel online« lesen.

Im weiteren Text liest man dann etwas von einer »antisemitischen Straftat«. Wegen des »jüdischen Glaubens«. So einen Schwachsinn höre ich immer wieder, und so langsam reicht es mir. Ich frage mich: Wie ungebildet sind die Schreiber und Laberer eigentlich, die diesen Unsinn verbreiten? Wenn ich mich recht erinnere, geht es den Judenhassern heute ebensowenig um theologische Dinge wie den Nazis früher. Schon Hitler und seinen Konsorten ging es nicht um Glaubensdinge, sondern um »die Vernichtung der jüdischen Rasse«.

Also hört auf, von was anderem zu reden als »Rasse«, und Rassenhaß, wenn es um Antisemitismus geht, nur weil das Wort »Rasse« nicht mehr in euren weichgespülten Sprachgebrauch paßt.

Spiegel online

Utopie als Heilserwartung

Wenn die chiliastischen Vorstellungen, die allen religiösen Fata Morganen zugrunde liegen, säkularisiert werden, entsteht als weltliche Variante die politische Utopie. Beide speisen sich aus eschatologischen Auffassungen von der Geschichte als Verwirklichung eines Telos.

Das führt zum Streben nach Tausendjährigen Reichen und ist das Gegenteil von Freiheit. Gesellschaftliche Utopie begreift den einzelnen lediglich als Hülle einer Entelechie und nicht als individuelles Wesen. Das ist der Grund, weshalb politische Utopie, sobald man mit ihrer Verwirklichung beginnt, rasch menschenfeindliche Züge annimmt und manchmal in Barbarei endet. Wenn der Zweck die Mittel heiligt, wird die Heilserwartung zum Unheil.

Weit entfernt davon, den Begriff der Utopie ungebrochen positiv zu sehen, aber durchaus kein Mensch ohne Phantasie, Visionen und Idealvorstellungen, möchte ich darauf hinweisen, daß auch und gerade totalitaristische Weltherrschaftsträume in utopischen Vorstellungen wurzeln, ebenso der Wahn von der technischen Beherrschung der Natur, den man abgeschwächt und modifiziert auch bei Denkern findet, die nicht ohne weiteres dem Totalitarismus zugeordnet werden können. Oder die Betonwüsten vieler Großstädte, sie sind, gewachsen aus dem Samen utopischen Bauhausdenkens, das, was von theoretischen Idealen übrigbleibt, wenn sie zu gesellschaftlicher Praxis werden.

Blickend über die Dächer von Berliner Altbauten, freue ich mich, in einem ebensolchen Gebäude zu wohnen. Es gibt jedoch sehr unterschiedliche Auffassungen über Hygiene und Lichtdurchflutung, wie über Wohnqualität ganz allgemein, und genau da ist der Kern der Verwirklichung utopischer Visionen: Bisher haben alle mir bekannten gesellschaftlichen Utopien bei ihrer Umsetzung die Neigung entwickelt, sich über unterschiedliche Auffassungen, die nicht mit denen der »Erfinder« solcher Modelle übereinstimmten, nonchalant hinwegzusetzen. Auch darüber, was tatsächlich gesellschaftlicher »Fortschritt« ist und was nicht, läßt sich trefflich streiten. Solange das Streiten noch erlaubt ist.

Es liegt mir fern, Visionäre für die mißlungene Umsetzung ihrer Visionen verantwortlich zu machen, ich möchte lediglich zu bedenken geben, ob nicht vernünftigerweise beim Visionieren bedacht werden sollte, wie Menschen seit Menschengedenken sind und daß der »neue Mensch«, den man bei vielen dieser optimistischen Visionen einfach voraussetzt, bei der Umsetzung utopischer Konzepte nicht von selbst aus der Erde wächst.

Utopische Vorstellungen einer gerechten und schönen Welt unterscheiden sich wesentlich, sind Idealvorstellungen unterschiedlicher Individuen, und die Utopie des Spießbürgers ist eine ganz andere als die des Ästheten, und beide wenden sich vielleicht mit Grausen ab, wenn sie mit der gesellschaftlichen Utopie eines Dritten konfrontiert werden, selbst wenn es nicht der utopische Bauernstaat von Pol Pot ist.

Der Mensch braucht Utopien, um sich darüber hinwegzutäuschen, wie er tatsächlich ist, und er braucht Utopien, die stets das Gute wollen, auch wenn sie meist das Böse schaffen, um nicht zuletzt auch seine Bosheit zu rechtfertigen, die der eigentliche Antrieb ist, der ihn in Schwung bringt und der ein Teil von jener Kraft sein soll, »die stets das Böse will und stets das Gute schafft«, wie Goethe noch hoffte.

Hat der Mensch eine Vision, so gießt er anschauliche Abbilder davon, abstrahiert diese zu Buchstaben und formt daraus eine Ideologie, deren es bedarf, um vorzutäuschen, man wolle eine Utopie verwirklichen. In Wirklichkeit strebt man nur nach Macht über die andern. Die Utopie des Esels ist eine Gesellschaft, in der ein andrer seine Lasten trägt: Utop-ia.

Heute, in einem scheinbar nachutopischen Zeitalter, da die utopischen Vorstellungen vom »Absterben des Staates« und »Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen« geräuschvoll auf der Deponie der Geschichte abgefackelt wurden, sind nur noch die Utopien der Marktes geblieben, die Träume des Kapitals. Aber auch diese utopischen Blütenträume werden mittelfristig immer weniger Menschen die Nächte erhellen und spätestens dann enden, wenn die Lebensgrundlagen in Klump gehauen sind.

Man muß schon mit Hegel an die Vernunft der Geschichte glauben, um die Unvernuft der Geschichte zu übersehen, die man durch den Glauben an die Vernunft der Geschichte erst hervorgebracht und nach Kräften gefördert hat.

Politische Utopien sind der Stoff für Menschheitsbeglücker, die die Menschheit (angeblich) in eine leuchtende, schattenlose Zukunft führen wollen – notfalls mit Gewalt. Ich bin eher bescheiden, gebe mich mit Licht und Schatten der Gegenwart zufrieden und zünde hier und da eine Kerze an.

Ein anzustrebender Zustand wäre einer, an dem keine Veranlassung mehr bestünde, utopische Vorstellungen zu entwickeln. Doch ein solcher Zustand ist – leider – Utopie.

Gewohnt peinlich

Der FDP-Abgeordnete Paul Fresdorf, Abgeordnetenhaussitzer in Berlin, hat mir mal wieder vor Augen geführt, weshalb die FDP zu Recht dort in aller Regel in der Nähe der Fünf-Prozent-Hürde herumsitzt.

In der Debatte um die Berliner Bildungspolitik meinte Herr Fresdorf: »Es wäre eine gute Möglichkeit für die große Hoffnung der Sozialdemokratie, Franziska Giffey, nach Berlin zu eilen. Da könnte sie zeigen, wie wichtig ihr ihre Heimatstadt ist.«

Mal wieder zeigt sich ein FDP-Abgeordneter wie üblich so vorlaut wie schlecht informiert. Tatsächlich ist Frau Giffey in Frankfurt (Oder) geboren, in dem kleinen Dorf Briesen aufgewachsen und hat in Fürstenwalde ihr Abitur gemacht. Per definitionem ist eine Heimatstadt aber der Ort, in dem man aufgewachsen ist. Das ist in diesem Fall nun wirklich nicht Berlin.

Ob Spandau (bei Berlin) die Heimatstadt eines Berliners sein kann, darüber läßt sich streiten. Vor allem aber streitet man in Spandau darüber, ob Berlin die Heimatstadt eines Spandauers sein kann. Dazu muß man wissen: Herr Fresdorf ist in Spandau geboren und aufgewachsen.