Objektivität

Wenn ich mir Objektivität vorzustellen versuche, dann hat dies doch immer subjektiven Charakter. Nicht nur ist jeder Objektivierungsversuch meine ganz spezifische subjektive Art der Vorstellung von Objektivität, sondern vor allem die Entscheidung, von mir selbst und meinem Standpunkt absehen zu wollen, ist eine höchst subjektive. Warum sollte ich das tun? Aus moralischen Gründen? Um Gott zu spielen? Um mir selbst oder andern etwas vorzumachen? Wir alle sind voll von Ideen und Meinungen, die wir für selbstverständlich halten, die jedoch tatsächlich kulturell gewachsen sind und aus der Perspektive einer denkbaren anderen Kultur als banal oder absurd betrachtet werden können. Dazu gehört auch die Idee der Objektivität, an die ich nicht glaube.

Diskussion

Flott gesagt

»Das Unglaubliche ist der einzige Maßstab, an den zu glauben immer richtig ist.« Einer von vielen flotten Sätzen aus Sloterdijks Notizbuch. Aber: immer »richtig«, was ist schon richtig? – und gar immer: Was ist schon »immer« richtig? Nun gut, vielleicht gibt es einiges wenige, was immer richtig scheint, zum Beispiel als Mensch ohne Schnorchel oder Flaschen unter Wasser nicht zu atmen, aber schon ein suizidal Gestimmter könnte ganz anders denken.

Nun zum Unglaublichen. Wenn das »Unglaubliche« etwa so stabil wäre wie das Wetter auf den Azoren oder in Irland, dann könnte man froh sein. Tatsächlich jedoch ist das Unglaubliche ein Abstraktum, unter dem sich jeder etwas anderes vorstellt, wenn er sich denn etwas darunter vorstellen kann. Weit entfernt davon, ein Maßstab zu sein, wie etwa das Urmeter aus Platin in Sèvres bei Paris, ist das Unglaubliche bedeutungsmäßig unbestimmt. Weder Stab noch Maß.

Es hat den Anschein, als bewerbe sich Sloterdijk mit solchen Sätzen als Maßstab für Windbeutelei.

Pferdefuß

Wer es unternimmt, mit Hilfe der Sprache zu einer endgültigen, unangreifbaren Aussage über die Realität zu gelangen, zu objektiver Wahrheit, der muß scheitern, sei es, indem er begänne zu stammeln, sei es, daß er versuchte, ein Pferd ohne Füße zu reiten.

Nicht mal im Koan der Zen-Mönche (das nur als Anregung dient und keine objektive Wahrheit transportiert) wird die Logizität der Sprache aufgehoben, denn Antilogizität ist nur eine Spiegelung der Logizität und damit von ihr abhängig, also genaugenommen eine von deren Formen.

Sprachen und deren inhärente Logik sind nichts weiter als (zu entziffernde) Zeichen am Straßenrand, damit wir Hermeneutiker uns nicht ständig verlaufen.