Klugheit und Intelligenz

Wer klug ist, glaubt nicht daran, daß Intelligenz dasselbe ist wie Klugheit, wer intelligent ist, glaubt oft, er wäre klug. Ziemlich blöd. Ich bin lieber so klug, Klugheit und Intelligenz nicht zu verwechseln und nichts von Intelligenztests zu halten. Ob das intelligent ist, mögen Klügere beurteilen.

DIE ZEIT

Intelligenztests

Intelligent ist man, wenn man die Fähigkeit besitzt, den Glauben an die eigene geistige Größe als aus Unwissenheit geboren zu betrachten und den dadurch eingeleiteten Schrumpfungsprozeß zu begrüßen. Wenn man dann noch beginnt, Intelligenztests als lächerliche Inszenierung anzusehen, bei denen sich die Inferioritätskomplexe der Tester und der positiv Getesteten zu wahnhaften Größenphantasien verdichten, während die Verbildeten in die für sie vorgesehenen Minusförmchen gepreßt werden, dann ist man schon beinahe auf dem Weg zur Weisheit. Als vermindert intelligent betrachte ich den, der in die vorgestanzten Plusförmchen paßt und der an die Aussagekraft von Intelligenztests glaubt. Also den, der positiv paßt.

Können Lahmköpfe eigentlich intelligentere Menschen als gleichwertig erkennen?

Was wie eine dumme Frage wirkt, ist tatsächlich eine ernstgemeinte parodistische Umdeutung einer ähnlichen Frage, die da lautete »Können Atheisten eigentlich alle Menschen als gleichwertig erkennen?«.

Die meisten Menschen mit ausgeprägtem Intellekt sind nach meinen Erfahrungen willens und in der Lage, weniger intellektuell geprägten Mitmenschen die gleichen Grundrechte zuzugestehen wie sich selbst, und bereit, die anderen trotz unterschiedlicher Fähigkeiten als essentiell gleichwertige Menschen zu betrachten. Das ist so, weil die intellektuellen Menschen, wenn sie nachdenken, was sie ja ganz gut können, zu dem Schluß kommen, daß intellektuelle Fähigkeiten zwar eine feine Sache sind, aber eher eine akzidentielle und daß es eine unfeine Herangehensweise wäre, den Wert des Menschen nach seinen Fähigkeiten und seiner Nützlichkeit zu bemessen. Und das nicht etwa nur aus moralischen Gründen, sondern durchaus aus egoistischen, denn der intelligente Mensch ist sich klar darüber, von heute auf morgen seine eigenen Fähigkeiten und seine Nützlichkeit einbüßen zu können, was ihn den Fähigkeits- und Nützlichkeitserwägungen anderer ausliefern würde.

Nun gibt es weniger intelligenzgeplagte Zeitgenossen, die, weil sie sich selbst oftmals für intelligenter und nützlicher halten als andere, schon mal in Frage stellen, daß andere ihnen gleichwertig sind, etwa weil die andern eine andere Hautfarbe haben, einen anderen Dialekt sprechen, körperbehindert sind oder sonstwie abweichen von der selbsterfundenen Norm des Menschlichen. Was nun, wenn die so in Frage gestellten Menschen über besondere Geistesgaben verfügen, die diejenigen derer übersteigen, die – wegen der genannten akzidentiellen Unterschiede Hautfarbe, Dialekt, körperliche Unversehrtheit – glauben, sie selbst seien etwas Besseres? Können die weniger Intelligenten nun erkennen, daß hier durch den Ausgleich im Akzidentiellen Gleichwertigkeit erreicht ist? Etwa: »Er kann zwar nicht laufen, aber dafür hat er einen scharfen Verstand.« Oder reichen die Geistesgaben der Bewerter dafür nicht aus? Konkret gefragt: Wird ein intelligenter Mensch von einem weniger intelligenten als intelligenter Mensch erkannt? Und wenn ja: Auch dann, wenn der intelligente Mensch ein Asylbewerber ist?

Noch einen Schritt weiter zu gehen und zu begreifen, daß die Essenz des Menschlichen nicht mit dem Zollstock der Nützlichkeit oder Fähigkeit, also im akzidentiellen Bereich, gemessen werden kann, wäre natürlich zuviel verlangt, das gebe ich gern zu. Ob nur ein feinfühlender Mensch im andern den fühlenden Menschen erkennt, ganz ohne alle Intelligenz, wäre eine weitere, vielleicht noch wichtigere Frage.

Empathie und Intelligenz

Ein geistig unbedarfter Mensch, der voller Empathie ist und mir Intelligenz vorspielen will, ist mir hundertmal lieber als ein Intellektueller, der mir weismachen will, Albert Schweitzer sei sein großes Vorbild. Am schlimmsten und gefährlichsten aber sind Intellektuelle ohne emotionale Intelligenz.

Dummheit und Proportionalität

Einer, der sich für besonders schlau hält, sagte:

… das ist das proportionale Verhältnis zwischen Stupidität und Intelligenz, also muss es immer überall das gleiche Größenverhältnis sein.

Hier wird nicht nur qua postulierte eigene Großartigkeit eine unsinnige Behauptung aufgestellt, sondern diese Behauptung gleich in den Rang eines Naturgesetzes erhoben. 

Niemand Nichtstupides zweifelt daran, daß zwischen dem Endlichen, in diesem Falle der endlichen Intelligenz, und dem Unendlichen, hier der Dummheit, kein proportionales Verhältnis bestehen kann, sowenig wie zwischen gerader und krummer Linie.

Für solche Leute wie für einen Großteil der Möchtegern-Philosophen-Zunft gilt ein umgekehrt proportionales Verhältnis, das ich schon oft festgestellt habe:

Je großspuriger die Aussage, um so geringer die Intelligenz des Kopfes, dem sie entschlüpft.

Künstliche Intelligenz

Der Glaube an die Entwicklung von tatsächlicher künstlicher Intelligenz, die etwas anderes ist als eine weitere technisch umgesetzte Verlängerung des menschlichen Körpers, ist eine Folge von natürlicher Dummheit, die davon ausgeht, Blechdosen könnten eines Tages genausogut denken wie sie selbst. 

So gesehen, hat der Glaube an die künstliche Intelligenz allerdings eine plausible Grundlage.

Vom Universellen und Individuellen

Intelligenz ist individuell, Dummheit universell. Und umgekehrt. Aber dies nur dann, wenn man den zweiten Teil des Satzes mit einbezieht und dabei nicht vergißt, eine Teilinversion der Adjektive vorzunehmen.

Intelligenztest

Nur Leute mit eher gering ausgeprägter Intelligenz glauben an die Relevanz von Intelligenztests und Intelligenzquotienten. Auch dann, wenn ihnen ein hoher IQ attestiert wird. Oder gerade dann.

Thesen zur Dummheit

Dumm ist ein Mensch, der die Entfaltung seiner Intelligenz dadurch behindert, daß er sie überschätzt.

Dumm ist ein Mensch, der die Relativität seiner Bildungsinhalte nicht reflektiert.

Dumm ist ein Mensch, der glaubt, das Sein sei wissenschaftlich zu erfassen.

Intelligenz und Bildung erzeugen ebensoviel Dummheit, wie sie abbauen. Nur die Kleider werden prächtiger.