Nutzlosigkeit

Dieser lächerliche Versuch einiger Osho-Imitatoren, die Vernunft und alles logische Denken als Funktion des Egos madig zu machen und ihre »Nutzlosigkeit« festzustellen. Dabei ist der Begriff »Nutzen« erst durch die Vernunft in die Welt gekommen. Wenn der Esoteriker nun von »Nutzen« und »Nutzlosigkeit« spricht, muß er, wenn das nicht nur wahnhaftes Geschwätz sein soll, immer die vernunftlogischen Meßgeräte in der Tasche haben, um die von ihm behauptete Nutzlosigkeit überhaupt wahrnehmen und darstellen zu können.

Der Nutzen der Lehre von der Nutzlosigkeit des Denkens ist ohne die Vernunft nicht feststellbar, mit Hilfe der Vernunft festgestellt, ist sie jedoch gleichzeitig widerlegt. Ein paradoxes Phänomen.

Der einzige Esoteriker, der auf mich überzeugend wirkt, ist still, lächelt vor sich hin und singt hin und wieder ein Liedchen.

Esoterik und Intellekt

Einige Esoteriker in der Nachfolge Oshos neigen dazu, den Intellekt intellektuell zu verteufeln: Sie kleben sich mit Hilfe ihrer reduzierten Interpretation des Intellekts, den Teil für das Ganze nehmend, einen Pappkameraden mit Namen Intellekt zusammen, stellen jede Menge leere Flaschen drumherum auf, und dann stoßen sie alles mit dem gleichen reduzierten Intellekt und großem Getöse wieder um.

Wen kann das überzeugen, wenn nicht ihren Intellekt? Wenn man, wie ich, davon ausgeht, daß das, was dort als Intellekt bezeichnet wird, nur das ist, was der nichtintuitive Intellekt durch analytische Dekonstruktion des Denkens übrigläßt, dann kann man nur lächeln darüber, wie sie sich selbst auszutricksen versuchen, rein intellektuell. Das, was dort als Intellekt beschrieben wird, ist doch schon eine Reduktion des Intellekts mit Hilfe des Intellekts. Das ist nicht schwer zu verstehen, jedenfalls dann nicht, wenn der Intellekt um diese Tendenz seines Wesens weiß und Wert darauf legt, nicht von sich selbst auf einen Teil seiner selbst reduziert zu werden. Das kann man natürlich nur verstehen, wenn man nicht rein intellektuell an die Beschreibung des Intellekts herangeht. Das, was verschiedentlich von Esoterikern als Intellekt beschrieben wird, um das Denken allgemein zu desavouieren, ist nur ein Teil dessen, was vom Denken übrigbleibt, wenn sie es reduziert-intellektuell zergliedern. Das, was dort als Denken bezeichnet wird, ist kein reales Bild, sondern ein modellhaft-intellektuelles Bild des Denkens.

tao

Von Menschen und Mäusen

»Es gibt sehr wenige Menschen in der Welt.« Das schrieb einer, der sich für einen »erwachten« Menschen hält. Eine Leuchte, die anderen, lebend »in dunklen Löchern«, den Weg zum ewigen Licht weisen will und Tag für Tag mit wortreichem Pathos, das sich in die grandiosesten Verzückungen steigert, über die Notwendigkeit des Schweigens parliert.

Er befindet: »Es gibt sehr wenige Menschen in der Welt.« Was sagt das? Das heißt nichts anderes, als daß der, der solches schreibt, der Mehrheit, der übergroßen Mehrheit, das Recht abspricht, sich als Menschen zu bezeichnen. Sie sind minderwertig. Nur ein paar, vermutlich er und seine sektiererischen Freunde, haben demnach das Recht, sich als Menschen zu bezeichnen.

Die anderen sind: Mäuse. (»Es gibt Millionen von Mäusen, aber keine Menschen.«)
Lassen wir die Logik beiseite, die es nicht erlaubt, gleichzeitig zu behaupten, es gäbe „sehr wenige“ und „keine“ Menschen, kommt uns eine derartige Tiermetaphorik nicht bekannt vor? Gab es da nicht mal eine arische Ratte (um bei der vorgegebenen Metaphorik zu bleiben), die in solchen Bildern schwelgte, was zur Folge hatte, daß Millionen von Menschen in wertes und unwertes Leben kategorisiert, an Rampen selektiert und anschließend wie Ungeziefer vernichtet wurden? 

Von der Charakterisierung der Mitmenschen als Mäuse ist es nur ein kurzer Weg zum »Mausgift kaufen«, wie es Bernhard Minetti in einem Theaterstück von Thomas Bernhard so unvergleichlich sagt.

Praktische Meditation

Er erwachte
und fühlte sich befreit
denn er hatte
endlich die Leiter
beiseite gelegt.
Nun nahm er die Säge
prüfte mit dem Daumen
das Blatt
es war scharf
und er sägte
und sägte
gutes Holz
für das Feuer
sagte er sich

Er warf alles von sich
das Feuer loderte auf
und wärmte ihn
und er lachte

die Säge aber
behielt er
für alle Fälle
man kann ja
nie wissen

Meditation

Der Hauptschwachpunkt aller auf Erkenntnis zielenden Meditation ist die Tatsache, daß durch die Fokussierung auf das Visuelle die eigenen vormeditativen textuellen Setzungen aus dem Blickfeld geraten. Es ist ein schönes Gefühl, wenn der Reisende im Flugzeug vergißt, daß er nicht selber fliegt, aber dadurch löst sich das Flugzeug nicht auf. Ist wohl auch besser so.

Brainbuilding

Wie sind sie mir zuwider, diese esoterischen Schwätzer, die davon faseln, wie schwer es sei, geradezu unmenschlich schwer, meditierend ins Innere einzutauchen, die Verstrickungen in die äußere Welt mit ihren Schlingen und Netzen und allen Verlockungen hinter sich zu lassen, um schwebend ins Nirwana eintauchen zu können. Mühsam, mühsam. Wie lächerlich leicht seien dagegen die Besteigung des Everest oder eine Mondlandung oder … blablabla.

Dabei sitzen sie zu Hause entspannt auf ihrer Meditationsmatte, haben die Uhr angehalten, damit das Ticken sie nicht stört, und bequeme Kleidung angelegt, damit nichts sie kneift und ablenken kann bei ihrer »größten Herausforderung, der ein Mensch sich in seinem Leben stellen kann«. Hängt doch schon „»die ganze Vergangenheit felsenschwer an ihrem Hals«.

»Dies ist das größte Abenteuer, das es gibt.« Ist es das wirklich? Oder ist das nicht vielmehr ein schweißsparender Muckibudenersatz zu klein geratener, verwöhnter Wohlstandsneurotiker, um sich wichtig zu machen?

Spiritueller Überschwang

Spiritueller Überschwang ist weniger Ausdruck emotionaler Reife als vielmehr die Folge des Wunsches nach tiefer gehender Emotionalität.

Dabei ist verbales Überschäumen häufig kein Zeichen von Fülle, sondern eher ein Indiz für Mangel. Und gerade dort, wo die Fülle blumenreich beschworen wird, ist der Mangel am größten.

Bei anspruchsloseren Menschen beschwören solche spirituellen Exzentrizitäten nicht selten ein Abziehbild der Gefühle herauf, als deren Ausdruck sie sich gebärden, und so lassen diese Menschen es sich auf dem wortgestrickten Gefühlsteppich gutgehen. 

Schlafgewohnheiten

Der wissenschaftliche Theoretiker ruht sich auf seinen Abstraktionen aus, hört den Ruf der Universität und hofft, daß ihm bald ein Licht aufgeht, der metaphysische Esoteriker hält sich an seine Meditationsmatte, hört den Ruf des Kuckucks und hofft auf Erleuchtung. Der metaphysische Theologe liegt auf einer harten Pritsche, hört die Glocken läuten und ist voller Hoffnung auf Erlösung. So bunt und vielfältig sind die Schlafgewohnheiten im anorganischen Leben.

Über die Negativität kritischer Einwände

Ein farbenblinder Regisseur esoterischer Stummfilme antwortete auf einen meiner kritischen Einwände:

Du interpretierst kontinuierlich. Und du interpretierst natürlich gemäß deines Denkens. Was ich schreibe, wird nicht gelesen, du liest es schon auf deine eigene Weise. Und da du zweifelst, liest du nur Zweifelhaftes. Und da du negativ bist, liest du nur Negatives.

Meine Antwort:

Du weißt ja: Ich habe sehr viel Geduld, und wenn es nötig ist, wiederhole ich mich auch gern noch mal und noch mal.

1. »Du interpretierst kontinuierlich.«

Alles, was du sagst, sind DEINE Interpretationen DEINER Wirklichkeit. Es gibt keinen hinreichenden Grund, mehr darin zu sehen als Interpretationen. Warum nun sollten diese Interpretationen von mir anders behandelt werden als meine eigenen Interpretationen oder diejenigen anderer Leute? Wenn ich sogar selbstkritisch genug bin, meine eigene Sicht der Dinge mit einer gewissen Vorsicht zu beäugen und auf Plausibilität abzuklopfen, warum sollte ich dann gerade bei dir, der so offensichtliche und objektivierbare Fehler produziert, eine Ausnahme machen, als wäre ich eine Mutter, die ihr Söhnchen trotz seiner Mängel über den grünen Klee lobt, weil eine Mutter das eben tut.

2. »Und du interpretierst natürlich gemäß deines Denkens.«

Abgesehen davon, daß »gemäß« und der Genitiv sich von jeher nicht miteinander vertragen und deshalb nicht zusammen in einen Satz gesperrt werden sollten, hast du völlig recht: Ich interpretiere gemäß meinem Denken. Und du hast auch recht mit dem „natürlich“. Wenn deine Weisheiten nur dann verstanden werden, wenn ich meinen Kopf abschraube, ihn durch einen andern ohne Urteilsfähigkeit und eigene Denkleistung ersetze, dann kann es mit deinen Weisheiten nicht weit her sein.

3. »Was ich schreibe, wird nicht gelesen, du liest es schon auf deine eigene Weise.«

Was heißt das? Hier handelt es sich um eine sehr eigentümliche Logik. In dem Satz wird gesagt »nicht gelesen« und »du liest«. Es werden zwei Aussagen gemacht, die einander widersprechen. Selbst Laotse mit seiner brillanten paradoxen Denkweise würde hier milde lächeln ob der vordergründigen Absicht, dem Wunsch nach Unterwerfung, der diesem Unsinn zugrunde liegt. Das ist nicht mal ein Taschenspielertrick.

4. »Und da du zweifelst, liest du nur Zweifelhaftes.«

Das heißt also, du kannst schreiben, was immer du willst: etwa die Erde ist ein Fahrrad, und wenn einer seine Zweifel hat, daß diese Aussage richtig ist oder auch nur semantisch nachvollziehbar, dann nicht etwa, weil du Blödsinn erzählst, sondern weil sein Denken durch Zweifel vergiftet ist. Du machst es dir ganz schön leicht. Du erklärst, man solle sich erst mal einer Gehirwäsche unterziehen, bevor man die heiligen Hallen deiner Wortkunst betritt.

5. »Und da du negativ bist, liest du nur Negatives.«

Das ist nun wirklich ein Taschenspielertrick. Oder sollte man besser sagen: die letzte Konsequenz aller gescheiterten Möchtegernimperatoren? Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.

Es ist so, als würde ein Regisseur von Schwarzweißfilmen, der behauptet, seine Filme seien die einzig farbigen, zu den zweifelnden Zuschauern im Kino sagen: Wenn ihr keine Farben seht, dann liegt das an eurer Wahrnehmung.

 

 

 

 

Unsere Missionare

Kaum etwas erzeugt in mir einen heftigeren Widerwillen und ein stärkeres Ekelgefühl als Missionare, Leute, die sich für auserwählt halten, die glauben, sie hätten etwas „geschaut“, was den meisten anderen verborgen bleibt, die sich einbilden, sie müßten Verirrte, Irrende auf den rechten Weg bringen, „Samenkörner“ in das Bewußtsein anderer Menschen legen, die noch im dunkeln tappen.

Heutzutage sind solche selbsternannten Fruchtbringer größtenteils glücklicherweise nicht mehr bewaffnet, und nur noch wenige von ihnen hantieren immer noch mit Feuer und Schwert, und ihr Fanatismus hat meist moderatere und sublimere Formen angenommen. Eine Zwangsfütterung mit Samenkörnern findet nur noch in Ausnahmefällen statt.

Dennoch: Hinter welchen Namen diese messianischen Wahrheitslämpchen sich auch verbergen, sie sind allesamt von der gleichen Art. Sie schätzen es nicht, wenn Menschen in Eigenverantwortung lernen und bestimmen wollen, was sie für richtig und für falsch halten, was sie glauben oder nicht glauben wollen. Ihre Lehren sind so totalitär wie schwammig autorisiert, und meist sind es irgendwelche vergilbten Papiere, die irgendeinem antiken Stenotypisten von einer angeblich übermenschlichen Autorität oder auch nur von einer altersweisen menschlichen mit seherischen Fähigkeiten diktiert worden sein sollen und die, wie unsere Missionare frech behaupten und manchmal tatsächlich selbst glauben, die letzte, unhinterfragbare Wahrheit in sich tragen.

Nun haben sie, unsere Missionare, die Jünger der angeblitzten Autoritäten und Autoritätenstellvertreter, durch höhere Gewalt, Erwählung oder auch nur durch meditative Wahrheitsempfängnis den Auftrag erhalten, Licht in das Dunkel der irdischen Verirrungen zu bringen, und so richten sie ihre Taschenlampen auf die Wege der in dunkler Verwirrung tappenden Armgeistigen, um ihnen zu helfen, göttliches Licht in ihre Angelegenheiten zu bringen. Und wenn der eine oder andere mal blinzelt, weil er ein wenig geblendet wird, beginnen unsere Missionare gleich zu frohlocken und bilden sich allen Ernstes ein, ihre Taschenlampen wären Scheinwerfer des Heiligen Geistes oder sie wären auf besondere Weise mit der unendlichen kosmischen Energie verdrahtet.

Man sollte sich vor ihnen hüten und sich auf das eigene Licht verlassen – selbst wenn es nur eine Kerze, ein kleines Licht ist.

Wer sein Licht unter den mit Samenkörnern gefüllten Scheffel solcher Missionare stellt, wird in Zukunft davon abhängig sein, ob sie ihre Taschenlampen an- oder ausknipsen. Wer, außer diesen Missionaren, kann das ernsthaft wollen?

Über den Körper

Sie sind im Irrtum, all diese Erweckten und Erwachten, Erleuchtungsgierigen, die sich mühen, das als Verschmutzung ihres spirituellen Kerns empfundene körperliche Sein mit seinen Gelüsten und Ausdünstungen, mit seinen Verschleimungen und Abwässern, seinem Darmgeruch abzustreifen wie eine Larve, und versuchen, das, was sie unter Reinheit verstehen, durch Meditation herzustellen, herbeizutranszendieren.

Transzendieren ist keine ganzheitliche Metamorphose, sondern nur eine spezifische Art suggestiver Selbstinszenierung des Gehirns. Ganz so wie auch andere Versuche, den Körper unter Kontrolle zu bringen, ob nun durch religiöse Riten mit Selbstkasteiung oder Extrembergsteigerei, die moderne Medizin oder militärischen Drill.

Wir sind phylogenetisch weit entwickelt und seit langem über das Amphibienstadium hinaus und auch keine parasitären Würmer (jedenfalls nicht alle), und wir haben keine larvalen Organe, die abgestoßen oder resorbiert werden und durch funktionsfähige adulte Organe ersetzt werden können, die irgendwo im verborgenen angelegt sind.

Unser Körper läßt sich zu Höchstleistungen anregen oder zwingen, wir können auf meditativem Wege oder mit Hilfe der Pharmakologie oder der Chirurgie in seine Funktionen eingreifen oder uns so weit versenken, daß wir unsere Leiblichkeit zeitweise nicht mehr spüren. Aber wir können sie nicht abstreifen wie Falter ihr Verpuppungsmaterial.

Wir haben nur diesen einen Körper, und es bleibt dem Tod überlassen, was er damit metamorphisierend anstellt, wenn er uns holt. Was dann geschieht und ob dann mit uns etwas anderes geschieht als mit den Blättern im Herbst, wissen wir nicht, und es liegt weder in unserer Hand, darauf einzuwirken, noch es zu verhindern.

Über esoterische Arroganz

So mancher Esoteriker schwadroniert von seiner »energetischen Bereicherung«, von seinem aus dem Normalen herausragenden Energiestatus und betrachtet diejenigen, die solches kritisch in Frage stellen und sich seinen messianischen Bestrebungen widersetzen, aus der Sicht der reifen Seele als »juvenil« und unerfahren. Gerade die in die Jahre gekommenen Poona-Zöglinge tun sich da besonders hervor.

Dabei bemerken sie nicht, daß die energetischen Symptome, die sie bei sich wahrnehmen, keine Phänomene einer sich abzeichnenden Erleuchtung sind, sondern eine Folge der simplen Tatsache, daß das Brett vor dem Kopf beim nachmeditativen Wiedereintritt in die Zivilisationsatmosphäre dazu neigt, Feuer zu fangen.

Ob so etwas wie Erleuchtung möglich und darüber hinaus hilfreich ist, kann ich nicht beurteilen, aber eines ist sicher: Durch Bretter vor dem Kopf dringt kein Licht.

Esoterische Ganzheitlichkeit

»… So ist der Körper – ein Vehikel. Aber etwas Tieferes als der Körper ist da, etwas Höheres als der Körper ist vorhanden – etwas von der Totalität. Ein Fenster hat sich in die Ganzheit geöffnet.«

Als ich vor 40 Jahren in der Pubertät Plotin las mit seinen platonischen Vorstellungen vom Körper als Kerker der Seele, konnte ich das damals mühelos nachvollziehen und dem vehement beipflichten, stand ich doch mit meinem eigenen Körper wie die meisten Pubertierenden auf Kriegsfuß. Heute aber habe ich eine ganzheitliche Betrachtungsweise, und ich sehe den Körper eher als Verkörperung meiner und seiner selbst. Und wenn etwas klirrt und rattert, dann klirrt und rattert es bei mir selbst. Das auf jemand anderen zu schieben ist so einfach wie unoriginell. Und ein Beitrag zur Theorie der Schizophrenie. Wer das lebendige Seiende in Körper und Seele aufspaltet, ist von einer ganzheitlichen Betrachtungsweise weit entfernt. Merkwürdig nur, daß die meisten der lauthals Ganzheitlichen dies nicht bemerken. Sie reden von Ganzheitlichkeit und verachten doch ihren Körper.

Und wer ganz genau hinschaut, der vermißt bei dieser Art esoterischer Ganzheitlichkeit noch eines, was zur wirklichen Ganzheitlichkeit unbedingt dazugehört: den Geist.

Über grüne und blaue Mäuse

Nimmt einer in seiner meditativ gestützten Intuition grüne Mäuse wahr, dann sagt das etwas über seinen Farbsinn und die Art seiner Wahrnehmung aus, wenn ein anderer blaue sieht, gilt das gleiche. Über »kosmische Wahrheit« oder wie immer man das nennen mag, sagt beides nichts.

Wenn nun ein dritter sich hinsetzt und nach einiger Zeit grüne oder blaue Mäuse sieht, dann sagt das ebenfalls nichts über »kosmische Wahrheit«, sondern nur über dessen Farbsinn und dessen Art der Wahrnehmung und darüber, ob er sich mit Grünmaussehern oder mit Blaumaussehern identifiziert.

Und dann gibt es natürlich auch noch die weißen und die profanen grauen Mäuse und die mit gestreiften Hosenträgern, je nach Konfession und Esoterikgrad der Bildbetrachter. Und nicht zuletzt die zähe Volksmetaphysik der exoterischen Weltreligionen mit ihren spezifischen optischen Filtern.

Und die freiwilligen und unfreiwilligen Farbenblinden.

Der größte Teil von dem, was wir wahrnehmen, ist die Folge unserer unbewußten oder halbbewußten Entscheidung, was wir wahrnehmen wollen.

Der kleine Buddha

Wenn einer lange genug unter einem westeuropäischen Baum sitzt, kann es sein, daß ihm ein Licht aufgeht und er bemerkt, daß es sich bei dem Baum nicht um eine Pappelfeige handelt, sondern etwa eine Eiche oder Buche – und daß es Sinnvolleres gibt, als jahrelang unter einem Baum zu sitzen, den man für einen Feigenbaum hält, obwohl an den Zweigen ersichtlich keine Feigen hängen.

Wahrscheinlicher aber als der plötzliche innere Lichteinfall ist, daß dem Sitzenden ein Ast auf den Kopf fällt – oder der ganze Baum.

Esoterische Avantgarde

Versuchen kann man’s ja.

Immer wieder diese kläglichen Bemühungen, aus dem hypertrophierten, ichzentrierten, individualistischen westlichen Konzept der Persönlichkeit auszubrechen durch die Verteufelung des Egos mit Hilfe von buddhistisch oder taoistisch gefärbten Heilsversprechen kosmischer Transzendenz.

Daß auch diese nur zu temporären Verschiebungen des Egos in periphäre Gefilde führen, sieht man am besten am Totalitarismus und elitären Scheinavantgardismus vieler esoterischer Vereinigungen.

Das lächerliche Bild des eingebildeten Weltgeistes im Rolls-Royce zeigt unübersehbar, daß die Egozertrümmerung, trotz aller sophistisch-dialektischen Erklärungsversuche, nichts anderes ist als Verschiebung und Aufblähung des Egos an anderer Stelle.

Unser Ego läßt sich nicht wegmeditieren oder wegdiskutieren, wir »verlieren« es erst, wenn wir sterben.

Und ob das ein Verlust oder ein Gewinn ist, werden wir vermutlich niemals erfahren.

Ich neige allerdings dazu, Verlust und Gewinn gleichzusetzen.

Wunder

Erleuchtung ist kein Zustand. Erleuchtung ist ein Augenblick der Einsicht ins eigene Bewußtsein. Voraussetzungen dafür sind gutes Licht von allen Seiten, ein Vergrößerungsglas und ein Überbewußtsein mit guten Augen und ohne rosa Brille.

Eine Art Wunder.

Spiritus sanctus profanus

Einer, den ich von Zeit zu Zeit auf Widersprüche, falsche Verallgemeinerungen und ärmlich plausible oder auch ganz und gar unsinnige Behauptungen in seinen Texten hinweise, schrieb mir Folgendes:

»Du kannst den anderen nicht verstehen, wenn du innerlich schon Worte hast, denn dann verbindet sich alles mit deinen Worten, mit deinem Denkprozeß, und dann ist es gefärbt. Intellektuelles Verstehen bedeutet: Wenn du liest, argumentierst du gleichzeitig schon dagegen. Ein ständiges Argumentieren geht vor sich. Ich schreibe etwas, du liest es, und ständig ist in dir schon ein Gegenargument präsent: Ob dies richtig oder falsch ist. Du vergleichst es mit deinen eigenen Konzepten, deiner eigenen Ideologie, deinem eigenen System. Wenn du also hier liest, vergleichst du ständig, ob ich deine Ideen bestätige oder nicht, ob ich dir entsprechend bin oder nicht; ob du mir etwas zugestehen kannst oder nicht, ob ich dich überzeuge oder nicht. Wie ist auf diese Weise ein Verstehen möglich? Du bist zu voll von dir selbst. Was auch immer du also verstanden hast, wird nicht das sein, was ich gemeint habe. Das kann es nicht sein – denn wenn das Denken voll ist mit seinen eigenen Ideen, gibt es ständig allem eine Färbung, was zu ihm kommt. Es versteht nicht, was gemeint ist, sondern, was es verstehen möchte. Es wählt aus, es läßt aus, es interpretiert, und erst dann dringt etwas nach innen – aber das hat dann schon eine völlig andere Form. Dies also ist intellektuelles Verstehen.

Im spirituellen Leben sind die Gesetze diametral entgegengesetzt zu dem, was sie in der gewöhnlichen profanen Welt sind.«

Mein Kommentar dazu:

Wenn du willst, daß ich dich verstehe, mußt du sagen, was du meinst. Wenn du aber sagst, was du meinst, dann ist das, wie alles, was einer sagt, falsifizierbar, weil es mehr oder weniger plausibel ist. Und Plausibilität ist der Maßstab für alles, was einer sagt.

Wenn du dich auf die intellektuelle Abbildung deiner Denk- und Fühlprozesse einläßt – und das tust du, indem du etwas schreibst – und die Öffentlichkeit darüber informierst – und das tust du, indem du etwas publizierst –, dann mußt du damit rechnen, daß das, was du schreibst, überprüft wird. Dummerweise trifft deine eigene Ideologie nun auf andere Ideologien und muß sich mit ihnen messen, ob dir das nun paßt oder nicht, denn das, was du schreibst, ist keine heilige Schrift, sondern nur ganz «profane« Repräsentation von subjektiven Gedanken und Gefühlen und natürlich auch der Ausfluß der Ideologie, die du dir selbst zur Grundlage deiner Lebensweise gemacht hast.

An deinen Texten bemerke ich vor allem das, was du mir unterstellst – und sicher zu Recht: idiographische Färbung. Der Unterschied zwischen uns beiden aber ist der, daß ich ganz bewußt perspektivisch denke und meine Farben ständig wechsle und mische, während du dich allenfalls für die Mischung der Grautöne zu begeistern scheinst.

»Du bist zu voll von dir selbst. Was auch immer du also verstanden hast, wird nicht das sein, was ich gemeint habe.«

Aber sicher. Nur erwarte ich von dir, daß du aufhörst mit den Simplifizierungen und Generalisierungen, wenn es um die andern geht, und etwas mehr Genauigkeit und Präzision bei der Formulierung deines Anliegens walten läßt. Denn nur dann sind andere bereit, auf das einzugehen, was du sagst. Aber du scheinst mir so voll zu sein mit dichotomischen Bildern, daß du die andern nur als Kulisse deiner eigenen, ideologisch generierten Traumwelt wahrnehmen kannst.

Was du hier schreibst, ist ein ständiges Argumentieren von deinem ganz persönlichen, individuellen Standpunkt aus, und es macht ganz und gar keinen Sinn, anderen genau das vorzuwerfen, was du selber tust.

»Im spirituellen Leben sind die Gesetze diametral entgegengesetzt zu dem, was sie in der gewöhnlichen profanen Welt sind.«

Diesen Satz möchte ich mir zum Abschluß einmal kurz anschauen, damit du meine Denkweise etwas genauer kennenlernen kannst:

Was ist »spirituelles Leben«? Für mich ist das nur ein Spruch von Leuten, die ihr eigenes Leben auf einen Aspekt zu reduzieren versuchen. Aber es gibt nur mehr oder weniger Spiritualität im Leben, nicht »spirituelles Leben«. Ein spirituelles Leben ist kein »Leben«.

Im Grunde ist spirituelles Leben eine Contradictio in adjecto, aber so, wie du es gebrauchst, ein Epitheton ornans. Andere hängen sich andere Ketten um den Hals.

Welche »Gesetze«? Und wer hat sie erlassen? Und wie allgemeingültig sind sie?

»Diametral«? Das ist ein Lieblingsbegriff von Spätpubertierenden, die nicht begreifen wollen, daß sie in derselben Welt leben wie alle anderen. Weil diese Welt ihnen zu gewöhnlich ist. Und damit sind wir beim Schluß des Satzes:

»in der gewöhnlichen profanen Welt«. Altes Priestergewäsch. Und dann auch noch pleonastisch. Ich gestehe dir ja gerne zu, daß diese Welt dich anekelt, mir geht es häufig auch nicht anders. Aber wir haben nur diese eine Welt. Und die »heiligen Bezirke«, auf die das Wort »profan« dichotomisierend rekurriert, sind selbstreferentiell und nichts anderes als der matte Abglanz uralter Priesterphantasien.

Es gibt in dem Film »Gandhi« eine sehr schöne Szene, in der Gandhi seiner spirituell statusdünkelnden Frau deutlich zu machen versucht, daß es keine Schande ist, das eigene Klo selbst sauberzumachen. Für mich ist das eine Schlüsselszene.

Wenn du das hier liest, was ich schreibe, solltest du dir aber klarmachen, was grundsätzlich für alle gilt, die Profanen wie die Überprofanen: »Du vergleichst es mit deinen eigenen Konzepten, deiner eigenen Ideologie, deinem eigenen System. Wenn du also hier liest, vergleichst du ständig, ob ich deine Ideen bestätige oder nicht, ob ich dir entsprechend bin oder nicht; ob du mir etwas zugestehen kannst oder nicht, ob ich dich überzeuge oder nicht. Wie ist auf diese Weise ein Verstehen möglich? Du bist zu voll von dir selbst.«

Und du solltest nicht vergessen, daß aus deinem Hintern genauso unappetitliche, gewöhnliche, profane Krümel in die Welt entlassen werden wie aus jedem andern.