Über den Körper

Sie sind im Irrtum, all diese Erweckten und Erwachten, Erleuchtungsgierigen, die sich mühen, das als Verschmutzung ihres spirituellen Kerns empfundene körperliche Sein mit seinen Gelüsten und Ausdünstungen, mit seinen Verschleimungen und Abwässern, seinem Darmgeruch abzustreifen wie eine Larve, und versuchen, das, was sie unter Reinheit verstehen, durch Meditation herzustellen, herbeizutranszendieren.

Transzendieren ist keine ganzheitliche Metamorphose, sondern nur eine spezifische Art suggestiver Selbstinszenierung des Gehirns. Ganz so wie auch andere Versuche, den Körper unter Kontrolle zu bringen, ob nun durch religiöse Riten mit Selbstkasteiung oder Extrembergsteigerei, die moderne Medizin oder militärischen Drill.

Wir sind phylogenetisch weit entwickelt und seit langem über das Amphibienstadium hinaus und auch keine parasitären Würmer (jedenfalls nicht alle), und wir haben keine larvalen Organe, die abgestoßen oder resorbiert werden und durch funktionsfähige adulte Organe ersetzt werden können, die irgendwo im verborgenen angelegt sind.

Unser Körper läßt sich zu Höchstleistungen anregen oder zwingen, wir können auf meditativem Wege oder mit Hilfe der Pharmakologie oder der Chirurgie in seine Funktionen eingreifen oder uns so weit versenken, daß wir unsere Leiblichkeit zeitweise nicht mehr spüren. Aber wir können sie nicht abstreifen wie Falter ihr Verpuppungsmaterial.

Wir haben nur diesen einen Körper, und es bleibt dem Tod überlassen, was er damit metamorphisierend anstellt, wenn er uns holt. Was dann geschieht und ob dann mit uns etwas anderes geschieht als mit den Blättern im Herbst, wissen wir nicht, und es liegt weder in unserer Hand, darauf einzuwirken, noch es zu verhindern.

Über esoterische Arroganz

So mancher Esoteriker schwadroniert von seiner »energetischen Bereicherung«, von seinem aus dem Normalen herausragenden Energiestatus und betrachtet diejenigen, die solches kritisch in Frage stellen und sich seinen messianischen Bestrebungen widersetzen, aus der Sicht der reifen Seele als »juvenil« und unerfahren. Gerade die in die Jahre gekommenen Poona-Zöglinge tun sich da besonders hervor.

Dabei bemerken sie nicht, daß die energetischen Symptome, die sie bei sich wahrnehmen, keine Phänomene einer sich abzeichnenden Erleuchtung sind, sondern eine Folge der simplen Tatsache, daß das Brett vor dem Kopf beim nachmeditativen Wiedereintritt in die Zivilisationsatmosphäre dazu neigt, Feuer zu fangen.

Ob so etwas wie Erleuchtung möglich und darüber hinaus hilfreich ist, kann ich nicht beurteilen, aber eines ist sicher: Durch Bretter vor dem Kopf dringt kein Licht.

Der kleine Buddha

Wenn einer lange genug unter einem westeuropäischen Baum sitzt, kann es sein, daß ihm ein Licht aufgeht und er bemerkt, daß es sich bei dem Baum nicht um eine Pappelfeige handelt, sondern etwa eine Eiche oder Buche – und daß es Sinnvolleres gibt, als jahrelang unter einem Baum zu sitzen, den man für einen Feigenbaum hält, obwohl an den Zweigen ersichtlich keine Feigen hängen.

Wahrscheinlicher aber als der plötzliche innere Lichteinfall ist, daß dem Sitzenden ein Ast auf den Kopf fällt – oder der ganze Baum.

Wunder

Erleuchtung ist kein Zustand. Erleuchtung ist ein Augenblick der Einsicht ins eigene Bewußtsein. Voraussetzungen dafür sind gutes Licht von allen Seiten, ein Vergrößerungsglas und ein Überbewußtsein mit guten Augen und ohne rosa Brille.

Eine Art Wunder.

Alles Große ist einfach

Klug und weise wird man, wenn überhaupt, am schnellsten nicht durch Lernen, Erfahrung und Denken, sondern dadurch, daß man die andern für dumm erklärt – und sich selbst für samadhisiert, erleuchtet, satorisiert oder pipalbaumgeläutert. Man muß natürlich ein wissendes Gesicht inszenieren, sonst glaubt nur man selbst daran, aber auch nur dann, wenn kein Spiegel in der Nähe ist.

Über Erleuchtung

Um erleuchtet zu werden, muß man keine große Leuchte sein. Überhaupt erlangt man Erleuchtung am ehesten im Dunkeln. Bei allzu exzessiver Illumination wird Erleuchtung nämlich leicht übersehen, weil man zu sehr von der Beleuchtung, vom Licht abgelenkt wird.

Beleuchtung aber hat natürlich auch Vorteile: Sie verhindert zum Beispiel, daß man in die Gruben fällt, die andere uns graben, zum Beispiel Erleuchtungstheoretiker.