Kommunikative Widrigkeiten

Neulich stellte jemand auf einem Blog (sich selbst?) die Frage, warum jedes Gelingen ein solches Ausmaß an Zeit und Bemühung beanspruche. Und im weiteren erklärte er, „unser Dasein“ sei „gewissermaßen ins Uneigentliche abgerutscht“, und um es „wahrhaft zu leben“ sei ein anderer „psychischer Zustand erforderlich“. Kurz gesagt: „Ekstatisches Glück“ sei nur „in der Freiheit“ erfahrbar, die möglicherweise illusionär sei. So der Kern seiner Aussage.

Ich gab dazu einen freundlichen, sachlichen, in keiner Weise auf die Person des Autors zielenden Kommentar ab, der seine Aussagen ein wenig relativierte, und wurde wenig später mit persönlichen Unterstellungen, psychogrammähnlichen Mutmaßungen bombardiert, Äußerungen, deren Heftigkeit mich nicht nur wenig überraschte. Zum Inhalt meines Kommentars sagte er so gut wie nichts: Meine Aussagen seien zweifelhaft, es gäbe „tausend Argumente“, die man dagegen vorbringen könne, aber die Zeit sei zu kostbar, um sich mit „pseudophilosophischen Fragen“ zu beschäftigen.

Nachdem ich mich dazu durchaus detailliert geäußert hatte, wurden alle Kommentare gelöscht.

Jetzt frage ich mich: Aus welchem Grund stellt jemand Texte ins Netz und ermöglicht durch die Kommentarfunktion einen Meinungsaustausch, wenn er an einem Meinungsaustausch nicht interessiert ist?

Das zur Vorrede. Nun zum Eigentlichen.

Das Mühevolle am Gelingen. – Soll man auf bekannte Sprichwörter verweisen wie: „Ohne Fleiß kein Preis“ oder „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“, oder ist es besser, einfach zu erwähnen, daß sich bereits in der Bibel, Genesis 2, der Ausspruch findet: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen …“? Ja, das Leben der meisten Menschen ist bisweilen mühsam.

Das ins Uneigentliche abgerutschte Dasein. – Da stellt sich mir die Frage, was wir uns unter einem Eigentlichen vorzustellen haben, in dem unser Dasein sich zu einem früheren Zeitpunkt befunden haben könnte. Wie sah das aus, und zu welchem Zeitpunkt war unser Dasein noch im Eigentlichen? (Mir kam gerade der Gedanke, der Autor könnte mit „wir“ etwas anderes meinen als ich, also nicht einen Pluralis modestiae, sondern eine Art Pluralis majestatis oder einen Beziehungsplural benutzen – das sollte er dann aber erwähnen.)

Glück und Freiheit. – Ich will es kurz machen: Glück ist zum großen Teil Ansichtssache und Freiheit darüber hinaus ein Wort wie ein hohler Backenzahn, solange es nicht definiert ist, ein Leerraum, den jeder beliebig mit dem füllt, was er darin unterzubringen wünscht.

Finanzexperte, erfolgreich

Was ist ein erfolgreicher Finanzexperte? Das ist ein Mensch, dem es gelingt, mit leerer Hand in die Taschen von Nichtfinanzexperten hineinzugreifen, die volle Hand unbemerkt wieder herauszuziehen und die Beute nicht in die eigene, sondern großzügig in die Taschen seiner Klientel hineinzustecken, die ihm seine Großherzigkeit ebenso großzügig vergütet. Durch diesen scheinbaren Umweg besteht für den Finanzexperten nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, das Heer der weniger erfolgreichen Finanzexperten in den Strafvollzugsanstalten zu vergrößern.

Erfolg und Mißerfolg

Einer der sichersten Wege zum Mißerfolg ist die Idee des Erfolgs, der Glaube, wir könnten mit unserem Tun dauerhaft erfolgreich sein. 

Eine andere kräftig sprudelnde Quelle des Mißerfolgs ist die Idee, den Mißerfolg durch Negierung der Idee des Erfolgs vermeiden zu können. Ob du Blümchen streichelst oder alte Bücher: Mißerfolg ist dir gewiß. Das Scheitern ist universell. Der farbenfreudige Künstler wird das Bild, das er malt, nicht vollenden.

Doch deshalb die Palette wegzuwerfen und sich statt dessen nur noch mit Schwarzweißfotografie zu beschäftigen, das wäre eine ästhetische Reduktion ohne Sinn, so als würde ein Häftling im Gefängnis aufhören, seinen Traum von der Freiheit zu träumen, den Traum, der ihn aufrecht hält.

Erfolg

Erfolg ist nicht nur appendizischer Ausdruck der Sinnlosigkeit – nämlich Folge des Suchens nach Sinn –, sondern gleichzeitig ihr ironischer Kommentar, denn Erfolg ist niemals von Erfolg gekrönt. Bestenfalls ist er so etwas wie die Wegzehrung auf dem Marsch nach irgendwo. An den Rändern dieses Weges aber liegen überall die leeren Tüten unserer Vorgänger.

Erfolg und Professionalität

Erfolg hat meistens nicht viel mit guter Leistung und Professionalität zu tun. Es muß nur genügend Leute geben, die das anerkennen, was du tust, und rote Teppiche auf deine groben Bretter legen. In diesem Fall kannst du dir sogar die Leistung sparen. Bohlen werden beinahe ganz von allein zu Laufstegen.