Egoismus

Das Schlimmste am Egoismus ist nicht die Rücksichtslosigkeit beim Ellbogengebrauch, sondern das phantasiearme Bewußtsein des Egoisten, die andern hätten eine ähnliche Einstellung wie er selbst (oder sie seien gar schlimmer) und würden diese nur besser verbergen. So gesehen, wird die eigene Egohampelei zu einer Art Schutzmechanismus. Wie so oft, spielt der Täter nichts lieber als Opferlamm.

Großzügigkeit beim Teilen

Viele Menschen sind bereit, dein letztes Hemd mit dir zu teilen und sehen meist großzügig darüber hinweg, daß es nicht aus Seide und schon gar nicht von Lagerfeld ist. Und das tun sie sogar dann, wenn sie selbst noch eines haben.

Philanthropie

Energisch umgesetzte Philanthropie ist ohne Eitelkeiten und das Streben nach moralischem Prestigegewinn nur selten zu haben, denn auch hinter dem scheinbar selbstlosen Altruismus steckt meistens ein egoistischer Antrieb.

George Bernard Shaw sagt: »Die meisten Egoisten sind ehemalige Altruisten.« Das mag so sein oder auch nicht. Aber sicher scheint mir eines: Viele Altruisten verstecken ihren Egoismus, indem sie ihn verfeinern.

Wenn es der Allgemeinheit nützt, sei ihnen der moralische Mehrwert zu gönnen. Tun wir so, als ob wir die Camouflage nicht bemerkten.

Pulver unterm Hemd

Hier und dort gibt es Leute, die bereits mit ausgefahrenen Ellbogen auf die Welt gekommen zu sein scheinen. Wenn ich früher mit solchen Mitmenschen konfrontiert wurde, begannen meine Ellbogen zu kribbeln. Heute juckt es mich nur noch in den Fingern, und ich überlege, wo ich die Dose mit dem Juckpulver gelassen habe. So ein bißchen Pulver unterm Hemd wirkt manchmal Wunder.

Doch wozu sich bemühen? Die meisten Ellbogenboxer bepulvern sich selbst.

Das Bordell und die Wünsche

In einer Diskussion in FAZ.NET zu Johanna Adorjáns Kritik an Thomas Brussigs Buch über Bordellbesuche und an diesem selbst (»Das Buch als Porträt des Autors«), in der es unter anderem heißt:

Wie ein Restaurantkritiker, dem für seine Beurteilung der Anblick der Tischdecke genügt, ist Thomas Brussig durchs Rotlichtmilieu gezogen und hat sich mit Prostituierten: unterhalten,

schrieb ich unter der Headline „Jeder liefert sein eigenes Porträt“:

Frau Adorján scheint mir ideologisch angeblindet und vor allem frei von jeder persönlichen Erfahrung. Sie selbst hat, da bin ich sicher, diese Tischdecke, von der sie spricht, noch nie gesehen, aber sie glaubt, in feministischen Uni-Seminaren und dazu passender Sekundärliteratur genügend Kompetenz erworben zu haben, um über die verhandelte Realität auch ohne persönliche Anschauung urteilen zu können. Sie beurteilt das Restaurant aus der theoretischen Sicht einer abstinenzlerischen Magersüchtigen. Das muß niemand ernst nehmen. So halbgar Brussigs Sichtweise sein mag, Adorjáns Sicht ist theoretische Rohkost. Als würde man mit einem Kohlkopf nach der Wurst werfen.

Nun fragt sich eine Leserin (Zitat: Muß die Autorin Expertin sein, wenn sie einen Erlebnisbericht rezensiert), was einen wohl bewege, »sich da hineinzubegeben«, und gibt unfreiwillig mit ihrer Vermutung eine teilweise zutreffende Antwort:

Wie man sehen kann, verstehen manche nicht, daß es zu einer gelungenen Partnerschaft, auch einer Sexualpartnerschaft, gehört, sich nicht nur »an den eigenen Wünschen« zu orientieren, sondern auch an denen des andern.