Die Tücken der Agonalität

Man sollte meinen, jede gelungene Selbstreflexion decke den verborgenen agonalen Charakter des eigenen kulturellen Denkens und Handelns auf und wäre das Einfallstor für intellektuelle Gelassenheit und eine bescheidenere Sicht. Da jedoch das Agonale archetypisch tief im Menschen verwurzelt ist, wird der Reflektierende alsbald versuchen, jeden andern in der Tiefe der Reflexion über das Phänomen der Agonalität zu übertreffen. Die eigenen Erleuchtungen sollen heller strahlen als die der andern, und wenn wir uns mit anderen Reflektierenden auf der dritten Stufe der Metaebenen befinden, halten wir doch heimlich Ausschau nach einer vierten, um die andern zu übertreffen: das Agens (sic!) jeder kulturellen und intellektuellen Entwicklung.

Vielleicht ist das auch der wahre Sinn von Goethes letzten Worten: »Mehr Licht!«

Über Gastgeber besonderer Art

Wenn jemand halbgare Behauptungen als leckeres Menü auf den Tisch stellt und die Gäste zeigen eine gewisse Unzufriedenheit, würzen nach und beginnen ein Gespräch über Kochkunst, dann holt der eine oder andere verhinderte Meisterkoch schon mal ein Tranchiermesserchen aus der Küche, aber nicht um das zähe Fleisch zu schneiden, sondern um mit dem Metall herumzufuchteln. Und wenn es dann immer noch Gäste geben sollte, die nicht überzeugt sind von der Einzigartigkeit der angebotenen Köstlichkeiten, dann weist man den Kostverächtern die Tür und wirft ihnen das Messer hinterher.

Solche Gastgeber sind nicht nur schlechte Gastgeber, sondern auch schlechte Gäste. Selbst eingeladen, ergehen sie sich, wenn sie überhaupt erscheinen, wortreich über die Ungenießbarkeit der angebotenen Speisen, ohne sie vorher gekostet zu haben – allein vom Anblick wird ihnen bereits schlecht –, und noch bevor der Gastgeber sich zu ihren Bemerkungen äußern kann, sind sie bereits wieder verschwunden: Später sieht man sie dann an der Imbißbude im ausgelassenen Fachgespräch mit einem Currywurstproduzenten.

Kein Märchen

Ein Mensch ist mit sich und seiner Umgebung nicht im reinen und entschließt sich, seine Gedanken im Internet zu veröffentlichen, sucht das Gespräch mit andern. Ein normaler Vorgang.

Nun hat dieser Mensch aber auch eine Neigung zum Provozieren und schreibt einen Beitrag zu einem Reizthema. Unter einer aggressiven Überschrift tut er in aggressiver Manier und großer Widersprüchlichkeit seine Meinung kund und erklärt, das sei nicht nur seine Meinung. Und er tut das auf provokative Art und Weise. Er wird sachlich darauf hingewiesen, daß sein Beitrag widersprüchlich ist und gekennzeichnet von Schwarzweißdenken, niemand verunglimpft ihn persönlich, niemand greift ihn persönlich an, sondern die hinter seinen Worten (und es ist ja nicht nur seine Meinung, wie er selbst erklärt hat) stehende Haltung wird kritisch betrachtet.

Seine Reaktion darauf ist gekennzeichnet von vollkommener Uneinsichtigkeit. Er nimmt die Reaktionen als Angriffe wahr und holt die Keule raus. In der Folge werden die Kritiker beschimpft, persönlich angegriffen, es wird ihnen etwas unterstellt, unsinnige Behauptungen werden aufgestellt. Wer anderer Meinung ist, wird verunglimpft, beleidigt, unter Verdacht gestellt. Andere werden als Extremisten, arrogante Intelligenzler, Leute von einer »Sorte«, gar als »aufgeblasener Frosch« bezeichnet. Und man scheut sich nicht, Gesinnungsverwandte dazu aufzufordern, einen Kritiker, dessen Kritik zu keiner Zeit ein persönlicher Angriff war, »niederzubetonieren«. (»Tu mir den Gefallen und betonier den aufgeblasenen Frosch mit einm guten Argument nieder – aber ich fürchte, der steht wieder auf.«)

Man weist auf angebliche »Eigentore« und »Widersprüche« anderer hin, ohne auch nur ein einziges Beispiel dafür anzuführen, es wird einfach blind und lustvoll auf andere eingeschlagen. Bei alldem wird dieser aggressive Mensch nicht müde, auf seine große Toleranz und Menschenliebe hinzuweisen, und vergießt bittere Tränen darüber, daß er mißverstanden worden sei. Was ihn nicht daran hindert, bei nächster Gelegenheit den nächsten Kritiker auf die übliche Weise mundtot machen zu wollen.

Und dann stellt er sich hin und erklärt, Haß sei »kein wirklich guter Nährboden für Frieden«. Abgesehen davon, daß Haß NIE Nährboden für irgend etwas Positives ist und schon gar nicht für Frieden und immer ein Zeichen von emotionaler Unreife: Ausgerechnet der, der solche Gefühle hat und versucht, sie bei andern zu erzeugen, sagt so etwas. Das ist der Gipfel der Impertinenz.

Aber vielleicht ist es ja nur ein Versuch der Selbstsuggestion und ein Selbstgespräch. Vielleicht die erste zarte Blüte der Einsicht. Der Friede fängt immer bei einem selbst an. Wenn ich mit mir selbst nicht in Frieden leben kann und deshalb andere beleidigen, provozieren, angreifen muß, dann ist wenig Hoffnung auf Frieden. Ohne akzeptable Gesprächskultur kein Gespräch.

 

Über Unbelehrbarkeit

Manche Menschen haben sich dermaßen gut eingerichtet in ihrer Selbstherrlichkeit, daß nichts sie erreicht, was sie nachdenklich machen könnte, weder Kritik noch gutgemeinte Ratschläge, noch fundierte Argumente. Sie sind wie imprägniert gegen Meinungen und Sichtweisen anderer, und sie sorgen mit mentalem Imprägnierspray dafür, daß ihr Denken und die damit verbundenen Haltungen und Handlungen nicht durch Fremdes beeinträchtigt werden. So weit, so gut. Man kann sie bedauern oder nicht, jeder, wie er mag.Auch die Imprägnierten haben das Recht, nach ihrer Fasson zu leben. Jeder hat dieses Recht.

Nun ist es aber so, daß gerade diese geistig unbeweglichen Menschen häufig mit überdimensionalem Sendungsbewußtsein ausgestattet sind und dazu neigen, anderen ihre Denkart als vorbildlich aufdrängen zu wollen. Das führt dazu, daß sie ihren Mitmenschen mit geradezu missionarischem Eifer vorgeben wollen, wie Texte zu lesen seien, was wie und wo geschrieben werden soll und darf und welche Gefühle die richtigen sind.

Sie glauben allen Ernstes, sie hätten ganz allein das Recht, darüber zu entscheiden, über was geredet werden darf und wann Diskussionen, wenn sie sich überhaupt auf solche einlassen, beendet sind. Dieses Recht hat niemand.

Diskussion

Der Sinn einer kreativen Diskussion ist es nicht, herauszufinden, wer recht hat, oder sich mit seiner Meinung oder Theorie durchsetzen zu wollen, sondern auszuloten, was richtig sein könnte. Dabei wird sich manches Mal herausstellen, daß keiner recht hat oder alle recht haben, und zwar deshalb, weil die Perspektive eine jeweils andere ist oder einem Diskussionsgegenstand mehrere Erscheinungsformen zukommen können. Dann kann man natürlich über die Qualität der Perspektive diskutieren und über eine eventuelle Ungleichwertigkeit der Erscheinungsformen und so weiter.

Diskussion sollte aber kein Kriegsersatz sein. Spielen und mit Gegenständen werfen kann man besser im Sandkasten. (Wenn ich meinen Text betrachte, fällt mir ein möglicher Ansatzpunkt für Kritik oder eine Diskussion auf: das Spielen im Sandkasten. Wie jeder weiß oder wissen sollte, kann Spielen im Sandkasten sehr kreativ sein, und deshalb habe ich hier zu allgemein formuliert, weil ich die kreativen Erscheinungsformen des Sandkastenspiels außer acht gelassen habe.

Ich dachte daran, daß die Kontrahenten sich in Diskussionen häufig gegenseitig Sand in die Augen streuen, und finde diese Unart wenig förderlich. Spielerische Elemente jedoch können Diskussionen in mancherlei Hinsicht beleben. Ein zweiter möglicher Einwand könnte sein, daß ich die sportliche Komponente von Diskussionen nicht erwähnt habe: Diskussion als geistige Eristik. Und schon wären wir in einer fruchtbaren Diskussion über Diskussionen.)

Versuch eines Gesprächs mit Feministin(nen)

Zitat aus »Emma«

»Frauen sind witzig – witziger als Männer. Daher hört man aus der Damentoilette immer Gelächter – wir machen uns drinnen vor Lachen in die Hose. Selten hört man Gelächter aus der Herrentoilette. Und das liegt nur zum Teil daran, dass sie dort keine separaten Kabäuschen haben. Steckt drei Frauen länger als drei Minuten zusammen, und schon haben sie – egal, ob sie sich vorher kannten oder nicht – hochwichtige Details ihres Innenlebens ausgetauscht und angefangen zu lachen.«

Darauf mein Kommentar:

Frauen sind nicht nur witziger als Männer, Frauen sind einfach die besseren Menschen.

Darauf V.:

Also dass Frauen die besseren Menschen sind, finde ich nicht.
Feminismus betrifft Männer u. Frauen. Sie sollten lernen voneinander.
LG V.

Mein Kommentar:

Leider, liebe V., tun sich die meisten mit dem Lernen sehr schwer. Manche verstehen sogar ironische Bemerkungen nicht und bezeichnen nachvollziehbare Kritik als Haßtiraden.

Behauptung: »Frauen sind witzig – witziger als Männer. Daher hört man aus der Damentoilette immer Gelächter …«

Gegenrede: Merkwürdigerweise habe ich, wenn ich an einer Damentoilette vorbeigegangen bin, was in meinem Leben schon häufig vorgekommen ist, nur hin und wieder Gelächter gehört. Aber da wird schon manchmal gelacht, sagt meine Freundin. Meist jedoch, das bestätigt meine Tochter, über andere Frauen. Von »immer« kann natürlich auch keine Rede sein. Ebensowenig wie davon, daß Männer auf der Toilette nie lachen. Kommt aber tatsächlich selten vor. Der Grund ist einfach der: Männer halten sich selten länger als drei Minuten in einer Herrentoilette auf. Wenn doch, dann ist es ein Notfall, und in Notfällen hat man in der Regel nichts zu lachen. Außerdem weiß ja nun jeder, der darauf achtet, daß Männer im Gegensatz zu Frauen nur ungern mit anderen Männern zusammen die Toilette aufsuchen, es sei denn es handelt sich um schwule Männer.

Und weshalb sollen Frauen nun witziger sein als Männer? Mir fehlt für das »daher« oben ein plausibles Argument. Abgesehen davon glaube ich nicht, daß es eine Notwendigkeit für die obengenannte Behauptung gibt. Ist nicht jedes Männer sind … und jedes Frauen sind … einfach nur doof? Und dient es nicht ausschließlich dazu, Männer und Frauen auseinanderzudividieren?

Darauf V.:

Hallo L.!
Sorry, aber mit Deiner Gegenrede bist du bei mir an der falschen Adresse. Der Artikel ist von den EMMAs.
Hier kannst Du Ihnen antworten: E-Mail: redaktion@emma.de
Die Redaktion freut sich immer sehr über Rückmeldungen. 🙂
LG V.

Mein Kommentar:

Liebe V., das ist doch wohl nicht dein Ernst. Ich kenne das so, daß man nur dann ohne kritischen Kommentar zitiert, wenn man selbst dahintersteht. Machst du das anders? Stehst du selbst hinter diesem Hohoho-Kinderkram oder nicht? Sag doch mal was dazu: Was hältst du davon? Und was ist mit den ersten zwei Zeilen? Die beziehen sich nicht auf »Emma«.

Darauf U. T.:

Ach, Ironie war der erste Kommentar von Dir. Sowas.. von unwitzig… (Buh! Schnarch! XD )
Na, damit bestätigst Du aber zumindest den 1. Teil Deiner Behauptung zu 100%! XDDD

Mein Kommentar:

Tolle Argumente, U. Alle Achtung. Ganz hohes Niveau.

Darauf U.:

Vollkommen RICHTIG erkannt, L.: Absolut dumm und niveaulos war das.
Das war nämlich GANZ EXAKT DEIN Niveau, DEINE Art, die ich hier gespiegelt habe! 😉

Schmeckt Dir nicht!? Na, dann weißt Du jetzt ja, wie sich V. fühlen muß bei dem Quark, den Du hier selbst verzapfst.
Vielleicht läßt Du Dir das mal gründlich durch den Kopf gehen, bevor Du wieder die Finger an die Tastatur legst.

Darauf V.:

Danke @U. T.! 🙂

Und weiter V.:

Hallo L.!
Was die ersten zwei Zeilen von Dir betrifft die sich nicht auf den EMMA Artikel beziehen, machst du genau dort weiter wo du per Email [als Antwort auf eine E-Mail von mir, V. – Anmerkung von Lyriost] aufgehört hast: Mich grundlos persönlich anzugreifen u. deine Hass-Reden als harmlose Kritik darzustellen. Ich hatte dich klar u. deutlich gebeten mir keine weiteren Texte (Hass-Tiraden) zu schreiben. Nun willst du das scheinbar hier im Blog fortsetzen. Nein danke!

Wenn Du den EMMAs etwas zu ihren Artikeln oder zum Feminismus schreiben möchtest kannst du das jederzeit öffentlich auf Facebook tun. https://de-de.facebook.com/emma.magazin/

Ansonsten bitte ich dich hier in meinem Blog keine Kommentare mehr zu schreiben!
Jeder weitere Kommentar von Dir wird gelöscht werden.

MfG
V.

Mein Kommentar:

Wunderbar. Man ist nicht in der Lage, sich mit Argumenten sachlich auseinanderzusetzen, reitet aber auf hohem Roß durch die Welt und hält sich für etwas Besonderes. Und wenn einer mal Zweifel anmeldet, möchte man ihn am liebsten über den Haufen reiten. Aber: Wer sich dem Diskurs nicht stellt, hat unrecht.

»Sie sollten lernen voneinander», schreibst du. Aber du meinst damit tatsächlich, andere sollten von dir lernen. Wie kann man auch voneinander lernen, wenn man die Kommentare des anderen nicht hören will, sich damit nicht auseinandersetzen will und sie ignoriert oder gar löscht?

Du solltest bitte ehrlich sein und erklären: Es sind nur unkritische und zustimmende Kommentare erwünscht. Ist das nicht etwas armselig?

Bitte definiere doch mal das Wort Haß, das du jetzt schon wieder ins Gespräch wirfst. Wo siehst du bei mir Haß? Ich sehe nur Widerspruch. Machst du es dir nicht etwas zu leicht, wenn du jede von deiner eigenen abweichende Meinung in die Haß-Ecke schiebst? Selbst was U. hier schreibt, ist noch kein Haß, sondern nur Ausdruck von Unreife und Ressentiment. Bei mir gibt es so was wie Haß dagegen überhaupt nicht, und in meinem Alter wäre Unreife etwas absonderlich. Ressentiments habe ich ohnehin nur gegen Dummheit – unabhängig vom Geschlecht. Diese Abneigungen sind allerdings tief. Wie man leicht merken kann.

Viele Fragen, keine Antworten.

Bin gespannt, was weiter passieren wird.

Was wohl? Mein letzter Kommentar wurde selbstverständlich gelöscht. Und genauso mein Link zu diesem Eintrag hier. Missionare und Missionarinnen tun sich von jeher schwer mit kritischen Nachfragen und Einwänden. Fällt auf sie selbst zurück.

 

Anmerkung: Die im Diskurs erwähnte E-Mail von mir, die angeblich »Haß-Reden« und persönliche Angriffe enthielt, war eine Antwort auf eine Anfrage der Feministin V., deren Antwort ihr nicht gefallen hat. Was ich verstehe. Bei Bedarf kann ich diese gern hier einstellen oder daraus zitieren. Natürlich gab es darin weder »Haß-Reden« noch »persönliche Angriffe«. Allerdings auch nicht das Gegenteil. Ich habe nur ruhig und sachlich erklärt, weshalb ich den Wünschen der Bittstellerin nicht nachkommen kann und inwiefern sie selbst dafür verantwortlich ist, daß ich das nicht kann.