Superbia

Es gibt überall in den Internetforen diesen unangenehmen Menschentypus des selbstgewiß scheinenden Großwissenden, der auf einer mächtigen Palme sitzt und aus dieser höheren Warte das Weltgeschehen und seine Mitmenschen beURTEILt. Das ist legitim und unproblematisch. Solche Leute können durchaus nützlich sein bei der Meinungsbildung, denn manchmal regen ihre Bekundungen nicht nur sie selbst an, sondern zugleich die Hirntätigkeit der anderen.

Nun ist es aber leider so, daß die gleichen Großwisser, ich nenne sie mal empathiedefizitäre Intellektualanalphabeten, nichts lieber tun, als über andere, die ihrer Meinung nach mit weniger Weitblick und geringerem intellektuellem Leistungsvermögen gesegnet sind als sie, mit beißendem Spott, guten Ratschlägen und Schlimmerem herzufallen. Da ist dann schnell die Rede von Psychiater, Therapie und dergleichen. Natürlich sucht man sich besonders gern diejenigen aus, deren orthographische Kenntnisse zu wünschen übriglassen und die auffallend ungelenk beim Formulieren ihrer Botschaften sind – oder auch nur erscheinen.

Daß intellektuelle Überheblichkeit eine völkerrechtlich zu ächtende Waffe wäre, will ich allerdings nicht behaupten, ganz im Gegenteil: Sie ist ein probates Mittel, um anmaßende Dummköpfe zu maßregeln und sie auf den Teppich zu holen. Und anmaßende Dummköpfe fallen bekanntlich in Scharen wie Heuschrecken über die Foren im Internet her, was sich in letzter Zeit noch dadurch verstärkt, daß an vielen Stammtischen inzwischen das Rauchverbot durchgesetzt wird.

Wichtig für den, der mit Arroganz auf Äußerungen anderer reagiert, ist die Fähigkeit, die Diversibilität der Adressaten im Blick zu behalten und wirklich angemessen zu urteilen. Diese Fähigkeit vermisse ich bei vielen.

Mein Eindruck ist, daß so mancher, der sich und seinen Gehirnstoffwechsel für super hält, nichts Besseres zu tun hat, als sich an Kleinen zu vergreifen, und sei es auch nur jovial mit altväterlichen guten Ratschlägen. Und wenn die so Angesprochenen nicht gleich demütig das Haupt neigen, dann werden sie runtergeputzt. 

Was steckt hinter diesem Phänomen des kognitiven Hochmutes? Es ist vor allem die Unfähigkeit oder der mangelnde Wille, die eigenen kognitiven Fähigkeiten auf sich selbst zu verwenden, viel Unsicherheit bei der Reflexion des eigenen Selbstwertgefühls und mangelnde Einsicht in die eigene charakterliche Inferiorität.

Wer die eigenen Fehler nicht erkennt, sucht sie bei andern. Irgendwo müssen sie sein.

Vom Reiten

Immer wieder erheiternd, wenn jemand sich im Irgendwie und Irgendwas und in scheinbaren Widersprüchen bei anderen ergeht, die er selbst in der Enge seines eigenen Horizontes produziert hat, und seinem Gesprächspartner dann mitteilt, dieser habe ihn nicht verstanden. Oder ihm großzügig, wenn auch ironisch, zugesteht, er habe jetzt zumindest teilweise (»es scheint, als hättest du wirklich etwas verstanden«) kapiert, worum es geht. Oder ihm Begriffsstutzigkeit unterstellt: »Ich bin mir nicht sicher, ob du verstanden hast, was ich sagte.« Die Kindergärtnerin spricht mit Kleinkindern.

Aber Kindergärtnerinnen haben irgendwann mal Feierabend und sollten sich darauf einstellen, daß ihre Gesprächspartner nun andere sind.

Und wenn sie etwas mitteilen wollen, dann sollten sie es so präzise tun, daß auch noch andere als sie selbst verstehen können, was sie meinen. Denn wenn du nicht verstanden wirst, dann liegt das manchmal daran, daß du nicht sagst, was du meinst. Oder daran, daß andere eine andere Meinung zu dem von dir Gesagten haben als du. Und eine andere Meinung kann man nicht einfach dadurch wegwischen, daß man erklärt, der Gesprächspartner habe einen nicht verstanden. Oder nur zum Teil. Ein plausibles Gegenargument hat dann, wenn es dir nicht einleuchtet, ein Gegenargument verdient. Wer auf ein Gegenargument mit solchen Sprüchen reagiert, verhält sich respektlos und anmaßend. Früher nannte man solche Leute Herrenreiter.

Ich habe nichts dagegen, wenn Leute auf einem hohen Roß sitzen. Aber sie müssen reiten können.