Frau Künast oder Der Blick aus dem Turm

Jeder Tag ist ein geeigneter Tag für einen, wenigstens einen, Blick aus dem Elfenbeinturm. Also setzt der Elf ein Bein vor das andere und tritt vorsichtig ans mit Luzidol geputzte Fenster. So sauber die Scheiben auch sind, viel sieht er nicht, denn die Welt außerhalb des Turms bibbert im Rauch. Viel Rauch um nichts, denkt er, wendet sich ab, macht es sich an seinem Schreibtisch gemütlich, soweit man es sich an einem Schreibtisch gemütlich machen kann, und läßt seine Blicke über die endlosen virtuellen Klowände des Internets schweifen.

Frau Künast hat eine proportionale Besetzung öffentlicher Ämter mit Ausländern, sprich Migranten, gefordert. Das ist nichts weiter als eine Ausweitung des Proporzdenkens unserer Interessengruppenvertretungsgesellschaft (ist das nicht ein schönes Wort?) auf bisher nur unzulänglich vertretene Gruppen. Wer A sagt, muß auch B sagen. Wer zeugungsunwillige Papisten bei Schwangerschaftsfragen überproportional mitreden läßt und Kunstbanausen bei der Kulturförderung, der sollte auch für weitergehende Vorschläge offen sein.

Jeder sollte sich aufgerufen fühlen, in dem Bereich, in dem er arbeitet, darauf zu dringen, daß Minderheiten in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Das ist wahrhafte Demokratie. So frage ich: Ist nicht zum Beispiel bei den mit der Rechtschreibreform Befaßten der Anteil der Legastheniker zwar ungewöhnlich hoch, aber offizielle Vertreter der Blinden sind meines Wissens bisher nicht involviert. Auch die gar nicht so kleine Gruppe der Analphabeten wird, zumindest offiziell, ausgegrenzt.

Gestern sagte mir ein Bekannter, daß bei der Zeitschrift „Schöner Wohnen“ ein Obdachloser in den Redaktionsrat aufgenommen wurde. Vorbildlich.

2006

Jean-Remy von Matt oder Der Blick aus dem Turm

Der Montag ist ein geeigneter Tag für einen Blick aus dem Elfenbeinturm. Also setzt der Elf ein Bein vor das andere und tritt vorsichtig ans mit Luzidol geputzte Fenster. So sauber die Scheiben auch sind, viel sieht er nicht, denn die Welt außerhalb des Turms bibbert im Rauch. Viel Rauch um nichts, denkt er, wendet sich ab, macht es sich an seinem Schreibtisch gemütlich, soweit man es sich an einem Schreibtisch gemütlich machen kann, und läßt seine Blicke über die endlosen virtuellen Klowände des Internets schweifen.

Und bevor er dann matt wird vom vielen Rauch um von Matt, dem virtuellen Rauch um den Tanz des Schweizer (möchte gern) Werbediktators Jean-Remy, denkt er: Viel Rauch um nichts, wendet sich ab, wirft den Schweizer Käse in die Toilette, spült und geht seiner elfenbeinernen Wege.

Morgen ist wieder ein Tag zum Rauchen auf dem Klo. Und zum Wändebeschmieren. Aber das ist ja fast dasselbe.