»Das Kachelmanöver« einer Jüttenrednerin

Daß jemand einer Leidenschaft, einem Laster oder auch nur einem Hobby »frönt« und dabei manchmal aus der Sicht Außenstehender ein wenig übertreibt, wer hätte das nicht schon mal erlebt? Aber einer »erklärten Mission frönen«? Nun, die Zuschreibung des Frönens findet sich meist dort, wo man Leidenschaft von vornherein argwöhnisch beäugt. So argwöhnisch wie die eine Frau die andere: »tief dekolletiert«, die »dichten dunklen Locken … drapiert«. Kann man das noch als Neid auf die wohl Attraktivere entschuldigen, so bleiben die teils abwertenden, teils beleidigenden Beschreibungen von möglicherweise mühsam aus der Realität abgeleiteten Äußerlichkeiten: »Erdkundelehrer-Brille und Stoppelbart«, der Verleger »mit Segelohren und Intellektuellenbrille« ebenso unverständlich wie die aus der Phantasie der Frau Jüttner entsprungenen »identischen, atmungsaktiven Funktionsjacken«. Woher sie die holt, kann wohl nur ein fähiger Psychotherapeut mit Schwerpunkt Traumdeutung herausfinden. Und daß die Kachelmanns »aufs Podium stolpern«, ist das, wie das meiste übrige, nicht vor allem bitterer Ausdruck eines tiefempfundenen Ressentiments, dessen man sich nicht schämen zu müssen glaubt? Ganz schlechter Journalismus.

PS: Nach späterer Ansicht von Fotos muß das „tief dekolletiert“ als glatte Lüge bezeichnet werden. Man kann eher von nicht extrem halsnah sprechen.

SPIEGEL ONLINE

2012