»Resilienzfähigkeit«

In der Sendung Philosophie spezial bei WDR 5 ging es um das Thema Utopie. Genauer um die Einhaltung von Regeln und deren Auslegung. Stefan Selke, Soziologe, erzählte von seinem Aufenthalt in einem benediktinischen Kloster und daß es ihn gewundert habe, wie großzügig, »elastisch« man mit den dort geltenden Regeln umgegangen sei. Die Strenge habe sich in Grenzen gehalten. Darauf meinte der Moderator Jürgen Wiebicke sehr treffend, es gehe ums Verzeihen.

Der Begriff sagte Stefan Selke offensichtlich nicht zu, denn er meinte, heute würde man das vielleicht besser »Resilienzfähigkeit« nennen. Darauf folgte ein längerer emphatischer Monolog, den ich nur noch akustisch wahrgenommen habe, weil ich mich über den Begriff »Resilienzfähigkeit« nachzudenken gezwungen sah. Kurz darauf war die Sendung zu Ende.

Nun ist es so, daß in jedem zweiten Statement, das in die Welt posaunt wird, seit etwa zwei, drei Jahren dieses Intellektualität vortäuschen sollende und aus dem Psychologenjargon stammende Modewort »Resilienz« an prominenter, häufig auch unpassender Stelle in den Raum geworfen wird. Als reiche es nicht aus, von Widerstandsfähigkeit oder Widerständigkeit zu sprechen, wenn es darum geht, die Zumutungen des Lebens und anderer Menschen und Systeme an sich abprallen (lat. resilīre) zu lassen.

Es mag normal und verzeihlich (!) sein, wenn Soziologen oder Psychologen von Resilienz sprechen, aber mittlerweile ist der Gebrauch des Wortes so inflationär bis in die unterste Ebene der Kommunalpolitik vorgedrungen, daß Menschen wie Herr Selke aus Distinktionsgründen nun zu unbedachten Begriffserweiterungen wie oben gezwungen zu sein scheinen. Dabei hat er leider nicht bedacht, daß dem Begriff »Resilienz« (psychische Widerstandsfähigkeit) der Begriff »Fähigkeit« inhärent ist, es also nicht möglich ist, der Resilienz einen neuen Untermieter zu verschaffen, denn die Fähigkeit ist bereits Hauptmieter im Haus der Resilienz.

Erschwerend kommt hinzu, das verzeihen etwas gänzlich anderes ist als standhalten. Verzeihen hat etwas mit Toleranz zu tun, mit dem nachträglichen Akzeptieren von etwas, das uns nicht gefallen hat. Resilienz dagegen ist reine Abwehr von und Standhalten gegenüber Nichtverträglichem. Toleranz ist dabei nicht vonnöten.

WDR 5

2 Antworten auf „»Resilienzfähigkeit«

  1. Hat die systemische Implementation des Begriffes Resilienz irgend etwas Nachhaltigiges? Oder sind die Synergieeffekte dieses Begriffsdonnerwetters so, dass man einfach nur noch mit faulen Eiern werfen möchte?

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