Es gibt Menschen, die tatsächlich zu glauben scheinen, es stärke die eigene – nicht begründete, nicht argumentativ erklärte – Meinung, wenn sie die – begründete, also mit Argumenten hervorgebrachte – Meinung anderer unterdrücken und/oder als Blödsinn, Schwachsinn et cetera abtun. Tatsächlich ist das nur ein Zeichen von Unsicherheit und Meinungsschwäche. Oft wachsen daraus als nächste farblose Blüten Beleidigungen und manchmal sogar Drohungen.
Wer meint, Emotionen seien so gut wie sachliche Erklärungen, dem sei gesagt, daß Emotionen kein ausreichender Ersatz für sachliche Begründungen sind, denn: Emotionen sind (auch im Gegensatz zu Beleidigungen und Drohungen) etwas Subjektives, das heißt weder objektiv nachweisbar noch juristisch relevant. Das gilt auch für Menschen, die von sich glauben, ihre emotionale Intelligenz sei ausgeprägter als die von anderen.
Nüchtern und sachlich zu argumentieren ist kein Zeichen von emotionaler Inkompetenz, rein emotional zu agieren dagegen kann ein Zeichen von Unreife sein.
Der Trick, der zur Zeit in den Vereinigten Staaten im Zuge der „critical race theory“ oder der Diskussion über „trans“-Rechte praktiziert wird, geht höchst einfach. Jede abweichende Meinung wird zum feindseligen Akt erklärt. Alle menschliche Rede ist Machtausübung, wird versichert, und alles Sprechen besteht also aus „speech-acts“, aus Sprechakten. Wenn diese Akte gegnerisch sind, sind sie feinselige Handlungen, durchaus gleichzusetzen mit dem Schwingen einer Keule. Es gibt also die Richtigen, die das alleinige Recht auf freie Meinungsäußerung haben, und die Feinde, deren Sprechen aus feindseligen Akten bestehen. Die feindseligen Akte haben als Letztziel immer, den Richtigen das Lebensrecht zu bestreiten, denn sie bestreiten ja ihre Richtigkeit.
Dass hier die Grundlagen zivilisierter Kommunikation ausgehebelt sind, versteht sich von selbst. Die Berufung auf Regeln zivilisierter Kommunikation wird dann selbst wieder als feindseliger Sprechakt gedeutet, der dem Redenden, zum Beispiel dem Parteiergreifer für die „unterdrückten Schwarzen“, das Lebensrecht bestreitet, nicht mehr und nicht weniger. Die solcherart Erregten fordern dann für sich „safe spaces“ ein, zum Beispiel an der Universität, wo sie unter sich sein können und vor der Konfrontation mit „hate speech“ sicher sind. Alle abweichende Meinung ist „hate speech“.
Mittlerweile sind ganze Generationen in solchen Überzeugungen aufgewachsen. In allen Schulzimmern stehen Lehrkräfte, die solche Denke unterstützen. Während der Covid-Hysterie haben wir gesehen, wie selbstverständlich jede abweichende Meinung als Meinung der Verrückten, der Bösartigen, der Verschwörungstheoretiker marginalisiert wurde. Abweichende Meinung sei undemokratisch, denn die Mehrheit habe ja nun mal anders entschieden. Der klassischen Demokratietheorie zufolge ist es gerade Aufgabe der freien Gesellschaft, die Minderheiten vor der Tyrannei der Mehrheit zu schützen. Nach der neuen Meinung gilt es, die Richtigen vor aller Konfrontation mit falscher Meinung zu schützen. Alle falsche Meinung ist „fake news“, und als solche „hate speech“. Die öffentlichen Diskussionsforen sind aufgerufen, die Verbreiter von „fake news“ und „hate speech“ abzuschalten.
So liegen die Dinge, für den Augenblick mal. Der Charakter all dieser Techniken als Marxoide ist offensichtlich. Wir sollten uns hier keinen Illusionen hingeben. Wir stehen hier, wie bei allen Vertretern der „political correctness“, Feinden der freien Gesellschaft gegenüber, Feinden der freien Rede, Feinden der Freiheit. Das waren Marxisten immer. Sie scheinen um keinen Preis bereit zu sein aufzugeben.
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Die Searlsche Sprechakttheorie war eine linguistische Mode, die bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts wirksam war, und wird natürlich wie alle Theorien nicht dadurch falsifiziert, daß man sie mißbraucht. Die Critical Race Theory mag neomarxistische Splitter enthalten, ist jedoch geistesgeschichtlich auf einem ganz anderen Humus gewachsen, vor allem Poststrukturalismus und Feminismus, und steht in manchen Teilen sogar im Gegensatz zum Marxismus, weil sie der Sicht auf eine Rassengesellschaft den Vorzug gibt vor einer Interpretation der Gesellschaft als Klassengesellschaft. Ohnehin gibt es viele verschiedene Ansätze dieser Theorie, die sich nicht selten sogar widersprechen. Richtig ist jedoch zweifellos die Diagnose der amerikanischen Gesellschaft als einer strukturell rassistischen.
Im übrigen interessiert mich diese Theorie nicht sonderlich, weil die ideologischen Moden der amerikanischen Gesellschaft mir, vulgär ausgedrückt, am Arsch vorbeigehen.
Die „Feinde der freien Gesellschaft“ sind all jene, die totalitäre Ideologien oder religiöse Vorstellungen eingeatmet haben und meinen, alle müßten sich ihrer Sicht anschließen oder schweigen, aber auch diejenigen, die meinen, jede Meinung sei gleich viel wert, ganz unabhängig vom nachprüfbaren Realitätsgehalt.
Unabhängig von derlei theoretischen Überlegungen, ging es mir bei meinem Beitrag um die ganz simple Tatsache, daß so mancher trotz auftrumpfender eigener argumentfreier Meinungsstärke in der persönlichen Kommunikation nicht bereit ist, sich mit der Meinung anderer auseinanderzusetzen, und diese nicht nur mit einem Wort wie Blödsinn abzuqualifizieren, sondern darüber hinaus zu vertuschen, so daß niemand sich davon überzeugen kann, ob es sich tatsächlich um Blödsinn handeln könnte.
Das ist also erst mal mehr eine Stilfrage als eine ideologische.
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