»Lawrow poltert« in beinahe allen Medien in den Überschriften, und ich wundere mich darüber, daß es im dazugehörigen Text eher ruhig und sachlich zugeht. Über die Einheitlichkeit bei der Benutzung von Verben und Adjektiven (von den Nomen ganz zu schweigen), wenn es um den Ukraine-Krieg geht, wundere ich mich allerdings schon lange nicht mehr. Abgesehen davon, daß vieles ganz offensichtlich aus der propagandistischen Wortwahl des ukrainischen Botschafters entlehnt ist, zeigt das natürlich, wie weit der unbeugsame Wille zur Einseitigkeit gediehen ist und wie Mitläufertum bis in die Sprache hinein funktioniert.
Wohl wahr. Aber da wird nur der Instrumentenkoffer benutzt, der seit jeher zur beliebigen Verwendung bereitliegt. Manipulation und Diffamierung sind nur andere Worte für das, was sich selber „kritischer Journalismus“ nennt, oder gern auch „Qualitätsjournalismus“. Da Sie entschlossen sind, auch der russischen Perspektive auf den Krieg in der Ukraine Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, haben Sie alles Recht, auf die Einseitigkeit der Berichterstattung hinzuweisen. Aber solche Einseitigkeit ist das Erwartbare in einer Medienwelt, da sich die Journalisten längst als politische Aktivisten begreifen, und zwar Aktivisten für eine Sache, die sie selber als die „gute“ wissen. Wir sind die Guten, ist die Botschaft, und all die Schlechten gilt es dann natürlich in ihrer Schlechtigkeit zu enthüllen. Die Äußerung einer abweichenden Meinung ist demnach keine Meinungsäußerung mehr, sondern die Wuthandlung eines Schlägers. In der Konsequenz ist jede Meinungsäußerung der Gegenseite etwas, was unterbunden werden muss. Der Instrumentenkoffer liegt bereit, und die Instrumente sind einsatzfähig gegen jeden. Wirklich gegen jeden, wie die Umstände es ergeben. Gegen jeden, wirklich jeden, kann ein Kompromat gefunden werden, mit dem Ziel, ein Eskalat herbeizuführen. Diffamierung ist niemals eine Frage der Durchführbarkeit, sondern immer eine des moralischen Entschlusses. Oder anders gesagt: wer diffamiert, ist moralisch ein Stück Dreck, selbst wenn er da und dort in der Sache recht hat.
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Danke für den zutreffenden, verständnisvollen Kommentar, aber eines stimmt nicht: Keinesfalls will ich „der russischen Perspektive auf den Krieg in der Ukraine Gerechtigkeit widerfahren“ lassen. Vielmehr möchte ich der einseitigen, von ukrainischer und US-amerikanischer Propaganda geprägten, geschichtsvergessenen, naiven und teilweise bösartigen Berichterstattung in vielen deutschen Medien meine eigene Sicht gegenüberstellen, die meine mit der Zeit gebildete Meinung widerspiegelt, so vorurteilslos wie möglich. Im Gegensatz zum Botschafter Melnyk, für den nach eigener Aussage alle russischen Menschen Feinde sind, habe ich keine Feinde, genauer gesagt, bin ich niemandem feind, auch nicht jenen, die einen russischen Paß besitzen, was natürlich nicht verhindern kann, daß mich rassistische Scharfmacher als Feind betrachten.
Nicht erst seit gestern gestatte ich mir, davon abzusehen, unausgegorene Meinungen und interessengeleitete Vorurteile anderer zu meinen eigenen zu machen. Ich erlaube mir das, was der Berliner „Tagesspiegel“ früher mal als Leitsatz seines Tuns unter den Zeitungsnamen gesetzt hat, was im Laufe der Jahre jedoch immer weniger beherzigt zu werden scheint: „rerum cognoscere causas“, also den Dingen auf den Grund zu gehen.
Spätestens als ich nach beinahe 4000 Kommentaren bei ZEIT online erfahren mußte, daß mein sanft kritischer Kommentar zum Wirken des Herrn Melnyk, als ich ironisch bemerkte, es sei nur eine Frage der Zeit, bis deutsche Politiker in die ukrainische Botschaft einbestellt würden, mit dem Hinweis gecancelt wurde: „Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen“, kam mir der Gedanke: Hier stimmt was nicht.
Aber vielleicht stimmt etwas bei mir nicht, wenn ich diesen Botschafter als unerträglich fordernd und extrem vorlaut betrachte, dazu noch als Beleidiger von hohen Graden.
Kurz und gut, ich schau mich um und versuche mir ein Bild zu machen und dann zu sagen, was ich denke. Und ich hoffe, daß vielleicht mal einer begreift, daß es erst Frieden geben kann, wenn man aufhört, alles für den Sieg zu tun. Mir scheint jedoch, es geht vor allem um die Niederlage Rußlands (und das seit vielen Jahren), und da ist wohl jedes Mittel recht.
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