Unzufriedenheit

Im Radio sagte einer: »Gott sei Dank gibt es genug Veranstalter von Liederabenden, aber es sind viel zu wenige.« Wer genau hinhört, der erkennt, warum das Feuer, an dem wir alle sitzen, uns nicht so recht wärmt. Man muß nicht dumm sein, um zu frieren, es reicht bereits der Mangel an Klugheit.

10 Antworten auf „Unzufriedenheit

  1. Man weiß gar nicht, wo man da anfangen soll. Abgesehen von der neuen Auffassung, „genug“ bedeute „noch viel zu wenig“, was man ja erst mal gesagt bekommen muss, um es zu wissen, abgesehen davon also fällt auf, dass der Mann mit „Liederabende“ ganz bestimmt nicht Popkonzerte meint, wiewohl das ja zweifellos auch Liederabende sind. Vielmehr ist gedacht an Abende, gefüllt mit Liedern zu Klavierbegleitung, geschrieben von Kerlen, die garantiert seit mindestens hundert Jahren tot sind. Also genau das, was die Welt braucht. Und der Veranstalter, die solche Abende organisieren, sind „noch“ viel zu wenige. Da höre ich eine Aufforderung. Derer müssen „noch“ viel mehr werden! Die Bewegung geht also aufwärts. Und was dann? Dann wird aus der sympathischen Kultnische eine open-air-Kathedrale werden, Bekehrungsräusche werden ergreifen die Massen, pfingstliche Erweckungen werden stattfinden, Blinde werden sehend, Lahme gehend werden, der Morgen der Welt ist nahe. Oder so. Immerhin: über welchen Klassiksender auch immer das in den Äther gegangen ist, die tröstliche Botschaft bleibt, Dummheit ist kein Hindernis, irgendwo findet sich ein Plätzchen für jeden.

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  2. Einfach nur der messianische Eifer des Bildungsbürgertums, verbunden mit wohlverstandenem Geschäftsinteresse von Veranstaltern.

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  3. Wohl wahr. Ich freue mich ja auch über die Pflege nicht ganz so breitenkompatibler Kultur. Aber ich kann den Gedanken nie loswerden, dass die Leute, die lieber Taylor Swift hören, doppelt zahlen: Nämlich mit ihrem Baren für die CDs ihres Stars, da gibts keine öffentlichen Zuschüsse, und dann mit ihren Steuergeldern für die Liederabende, die sie nie besuchen würden.Den Besuchern von Liederabenden sei ihr Spaß gegönnt, viel werden sie im Leben sowieso nicht mehr haben, Durchschnittsalter 84 Jahre, denk ich mal, aber sie sollten in ihr Nachtgebet den Dank an den größten Kunstmäzen einschließen, den die Welt je gesehen hat: den anonymen Steuerzahler.

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  4. Nicht zu vergessen: die Beitragszahler der öffentlich-rechtlichen Medienveranstalter. Dabei bin ich wirklich dankbar, daß der Zwangsbeitrag dieser Menschen auch Arte und 3sat mitfinanziert. Und nicht nur Lanz und Kunz.

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  5. Ich fürchte nur, die Macher von Arte & Co fühlen sich über die ganz gewöhnlichen Beitragszahler sehr erhaben. Sie finden, ihnen steht die Alimentierung zu. Sie sind richtig, wichtig und überlegen. Die Beitragszahler, das sind die Doofen, die belehrt werden müssen, wenn sie in ihrer populistischen Verfallenheit denn dazu überhaupt noch in der Lage sind. Die, sagen wir mal höflich, bescheidenen Zuschauerzahlen von Arte werden dann damit erklärt, wir sind halt was Besonderes, unsere Sendungen sind nicht für jeden. Stimmt sogar, eure Sendungen sind nicht für jeden, werden aber von jedem finanziert. Ihr seid die Ausgehaltenen, die die Mehrheit gutmütig aushält, solange eben noch das Geld da ist. So wie früher am Königshofe der Hofnarr ausgehalten wurde. Der mit der Narrenklapper.

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  6. Da ich weder Psychologe noch Hobbypsychiater oder Hellseher bin, kann ich über die Gefühle der Macher von Arte nichts sagen, glaube aber nicht an deren Verachtung von gewöhnlichen Beitragszahlern oder Erhabenheitsgefühle.

    Ich schaue nur sehr wenig fern, doch die Programme von Arte und 3sat und einiger Dritter sprechen mich im ganzen deutlich mehr an als der Rest. Im vorletzten Jahr habe ich eine Zeitlang wegen eines gebrochenen Fußes im Liegen verbracht und mehr ferngesehen als gewöhnlich. Ich muß sagen, daß es doch deutliche Qualitätsunterschiede gibt. Hofnarren habe ich eher anderswo gesehen als bei Arte und 3sat.

    Vor kurzem lief auf Arte kurzfristig ein Stones-Konzert, weil der Schlagzeuger die Sticks weggelegt hatte, und ich erinnere mich an einige phantastische Dokumentationen über China und polnische Wälder und die Karpaten auf Arte und bei 3sat. Mich interessiert so etwas. Es wäre schrecklich, wenn ich mich nur mit Sendungen beschäftigen dürfte, die dem Mehrheitsgeschmack entsprechen. Bunte Abende mit den Amigos oder die ewige Talkerei. Ganz zu schweigen von den Reklamesendern. Die Zuschauerzahlen sprechen nicht gegen Arte und Co., sondern eher gegen die Gewohnheiten und die Anspruchslosigkeit mancher Nutzer.

    Die These von der gutmütigen Mehrheit halte ich für sehr gewagt. Gewagter noch als eine denkbare These eine gutmütige Minderheit betreffend, die mit ihren Steuern und Gebühren eine Menge dummes Zeug mitfinanziert. In beiden Fällen tippe ich eher auf Stirnrunzeln und Zähneknirschen. 😉

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  7. Schwer, dazu etwas zu sagen, weil es ja das Gesagte bestätigt. Die Arte-Macher und wir, die einfühlsamen Arte-Zuschauer, die phantastische China-Dokumentationen zu würdigen wissen, wir sind die Gepflegten Sauberen Gewaschenen. Die anderen, die Mehrheit, das sind die Ungewaschenen mit ihrer Anspruchslosigkeit. Wir wohlriechend Gewaschenen haben einen Anspruch darauf, von den Ungewaschenen finanziert zu werden, weil wir eben die sind, die sich gewaschen haben.

    Mal so gefragt, und das ist jetzt wirklich keine rhetorische Frage: War Arte, der Sender für die Gewaschenen, in den verwichenen zwei Jahren der Sender, der aufgefallen ist durch schonungslose Reportagen über die Folgen der Covid-Maßnahmen? Folgen für die Ungewaschenen, eingesperrt in ihren 40-qm-Wohnungen, indes die Gewaschenen ihre Grillfeste im eigenen Garten feiern? Ist berichtet worden, täglich, über die Zunahme von Depressionen Säuferlebern Raucherbeinen? Ist täglich bohrend nachgefragt worden, wie es um die Covid-Statistiken wirklich steht? ist die Angemessenheit der Maßnahmen ohne Unterlass befragt worden? Ist dissidenten Stimmen Raum gegeben worden? ist den Parlamenten ihre Kernaufgabe vorgehalten worden, die Regierungen zu kontrollieren, statt deren Maßnahmen-Wünsche bedingungslos durchzunicken? Ist die Unbequemlichkeit der kritischen Berichterstattung von Arte so unerträglich geworden, dass führende Politiker die Einstellung des Senders gefordert haben?

    Hab ich alles nicht mitbekommen. Könnte ja sein, dass ich da was übersehen habe. Es wäre im brennenden Interesse der Ungewaschenen gewesen, dass es wenigstens einen kritischen Sender gegeben hätte, der solcherart aufgefallen wäre. Der über den Klassenkampf von oben geredet hätte, der da im Namen der Epidemie-Bekämpfung praktiziert wurde, bis hin zu der Forderung, die Lebensmittel müssten deutlich teurer werden. Hat Arte so im wohlverstandenen Interesse der Ungewaschenen geredet, die diesen Sender ja finanzieren, ohne ihn je einzuschalten, weil sie, wie ich jetzt gelernt habe, einen so schlechten Geschmack haben und jedenfalls das Gegenteil von gutmütig sind, wohingegen der auserlesene Arte-Zuschauer weiß, er hat den guten Geschmack, oder jedenfalls den besseren?

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  8. Dazu gäbe es nun wieder viel zu sagen. Von Einfühlsamkeit habe ich ja nicht gesprochen – und auch nicht von Ungewaschenen. Das ist mir alles ein wenig zu dichotomisch: Auf der einen Seite die Menschen in verstunkenen Kleinwohnungen beim Nasebohren und auf der anderen gestylte Anzugträger im Park hinter dem Haus mit einem Glas Sekt in der Hand. Schwarz und weiß. Graustufen keine. Und keinerlei Bewegung dazwischen. Gesellschaft als statisches Gebäude. Zementideologie. Das ist nicht die Realität.

    Meine erste eigene Bleibe hatte acht Quadratmeter. Aber ich war frei, frei von Bevormundung. Die 70 Mark Miete beim Hausbesitzer mußte ich abarbeiten, weil ich kein Geld hatte und nichts wußte von Sozialämtern etcetera. Vierzig Quadratmeter wären toll gewesen. Später habe ich mich dann da rausgearbeitet.

    Ja, richtig, mir haben die Corona-Maßnahmen wenig ausgemacht, aber als Älterem, erst mal Ungeimpftem, haben sie mir vielleicht das Leben gerettet. Ich war in vieler Hinsicht privilegiert: Arbeit zu Hause, keine schulpflichtigen Kinder, Garten. Doch altersbedingt gefährdeter als andere. Mein neuer Arzt jedenfalls, sportlicher Typ, viel jünger als ich, ist tot. Durch das Virus gestorben, nicht durch die Impfung.

    Mir scheint bei Ihnen ein Mißverständnis in bezug auf Medien vorzuliegen. Kein Fernsehsender ist verpflichtet, eins zu eins meine spezifischen Interessen abzubilden und zu verfolgen und meine oder Ihre erarbeiteten oder auch nur angenommenen Meinungen zum Beispiel vom „Klassenkampf von oben durch Corona-Maßnahmen“ zu vertreten. Das muß ich, müssen Sie schon selbst tun. Mache ich gerade.

    „Ist die Unbequemlichkeit der kritischen Berichterstattung von Arte so unerträglich geworden, dass führende Politiker die Einstellung des Senders gefordert haben?“

    In westlichen Demokratien (außer früher in Bayern) ist es nicht üblich, daß Politiker die Einstellung von Fernsehsendern fordern, außer zu Recht, wenn es sich um russische Propagandasender ohne Lizenz handelt.

    Zu Arte und Covid ein Hinweis hier: https://www.google.com/search?q=arte+corona&oq=arte+corona&aqs=chrome..69i57j0i512l7.7232j0j9&sourceid=chrome&ie=UTF-8
    Im Gegensatz zu manch anderen Programmen wurde das Thema auf Arte von allen Seiten ausgeleuchtet. Was bei Verschwörungsmythologen auf YouTube eher nicht der Fall war und ist.

    Haben Sie wohl „alles nicht mitbekommen“. 😉

    Was hat Pandemiebekämpfung, nicht Epidemiebekämpfung, mit Agrarpolitik und Streben nach Tierwohl zu tun? Außerdem hat niemand gefordert, „Lebensmittel müßten deutlich teurer werden“, sondern es gibt eine, wie ich finde sinnvolle, Anregung, mal etwas mehr über Produktionsbedingungen speziell bei Fleischerzeugnissen nachzudenken. Ich selbst tue das schon länger, weshalb mein Fleischkonsum bei einem Bruchteil des durchschnittlichen liegt. Finde ich gut, ohne anderen Vorschriften machen zu wollen. Ich verhalte mich, so gut es geht, entsprechend meinen Werten.

    Die Ungewaschenen sind glücklicherweise selten geworden in unserer Gesellschaft und müssen sich mit einem Dasein als Metapher begnügen, aber es gibt wie in jeder Gesellschaft Unterschiede. Viele beklagen das, aber ich finde das, vor allem in kultureller Hinsicht, gut. In meiner Kindheit und meiner Jugend gab es diese Unterschiede kaum: Alles ein Brei und fast überall die gleiche Abrichtung, der gleiche Geschmack, Anpassung, genannt Erziehung.

    Wenn ich jetzt noch berichten sollte, was ich alles mitfinanziere, ohne es zu wollen und es zu nutzen, würde das den Rahmen sprengen. Also, was soll’s.

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  9. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, so explizit Ihre Auffassung darzustellen. Ist jetzt vielleicht ein bisschen unhöflich von mir, wenn ich nicht darauf eingehe, aber irgendwie denke ich, die Positionen sind klar, und ausdiskutieren können wir das hier sowieso nicht. Streitbarkeit und Vielfalt sind ein Wert an sich, und deshalb schlage ich vor, wir gehen einfach weiter.

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