Wollte man großzügig und milde sein, dann käme man zu dem Schluß, die Worte des großen Thomas Bernhard seien so bezwingend, daß sie die Sprache eines jeden okkupierten, der sich beschreibend seinem Werk nähert. Doch wenn man, ganz im bernhardschen Sinne, weniger naiv und rücksichtsvoll ist, dann fällt auf, es ist wie eine Seuche: So ziemlich jeder, der über Bernhard schreibt, beginnt nach kurzer Zeit, sich mit einer dezenten Imitation des repetetiven Duktus anzubiedern, den wir von dem verhinderten Nebenerwerbslandwirt aus Oberösterreich kennen. Und überall kullern die »naturgemäß« aus den Sprachschablonen, daß es nur so kracht. Und selbst dort, wo es augenzwinkernd geschieht, bleibt ein fader Geschmack nach kumpelhaftem Getue und eitler Selbsterhöhung. Gräßlich.
Ich habe hier ein „like“ gesetzt, weil ich mir denke, die Worte „Thomas Bernhard“ sind ein Platzhalter, so wie das xy in der Algebra-Aufgabe. Der Aphorismus „Anbiederungsseuche“ würde demnach beschreiben, was mit unselbständigen Jüngern eines Meisters geschieht, wenn sie keine innere Distanz zu halten verstehen. Dies gesagt, komme ich ins Nachdenken. Man hat ja neuerdings „Klimaleugner“, und auch von „Covid-Leugnern“ hört man. Wäre so etwas wie ein „Thomas Bernhard-Leugner“ denkbar, und wenn ja, bin ich womöglich einer? Ich nehme diese gruselige Vorstellung mit ins Bett, in der Hoffnung, dass ich nicht in der Tiefe der Nacht aufwache, und der Meister sitzt am Fußende und bleckt mir grinsend die Zähne entgegen, und ich kann nicht aufwachen, weil ich ja schon wach bin!
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