Jemand wünschte sich, sein Gegenüber möge gleichermaßen sensibel und unbekümmert in die Welt schauen. Gibt es so jemanden? frage ich mich.
Ein sensibler Mensch ist gemeinhin einer mit einem hochempfindlichen Sensorium, feinfühlig und demgemäß leicht erregbar, ein Mensch mit langen Antennen, wo andere nur grobe, halb sedierte Fühlwarzen haben. Solch ein Mensch wird besonders feinnervig sein und schon deshalb häufig verletzt oder mindestens verstimmt. Diese Wahrnehmungserfahrung, so darf man annehmen, wird im Laufe der Jahre aus ihm einen eher vorsichtigen Zeitgenossen gemacht haben, der ganz gewiß nicht mehr unbekümmert und so ohne weiteres auf Menschen und Dinge zugehen kann, haben diese ihm doch in der Vergangenheit gerade wegen seiner ausgeprägten Sensibilität so manche leidvolle Erfahrung verschafft.
Extravaganz mit Sensibilität gleichsetzend und Schlichtheit mit unbekümmertem Wesen, so könnte man einwenden, dieses beide sei jedoch durchaus kompatibel.
Mit Schlichtheit und Extravaganz aber ist es ganz anders, weil bei diesem Begriffspaar, das nicht für eine gefühlsbedingte Verhaltensweise steht, eine Haltung charakterisiert wird, die in hohem Maße von der Umgebung abhängig ist und sich häufig als deren Kontrapunkt versteht, so daß in einer extravaganten Gesellschaft Schlichtheit zur Extravaganz wird, während die Extravaganz in ihrer Einfallslosigkeit und mangelnden distinktiven Qualität schon wieder – zumindest ironisch – als eine Art Schlichtheit bezeichnet werden kann.
sensibilität heißt nicht unbedingt überempfindlichkeit. das ist ein großes missverständnis. sensibilität nach außen ist nichts anderes als empathie. man kann sensibel sein und trotzdem eine menge aushalten. das umgangssprachliche sensibelchen bezeichnet menschen, denen es an selbstvertrauen bzw. psycischer stabilität mangelt…
kann ein sensibler/empathischer mensch unbekümmert in die welt schauen? warum nicht? da kommt es doch ganz stark auf den kontext an. sicher wird ein sensibler mensch nicht unbekümmert in hinsicht auf kriege, hunger und ungerechtigkeiten auf der welt schauen. aber es gibt sicher bereiche, wo sich auch der sensible als ausgleich eine unbekümmertheit leistet, je nachdem, was für ein menschenbild er hat, oder welchen religiösen, spirituellen, geistigen ansätzen er zugeneigt ist.
desweiteren kann man natürlich nicht einfach extravaganz, schlichtheit auch immer nur in bezug auf eine persönlichkeit (eines charakters) einen platz zuweisen. unmöglich ist eine pauschalisierung. ein sensibler mensch kann schlicht aber auch extravagant erscheinen. dasselbe gilt für grobschlächtige menschen. wenn überhaupt, kann man in seiner umgebung tendenzen beobachten… dass z.b. sensible menschen vielleicht eher schlicht auftreten. aber das ist zumeist eine oberflächliche betrachtung.
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Vielen Dank für deinen differenzierten Kommentar. Ich glaube jedoch, du hast mich ein wenig mißverstanden. Von „Überempfindlichkeit“ sprach ich nicht. Auch nicht von „Sensibelchen“. Auch ein sensibler Mensch kann bei gutem Wetter schon mal unbekümmert aus dem Haus gehen, ohne an einen eventuellen Unfalltod zu denken, oder eine Pizza essen, ohne Angst zu haben, er werde vergiftet. Wie die meisten Menschen bringt auch der sensible Mensch nicht selten ein hohes Maß an Widerständigkeit auf, was die Plapperer heute modisch „Resilienz“ nennen.
Die Gleichsetzung von sensibel und empathisch finde ich nicht richtig, weil ein sensibler Mensch durchaus an etwas leiden kann, ohne sich klarzumachen, daß das, was ihn leiden läßt, auch andere Menschen als ihn selbst zum Heulen oder gar zur Verzweiflung bringen kann. Stichwort Solipsismus oder, etwas profaner, empathielose Sensibilität als Ursache von Selbstmitleid. Wie umgekehrt auch wenig sensible Menschen Empathie entwickeln können, wenn sie mit dem Leid anderer konfrontiert werden und ihr Spiegelneuronennetzwerk in Wallung gerät.
Von Pauschalisierungen, da gebe ich dir recht, sollte generell abgeraten werden, obwohl wir alle oder fast alle sehr dazu neigen. Daß sensible Menschen „eher schlicht auftreten“, kann ich so nicht bestätigen, aber daß weniger sensible (oder wie du das nennst „grobschlächtige“) Menschen gerne an die sensibleren appellieren, sie sollten etwas bescheidener, schlichter auftreten, das stelle ich regelmäßig fest. 😉
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