Unbekümmerte Sensibilität?

Jemand wünschte sich, sein Gegenüber möge gleichermaßen sensibel und unbekümmert in die Welt schauen. Gibt es so jemanden? frage ich mich.

Ein sensibler Mensch ist gemeinhin einer mit einem hochempfindlichen Sensorium, feinfühlig und demgemäß leicht erregbar, ein Mensch mit langen Antennen, wo andere nur grobe, halb sedierte Fühlwarzen haben. Solch ein Mensch wird besonders feinnervig sein und schon deshalb häufig verletzt oder mindestens verstimmt. Diese Wahrnehmungserfahrung, so darf man annehmen, wird im Laufe der Jahre aus ihm einen eher vorsichtigen Zeitgenossen gemacht haben, der ganz gewiß nicht mehr unbekümmert und so ohne weiteres auf Menschen und Dinge zugehen kann, haben diese ihm doch in der Vergangenheit gerade wegen seiner ausgeprägten Sensibilität so manche leidvolle Erfahrung verschafft.

Extravaganz mit Sensibilität gleichsetzend und Schlichtheit mit unbekümmertem Wesen, so könnte man einwenden, dieses beide sei jedoch durchaus kompatibel.

Mit Schlichtheit und Extravaganz aber ist es ganz anders, weil bei diesem Begriffspaar, das nicht für eine gefühlsbedingte Verhaltensweise steht, eine Haltung charakterisiert wird, die in hohem Maße von der Umgebung abhängig ist und sich häufig als deren Kontrapunkt versteht, so daß in einer extravaganten Gesellschaft Schlichtheit zur Extravaganz wird, während die Extravaganz in ihrer Einfallslosigkeit und mangelnden distinktiven Qualität schon wieder – zumindest ironisch – als eine Art Schlichtheit bezeichnet werden kann.