Merkwürdigkeit

Je ausgeprägter und umfassender die Dummheit eines in die Zukunft gerichteten Gedankens, desto größer das Verbrechen, das zu begehen selbst intelligente Menschen bereit sind, um diese idiotische Phantasie in die Tat umzusetzen – egal ob es um Krieg, um Geldanhäufung oder zwischenmenschliche Beziehungen geht.

Falscher Dampfer

Die Schwierigkeit beim Reisen auf dem falschen Dampfer ist nicht, daß es unmöglich wäre, den Dampfer als solchen zu erkennen. Besonders Wasserscheuen hilft die Erkenntnis eines eventuellen Irrtums oder auch nur ein Zipfel Ahnung, man könne so falschliegen wie das Ziel in weiter Ferne, nicht weiter, denn man wird naß werden oder sogar ein wenig Wasser schlucken müssen, wenn man versucht, das Fahrzeug während der Fahrt zu verlassen.

Glaubsinn

Die Behauptung der Sinnlosigkeit berücksichtigt nicht die Fragwürdigkeit des Konzeptes „Sinn“. Deshalb ist eine solche Behauptung ebenso paradox wie ihr Gegenteil. Die Erkenntnis dieser Tatsache berechtigt bei Bedarf zur zeitlich begrenzten Verzweiflung zum Zwecke der Zerglaubung von Sinngläubigkeit.

Antisakrale Anwandlung

Man muß kein Freund teuflischer Mächte sein, um kanonisierten Heiligen und vor allem deren oft hieratisch daherschreitenden Nacheiferern und Imitatoren mit einer reflexhaften Abscheu zu begegnen.

Glauben und wissen

Mit dem Bewußtsein ist es ganz ähnlich wie mit dem Glauben an eine göttliche Gestalt oder ein kosmisches Prinzip: Man weiß wenig bis nichts darüber, wie es funktioniert oder funktionieren könnte, und hat nicht die geringste Ahnung, was es tatsächlich IST, was sein Wesen ausmacht.

Das hindert einen Großteil der Menschen jedoch nicht daran, mit scharfem Messer das richtige vom falschen Bewußtsein oder den wahren Glauben vom Irrglauben zu trennen. Falsch und Richtig wissen sie beinahe so gut zu unterscheiden wie ein Veganer ein Ei vom andern.

Falsches Bewußtsein

Ein zentraler Terminus marxistischer Ideologiekritik ist das »falsche Bewußtsein«, das notwendigerweise die Basis jeder den Überbau einer Gesellschaft bildenden Ideologie (außer der marxistischen natürlich) sei.

Kurz gesagt, liegt dem Reden vom »falschen Bewußtsein« zweierlei zugrunde: zum einen die Annahme, es gäbe so etwas wie objektive Realität, die nur haargenau widergespiegelt werden müsse, um ein wahrheitsgemäßes Bild zu bekommen (der Mensch als Reflexionsautomat). Außerdem der Anspruch, im Besitz der (einzig) passenden politischen Überzeugung zu sein, die wie ein Rosenstrauch aus dem richtigen Bewußtsein herauswächst.

Der Mensch mit dem falschen Bewußtsein ist also entweder ein Lügner, wie vor allem all jene, die vom kapitalistischen System profitieren, oder von Linsentrübung betroffen, wie alle anderen, die entweder nicht von diesem System profitieren oder sich einbilden, sie hätten einen Vorteil davon. Diese Einbildung entsteht dann, wenn der einzelne sich über seine tatsächlichen Interessen täuscht, also zum Beispiel lieber Volvo fährt als Trabi.

Da er das richtige Bewußtsein besitzt, weiß der marxistische Theoretiker jedoch über die Bedürfnisse der Mehrheit besser Bescheid als diese selbst. Auch deshalb war die DDR wie andere vergleichbare gesellschaftspolitische Experimente so überaus erfolgreich.

Leihmacht

Mit vereinten Hirnenkräften arbeiten die Neurowissenschaften an der Inthronisierung des Denklappens und wollen uns weismachen, das Gehirn sei von Natur aus zum Zepterträger erkoren. Aber von wem? Wer hat dem Hirn das Machtinsignium in die Hand gedrückt? (Und geflüstert: Hier, Kopp, halt mal kurz. Aber mach keinen Blödsinn damit.)

Philosophieren

Recht verstanden, ist Philosophie nicht etwa eine Lehre von den Erscheinungen, den sichtbaren Dingen, auch nicht irgendeine Art, naturwissenschaftliche Erkenntnisse in systematische Prokrustesbetten zu stopfen. Vielmehr ist Philosophie – oder besser das Philosophieren – eine Methode zur Gedankenerhellung, so etwas wie ein Klärwerk für die Massen naturwissenschaftlichen und gesellschaftswissenschaftlichen Faulschlamms, die unsere Gehirne Tag für Tag erzeugen und absondern. Nicht zu vergessen natürlich die alltägliche psychologische Wahnproduktion. Es muß eine Instanz geben, die all die eigenen und fremden Gedanken in uns auf ihre Stichhaltigkeit prüft.

Ordnung

Es gibt viele Menschen, die den größten Teil des Tages damit beschäftigt sind, dafür zu sorgen, daß »alles seine Ordnung« hat, es jedoch völlig abwegig finden, auch nur einen winzigen Teil dieses Tages über Sinn und Charakter dieser Ordnung nachzudenken. Auch ich bin nicht ganz frei von dieser schlechten Angewohnheit, wenngleich bei meinen Bestrebungen die Ordnung der sprachlichen Zeichen im Vordergrund steht.

Rauchverzicht

Wer mit dem Rauchen aufhören möchte, sollte wissen, was die schwierigste Hürde ist, die er überwinden muß: Es ist der Glaube, der Glaube an das Gerede der guten Ratgeber, die behaupten, es sei schwierig, mit dem Rauchen aufzuhören, und erfordere enorme Willenskraft. So schlecht beraten, wird unser armer Raucher, der so gern Nichtraucher wäre, jedoch um seinen breiigen Willen weiß, verzagt schauen und geneigt sein, die Flinte, die er sicher bald ins Korn wird werfen müssen, gar nicht erst in die Hand zu nehmen. Dabei ist nichts leichter, als mit dem Rauchen aufzuhören. Es reicht vollkommen, zu glauben, daß Rauchen doof ist, und sich Tag für Tag mehr darüber zu freuen, daß man es nicht mehr muß.