Der Gesellschaftsentwurf und Sinn von Sinn

Seit Platon ist es so, daß utopische Gesellschaftsentwürfe abhängig sind von den gegebenen Macht- und Herrschaftsverhältnissen, auf die sie zurückwirken oder zurückzuwirken versuchen. Ob sie nun affirmativ-naiv auf Herrschaftszähmung aus ist oder Herrschaft negiert, stets bleibt die Utopie der Folie verpflichtet, auf der sie sichtbar wird. Als Negation der Verhältnisse ist Utopie das Wahre, das im Falschen spiegelbildlich aufscheint und aus ihm herausdestilliert werden kann. Im Unglück ist das Glück verborgen und im Sinnlosen der Sinn. Die Vorstellungen von Glück und Unglück werden ebenso selbstverständlich aus den Verhältnissen herausgezogen wie die Idee der Herrschaft und ihre Negation, und hinter ihnen allen steht das Konzept Sinn, so als handle es sich dabei um ein nicht hinterfragbares abstraktes Prinzip.

Was aber ist Sinn? Wenn wir uns fragen, welchen Sinn etwas für wen hat, dann setzen wir bereits voraus, wir wüßten, was Sinn bedeutet. Was aber finden wir, wenn wir den Sinn hinter dem Wort Sinn suchen? Wir finden genau das, was wir in das Wort hineinlegen. Und nicht mehr. Wir werfen eine Handvoll Teleologie ins Universum und freuen uns wie die Kinder, wenn wir nach langem Suchen darin den Telos finden.

Um unsere Existenz und ihre Form zu deuten, geben wir allem Bedeutung, ohne zu wissen, ob Bedeutung überhaupt etwas bedeutet. Die Erkenntnis dieses Pferdefußes der Erkenntnis berechtigt uns zu ausgeprägter erkenntnistheoretischer Bescheidenheit und erst recht zu größter Zurückhaltung bei der Formulierung utopischer Gesellschaftsentwürfe, sowohl der herrschaftsfreien Art wie auch solcher, die (vorgeblich) Herrschaft als Mittel zum Zweck betrachten, um das (ferne, allzu ferne) Glück der Menschheit zu erreichen.

Glück kann es jedoch nur für den einzelnen geben, und zwar jetzt, genau in diesem Augenblick.