Meinungsauswahl

»Der Kommentar muss erst noch freigeschaltet werden …«

Jemand schrieb sinngemäß, die obersten europäischen Richter wären blöde Antisemiten. Daraufhin erklärte ich in einem Kommentar sachlich und mit, wie ich glaube, recht guten Argumenten, weshalb ich diese Meinung, die der Schreiber natürlich nicht für seine Meinung, sondern für Wahrheit hält, weshalb ich diese Meinung nicht teilen kann und daß ich es für eine schlechte Angewohnheit halte, Andersdenkenden, in diesem Fall den obersten europäischen Richtern, inflationär den Stempel Antisemit aufzudrücken.

Das ist ja sehr in Mode. Wie leider auch wieder der tatsächliche Antisemitismus. Ob und (wenn ja) wie beides zusammenhängen könnte, möchte ich hier nicht erörtern, sondern nur darauf hinweisen, daß es möglicherweise einen Zusammenhang gibt.

Daraufhin las ich kurz und knapp, ich schriebe »Schwachsinn«.

Leider wollte man mir nicht erklären, inwiefern meine Worte als »Schwachsinn« angesehen wurden und weshalb genau die Richter blöd sind. Möglicherweise weil es zuviel Mühe gemacht hätte, mir das zu erklären, oder weil man sich nicht mit Denkprozessen den Abend verderben mochte.

Also ließ man den »Schwachsinn«-Satz, den ein anderer als ich möglicherweise als beleidigend empfinden könnte, als letzten Kommentar stehen und gab weitere Kommentare nicht frei.

Da ich so etwas wie auch die Abschaltung der Kommentarfunktion in letzter Zeit öfter erlebt habe, obgleich meine Kommentare weder beleidigend noch unsachlich waren, sondern lediglich einer anderen Meinung argumentativ Ausdruck gaben, werde ich zukünftig Meinungsäußerungen auf Blogs, die Kommentare einer Zensur unterwerfen, nicht mehr dort kommentieren, sondern bei Bedarf hier in der Rubrik »Einer sagte«.

Dann bleiben die Genannten vom fremden Meinungsschmutz auf ihren heiligen Seiten verschont.

Zimmergeschichte

Wir sitzen alle zusammen in einem Zimmer mit verschlossenen Türen. Die einen versuchen, sich dort einzurichten, und streiten über das Muster der Tapete und die richtige Anordnung der Sitzgruppen, während andere neue Legierungen für Brechstangen ersinnen, mit denen wieder andere vergeblich auf die Türen einstürmen, die sich als außerordentlich widerstandsfähig erwiesen haben. Dies ganze Szenarium existiert seit langer Zeit, und wir haben uns angewöhnt, es Geschichte zu nennen. Ein großes Wort für die Wirklichkeit in unserm kleinen Zimmer, das sich, wie wir vermuten dürfen, in einem Haus befindet, von dem wir aber leider nichts wissen, weil die Türbrecher, diese ewigen Versager, zwar viel schwitzen, doch leider nichts fertigbringen, als Brechstange um Brechstange zu verbiegen.

Diese Geschichte als Ganzes können wir ebensowenig sehen wie das Sein als Ganzes – die Türen sind zu, und wir kommen nicht raus, um eine höhere Perspektive einzunehmen.

Wie wollen wir nun eine Totalität erfassen, in deren Innerem wir uns befinden? Bleibt erst mal nichts weiter übrig, als das Ganze als ein Abenteuer zu betrachten und sich zu bemühen, innenarchitektonisch Akzente zu setzen.

Erdmann – Szenische Monodialoge 8

ERDMANN verknittert, verläßt das Schlafzimmer, geht zum PC und startet ihn, dann begibt er sich ins Bad.

Schon erstaunlich
findest du nicht auch
mein lieber Spiegel
genau wie du
noch nicht richtig wach
aber schon ein freundlicher
Gesichtsausdruck
na ja unlängst
erst blankgewienert
mußt dich erkenntlich zeigen.

Apropos freundlicher Gesichtsausdruck
gestern hab ich aus aktuellem Anlaß
ich bin ja von Geburt katholisch, r.k.
den Herrn Mixa bildgegoogelt
herrje o Herr
Ritter im Kreuzzugsritterorden
selbst sein seltenes gequältes
Lächeln hat noch etwas Bedrohliches
ansonsten bis in die Mundwinkel
tiefempfundene Härte.
Schlägt so einer Kinder
wie jetzt Irregeleitete behaupten?
Man weiß es nicht.
Aber glaubt es gern.

Es könnte sein
müßte man ihm zugute halten
wenn die Vorwürfe nicht
gerichtlich verboten werden
was die Kirche angedroht hat
einmal Schläge immer Schläge
es könnte sein
daß in den Kindern
die geschlagen worden sein sollen
oder wollen
nicht nur der Satan
nein, auch der
Geist der Achtundsechziger
gefährlich aufblitzte
und deshalb  – präventive
schwarze Pädagogik
ist Putativnotwehr –
bekämpft werden sollte
und mußte
jener Geist, der dafür
verantwortlich ist
daß unschuldige Kirchenleute
die Macht über ihre
gebetgewöhnten Hände
verloren und bekümmert
zusehen mußten
wie ihre Finger
unter die Soutanen
und in die Wolle der
Schäfchen wanderten.

Nichts zum Lachen
nicht mal zum Lächeln.

Mathias Richling
kann sich die Parodie sparen
das Original ist
unübertrefflich.*

„War einmal ein Bumerang  …“

Verläßt das Bad, hört ein Summen
Diese blöde Kiste.
Hat sich beim Runterfahren
gestern abend wieder aufgehängt
die ganze Nacht gelaufen
bei den Strompreisen
oder hab ich Trottel im Vorschlaf
nur wieder vergessen
das Ding auszuschalten?
Setzt sich kopfschüttelnd
an seinen Arbeitsplatz.

2010