Wenn – dann

Wenn ich aus heiterem Himmel zum Besuch einer Zaubervorstellung zwangsververpflichtet werde, mir erklärt wird, am Ende sei der volle Eintrittspreis zu entrichten – ob mir die Vorstellung nun gefalle oder auch nicht –, dann habe ich mehrere Möglichkeiten: Ich kann den Zauberern zuschauen und mich an deren Kunstfertigkeit freuen, ich kann meine Blicke auf die Dekolletés der Assistentinnen fokussieren oder die Bewegungsabläufe der Zaubererhände akribisch zu analysieren versuchen. Auch besteht die Möglichkeit, die Augen zu schließen, Finger in die Ohren zu stecken und sich der Magie des Augenblicks zu verweigern. Wenn mir das alles nichts ist, kann ich alternativ die andern Zwangsverpflichteten beobachten und mich mit deren Gesichtsausdrücken beschäftigen. Es sind noch einige andere Herangehensweisen denkbar. Da ich nicht genau weiß, wie lange die Vorstellung dauern wird, schaue ich erst mal eine Weile staunend zu, wie die Kaninchen aus dem Zylinder wachsen, dann interessiere ich mich mehr für die Assistentinnen, gähne irgendwann herzhaft und beginne ein Gespräch mit meinem Nachbarn zur Rechten, das nach einer Weile so intensiv wird, daß mich das Drumherum nicht mehr interessiert … bis ein neues, bisher nie gezeigtes Kunststück angekündigt wird. Inzwischen haben sich die Assistentinnen umgezogen … Später dann wende ich mich meinem Nachbarn zur Linken zu. Und dann … So oder so ist das Leben.    

2 Antworten auf „Wenn – dann

  1. Gretchen schreibt am 30.03.2010 um 21:35 Uhr:
    Guten Abend, Lyriost. Dein Gedanke ist klar und wirkt in dem Geschriebenen frei und sehr gelassen. Das gefällt mir, vielleicht, weil ich jene Gelassenheit bei mir hier und da vermisse. Aber welche Größe geht von dieser ungezwungenen Art aus, das finde ich, ist bezaubernd. Danke.

    Ganz liebe Grüße
    Gretchen

    Lyriost schreibt am 31.03.2010 um 07:39 Uhr:
    Guten Morgen Gretchen, schön, von dir zu hören. Die Gelassenheit ist auch bei mir nicht ständiger Begleiter. Aber ich erkenne nach und nach, daß die meisten Aufregungen, die ich so produziere, unangemessen sind und überdies nichts ändern an äußeren Umständen, sondern mich nur zusätzlich belasten. Schon deshalb habe ich mir angewöhnt, sie ein wenig zu dämpfen. Die Forsythien sind bereits krachgelb.

    Der Frühling und ich grüßen dich
    Lyriost

    Gretchen schreibt am 01.04.2010 um 13:33 Uhr:
    Grüße Dich, Lyriost. Danke, für diese Deine schönen Grüße, welche ich mit einem Wohlempfinden annehme. Der Frühling ist meine Jahreszeit, vielleicht liegt es daran, daß ich leicht zur Melancholie neige, dann stockt auch die Produktion im Atelier. Doch die Kraft der Sonne weckt die Winterschläfer/innen; für eine solche ich mich gelegentlich halte, wenn die Tage häufig trübe, grau und kalt sind.
    Es ist die Zeit der Tulpen, an welchen ich mich erfreue. Die gelben und weißen machen sich ganz schön in hohen Vasen. Draußen treibt der Flieder, hier und da ein leuchtendes, aber noch zaghaftes Erwachen auf der Wiese.
    Hoffe, Dir geht es gut. Hast viel geschrieben, das deutet auf ein Fließen hin; darüber freue ich mich.

    Wünsche Dir erquickliche Feiertage. Bis bald.

    Deine Gretchen

    Lyriost schreibt am 01.04.2010 um 15:30 Uhr:
    Liebe Gretchen, ich hoffe, es ist nicht die dürersche Variante der Melancholie, die dich heimsucht, sondern eher die weiche Fee, die uns, wie ich einmal in einem Gedicht schrieb, ein „Wölkchen Schweigen ins erhitzte Blut“ haucht.

    Auch dir ein paar schöne Tage mit Tulpen und mehr.

    Liebe Grüße
    Ly

    nacktschnecke schreibt am 03.04.2010 um 09:38 Uhr:
    Ein Hand voller bunter Möglichkeiten. Oder man lässt sich erst gar nicht zwangsverpflichten… 😉

    Lyriost schreibt am 03.04.2010 um 09:49 Uhr:
    Liebe nacktschnecke, Suizid ist schon deshalb keine Lösung, weil wir nicht genau wissen, ob wir damit nicht nur das Zirkuszelt wechseln.

    Gefällt 1 Person

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