Modern(d)e Zeiten (2010)

Ein Besuch in der Berliner Neuen Nationalgalerie lohnt immer. Unter dem Titel „Moderne Zeiten“ ist jetzt die Sammlung der Moderne neu konzipiert worden. Da einige der ausgestellten Bilder als Reproduktion bei uns daheim an den Wänden hängen, fühlte ich mich wieder einmal ganz zu Hause in den so gar nicht heiligen Hallen in der Nähe des Potsdamer Platzes. Im schier überquellenden Trillhaase-Raum, einer der verdichtetsten Porträtkunstlandschaften, in denen ich mich je befunden habe, gibt es neben der grotesken Dixschen Familienkarikatur unzählige Highlights, so daß allein dieser Raum das Eintrittsgeld wert wäre. Eigentlich waren wir nach der leicht kakophonischen Sinfonie dieser vielen Menschenbilder bereits übervoll mit Eindrücken, doch bevor wir zu dem milcharmen Kakao im Galeriecafé mit seinen mikrophonähnlichen Lampen gelangen konnten, sprang uns Hans Grundigs blutiges Gleichnis mit Bären und Wölfen an, und dann war da noch Horst Strempels Quadrichon „Nacht über Deutschland“, eine gewaltige Momentaufnahme des Scheiterns menschlicher Zivilisation, die es an künstlerischer Ausdruckskraft leicht mit Picassos „Guernica“ aufnehmen kann – ein beklemmendes Bild. Haben die Menschen seither wirklich etwas dazugelernt?

Ausschnitt aus „Nacht über Deutschland“ von Horst Strempel (Neue Nationalgalerie Berlin)

Bei Anruf Mord-(Geständnis)

En gewisser Alexej Nawalny hat seinen „Mörder angerufen“. Was ganz erstaunlich ist, denn Tote können bekanntlich nicht telefonieren, und ein Mörder ist jemand, der verurteilt wurde, weil er jemanden getötet hat. Auch finde ich, es ist ein netter Zug von einem Giftmischer, dem Opfer seine Telefonnummer zukommen zu lassen. Aber wahrscheinlich war das nötig, weil der Täter bereits während der Tat ahnte, er werde bald von seinem schlechten Gewissen übermannt werden und nur wenn er dem Mordopfer gegenüber geständig wäre … Von früher kenne ich derlei Dinge unter dem Namen „Räuberpistolen“, und so was las man in Groschenheften oder in der „BILD-Zeitung“.

Süddeutsche Zeitung

Telepolis