Pfusch am Bau

Wenn wir bei der Betrachtung der Natur mit ihren Schönheiten nicht übersehen, daß all die bunten Blumen und vielgestaltigen Krabbeltierchen in einem Nährboden von Grausamkeit und Willkür wachsen, können wir leicht auf den Gedanken kommen, bei der Planung dieses Abenteuerspielplatzes Welt sei mächtig geschlampt worden. Mit anderen Worten: Stümperei das Ganze.

Der Grundfehler dieser Betrachtungsweise ist der, daß wir es sind, die Kategorien wie „richtig“ und „falsch“, „sinnvoll“ und „sinnlos“ oder auch „gut“ und „schlecht“ erfunden haben und diese Kategorien nun auf etwas anwenden, das entstanden ist zu einem Zeitpunkt, da es solche Kategorien noch gar nicht gab. Ausgehend von unseren Bedürfnissen und selbstsüchtig, wie es unsere Art ist, versuchen wir eigene Intentionen in vorantike Blaupausen hineinzuprojizieren, und deshalb findet hier eine retrospektive Verformung der Schöpfungsgeschichte statt – nennen wir es ruhig mal so – , und wir verlagern unsere Vorstellungen in den „Geist“ eines wie auch immer gearteten Weltarchitekten oder Weltprinzips, der oder das möglicherweise etwas ganz andres geplant hatte als zweibeinige Tiere, die sich gegenseitig mit harten Gegenständen die Köpfe einschlagen. Wenn es überhaupt je, was ich bezweifle, so etwas wie eine „Planung“ gegeben hat.

Eine Antwort auf „Pfusch am Bau

  1. Gretchen schreibt am 23.01.2010 um 14:42 Uhr:
    Wünsche einen guten Tag, Lyriost. Prinzipiell, meine ich, hast Du mit Deinem Denken recht. „Stümperei das Ganze“ trifft als ein wahrer, menschlicher Aufschrei in meinen Sinn. „Abenteuerspielplatz“ eine zutreffende Umschreibung für den materiellen Über-Lebens-Wahnsinn. .. Ein Hoffen bleibt uns denn doch noch. Ich mag Deine ehrliche Art, Lyriost.

    Habe ein angenehmes Wochenende.

    Deine Gretchen

    Gretchen schreibt am 23.01.2010 um 14:56 Uhr:
    Verzeihung, „.. trifft meinen Sinn..“. Danke.

    B. Denken schreibt am 23.01.2010 um 17:02 Uhr:
    Lieber Lyriost,

    die Projektionen, die Sie anderen bescheinigen, sind auch die Ihren!

    Wie soll es denn anders gehen als über Projektionen? Alle Wirklichkeitserfahrung ist, genau besehen, Projektion. Der Holzhändler, der durch den Wald geht, sieht nun mal die Bäume anders als das Liebespaar. Beide Male Projektion.

    Erst recht die Historie:

    „Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
    Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
    In dem die Zeiten sich bespiegeln.“

    Ein Geist jedoch, der, über den Wassern schwebend, keck behauptet, Kategorien seien aus selbstsüchtigen Gründen erfunden worden und „das Ganze“ (Donnerwetter, welch ein Geist, der gleich das „Ganze“ umfängt!) zur Stümperei erklärt, muß sich das Urteil des zitierten Dichters gefallen lassen: der „kleine Gott der Welt“ zu sein, der, so setzen wir hinzu, im Gott der Altäre seine eigenen Allmachts- und Allwissenheitsphantasien anbetet. Natürlich über Projektion.

    Herzlich

    B. Denken

    Lyriost schreibt am 23.01.2010 um 17:27 Uhr:
    Lieber B. Denken,

    diesmal haben Sie nicht aufmerksam genug gelesen. In dem Text gibt es nicht „einen Geist“, sondern zwei verschiedene „Protagonisten“: ein „Wir“, das auf einen Gedanken wie „Stümperei“ kommen „kann“, und ein Ich, das diesen Gedanken reflektierend und zweifelnd als retrospektive Projektion zurückweist. Sie aber fassen beide zu einer zusammen und versuchen sie dann zu destruieren.

    Nur gut, daß ich weder einen Gott der Altäre anbete noch eigene Allwissenheitsphantasien. Ich denke einfach nur, ganz zwanglos, wie es sich ergibt.

    Herzlich
    Lyriost

    Lyriost schreibt am 23.01.2010 um 17:30 Uhr:
    Hallo, Gretchen,

    schön, daß du mal wieder hier bist. Hat sich dein Kreativitätsstau aufgelöst?

    Liebe Grüße
    Ly

    Lyriost schreibt am 23.01.2010 um 18:21 Uhr:
    Lieber B. Denken,

    als ich meinen Text noch mal las, ist mir außerden aufgefallen, daß dort nicht steht, „Kategorien seien aus selbstsüchtigen Gründen erfunden“ worden, sondern ich habe gesagt, daß wir selbstsüchtig unsere Intentionen projizieren. Das ist was ganz anderes. Auch hier wird Ihr verformender Kommentar meinem Text nicht gerecht.

    Zum Holzhändler und zum Liebespaar sei noch gesagt, daß es auch Holzhändler und Liebespaare gibt, die ihre Projektionen reflektieren, wenn auch eher im nachhinein, und damit relativierend zu einem abweichenden Bild der Bäume kommen. Wir sind nicht zur Monoperspektive gezwungen, wenn wir Reflexionsfähigkeit besitzen.

    B. Denken schreibt am 23.01.2010 um 18:47 Uhr:
    Lieber Lyriost,

    gerne will ich’s nochmal, mit spitzen Fingern sozusagen, lesen. Wenn Sie recht haben — in meinem Schrank hängt noch ein härenes Gewand aus früheren Tagen…

    Herzlich

    B. Denken

    Gretchen schreibt am 23.01.2010 um 18:52 Uhr:
    Danke, Lyriost. Weiß es noch nicht so genau. Vielleicht löst sich ja der kreative Schub von falschen Sensationen hin zu einem mir Wesentlichen. Deine Umschreibung hat mir übrigens sehr geholfen, das richtig zu sehen. Danke nochmals.

    Liebe Grüße
    Gretchen

    sternenschein schreibt am 28.01.2010 um 05:45 Uhr:
    Ohne diesen Nährboden an Willkür und Grausamkeiten wären diese Blumen und Krabbeltierchen wohl garnicht möglich.
    Es scheint eher eine hohe Kunst dieses so ausgewogen zu gestalten, dass es alles funktionieren kann.
    Versagen scheint eingeplant zu sein, dachte ich, als ich den Erlen und Pappeln zusah wie sie ihre Unmengen an Samen verstreuten, selbst aus diesen zigtausenden Samen vielleicht nur ein einzige Baum ensteht und alle anderen in ihrer ganzen Vielzahl zugrunde gehen.
    Menschen scheinen da anders zu denken, wir wollen immer das jedes Samenkorn aufgeht und Früchte trägt. Sagen Klasse statt Masse.
    Der Natur scheint es egal, ist es ihr aber wohl nicht wirklich. Deshalb sorgt sie vor und „berechnet“ auch Versagen ein.
    Ich freue mich, wenn ich wieder mal eine Pusteblume pusten darf und sehe wieviel Leben weitergetragen wird, welches ensteht oder auch nicht.
    Liebe Grüsse

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