Offensichtlich

Immer dann, wenn wir uns selbst nicht wirklich trauen, benutzen wir Modalwörter. So wird das Wort »offensichlich« gern verwendet, wenn wir unsrer Meinung nicht ganz sicher sind, aber sie dennoch, in manipulativer Absicht, anderen unterjubeln wollen, damit wir mit dieser Meinung nicht mehr allein sind und so vom Selbstzweifel wenn nicht verschont bleiben, so doch wenigstens etwas entlastet werden, denn was andere ähnlich sehen wie wir, so glauben wir, kann nicht ganz falsch sein. Ein riesiges Arbeitsfeld für Sprechakttheoretiker und Psycholinguisten.

Wenn das Modalwort »offensichtlich«, ein Hypothesenindikator, attributiv benutzt wird, um eine Tatsache, einen Gegenstand, einen Zustand oder eine Haltung zu charakterisieren, dann ist es entweder tautologisch (das Offensichtliche muß wegen seiner Offensichtlichkeit nicht noch als solches bezeichnet werden – das Gras ist offensichtlich grün, sagt niemand), oder es ist ein Versuch, den hypothetischen Charakter einer Aussage dadurch zu vertuschen, daß man sie mit einem appellativen Unterton versieht.

»Offensichtlich« heißt: Sieht doch jeder so, mußt du auch so sehen. Solltest du es anders sehen, stimmt etwas mit deiner Optik nicht.

Und dann setzt man sich, einigermaßen beruhigt, hin und putzt die verkratzten Linsen.

Pfusch am Bau

Wenn wir bei der Betrachtung der Natur mit ihren Schönheiten nicht übersehen, daß all die bunten Blumen und vielgestaltigen Krabbeltierchen in einem Nährboden von Grausamkeit und Willkür wachsen, können wir leicht auf den Gedanken kommen, bei der Planung dieses Abenteuerspielplatzes Welt sei mächtig geschlampt worden. Mit anderen Worten: Stümperei das Ganze.

Der Grundfehler dieser Betrachtungsweise ist der, daß wir es sind, die Kategorien wie „richtig“ und „falsch“, „sinnvoll“ und „sinnlos“ oder auch „gut“ und „schlecht“ erfunden haben und diese Kategorien nun auf etwas anwenden, das entstanden ist zu einem Zeitpunkt, da es solche Kategorien noch gar nicht gab. Ausgehend von unseren Bedürfnissen und selbstsüchtig, wie es unsere Art ist, versuchen wir eigene Intentionen in vorantike Blaupausen hineinzuprojizieren, und deshalb findet hier eine retrospektive Verformung der Schöpfungsgeschichte statt – nennen wir es ruhig mal so – , und wir verlagern unsere Vorstellungen in den „Geist“ eines wie auch immer gearteten Weltarchitekten oder Weltprinzips, der oder das möglicherweise etwas ganz andres geplant hatte als zweibeinige Tiere, die sich gegenseitig mit harten Gegenständen die Köpfe einschlagen. Wenn es überhaupt je, was ich bezweifle, so etwas wie eine „Planung“ gegeben hat.