Der Jahresbeginn ist die Hochzeit der (zumindest vorübergehenden) Lasterbekämpfung. All die guten Vorsätze wollen in die Tat umgesetzt werden. Weshalb aber bekämpft jemand seine Laster? Nun, die Antwort ist einfach: damit er mehr Zeit und moralische Rechtfertigung gewinnt, sich über die Laster der anderen zu echauffieren. Wenn es auch nur selten gelingt, den eignen guten Vorsätzen gerecht zu werden, die Aufregung über die moralische Fehlbarkeit der anderen wird durch diese Mißerfolge eher zunehmen und sich im Laufe der Jahre so verdichten, daß ein neues Laster entsteht: das Laster der Intoleranz. Ja, der Vorrat an Duldsamkeit ist begrenzt, und die meisten Menschen benötigen zunehmend so viel Indulgenz für sich selbst, daß für andere immer weniger übrigbleibt. Die Positition des gütigen Beichtigers ist so verwaist, wie das Wort »Beichtiger« veraltet ist.
Das mit den Vorsätzen habe ich nie verstanden. Wenn ich etwas als Laster begreife, dann ändere ich es und rede es nicht als „Ich weiß doch, dass es nicht gut ist, aber bald…“ hinaus…
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Die Frage ist doch: Was ist ein Laster? Normalerweise wird das definiert im Kontext der herrschenden Moralvorstellungen, denen wir uns unterordnen können oder auch nicht. Wenn ich für mich etwas als Laster begreife, dann liegt dem die rationale Erkenntnis zugrunde, daß mir etwas (dauerhaft) schadet, etwa gesundheitlich. Und dann gilt es, jenseits aller allgemeinen Vorstellungen und unabhängig vom Zeitgeist, abzuwägen, was mir guttut und was nicht, zum Beispiel viel Zucker im Tee. 😉
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