Wenn ein Wort auf ein Sinnesorgan trifft, und es kommt nichts Brauchbares bei dieser Zusammenkunft heraus, dann liegt das in den seltensten Fällen am Wort. Bisweilen helfen Ohrenstäbchen oder Augentropfen, doch nicht so häufig, wie man sich das wünschen mag, denn Schmalz und Schmutz sitzen leider oft so tief wie der Aberglaube. Nahezu unerreichbar.
Tag: 26. Juli 2020
Entgegenkommen
Allzu großes Entgegenkommen wird von manchen Menschen entweder als Selbstverständlichkeit betrachtet oder gar als Angriff mißverstanden. Besonders von denen, die das eigene Zurückweichen als Entgegenkommen ansehen.
Unzulänglichkeiten
Beim Kampf gegen Unzulänglichkeiten lohnt sich besonders das Vorgehen gegen die eigenen Schwächen. Leider geht das nicht selten mit unzulänglichen Mitteln vonstatten oder wird gar auf später verschoben. Es ist leichter, die Schwimmtechnik anderer zu kritisieren und sich über deren Tolpatschigkeit zu mokieren, als selbst versuchsweise den Schwimmring beiseite zu legen.
Besonders genau bei der Beurteilung von Schwimmern nehmen es nicht etwa Schwimmlehrer, sondern jene, die selbst gerade mit Mühe und Not das Schwimmen gelernt haben. Die schärfsten Kritiker der Schwimmer aber sind seit eh und je die Nichtschwimmer.
Sprachkrise
In der Sprache gibt es keine Krise. Nur bei den Sprechern und vor allem den Schreibern, die von der Sprache der andern beherrscht werden, weil sie die eigene nicht beherrschen.
Lange Sicht
Auf lange Sicht ist der Zeitvertreib, die kurzweilige Vertreibung der Langeweile, eine ziemlich langweilige Angelegenheit.
Immer Glück
Ein ungewöhnlich wohlhabender Mann wurde beerdigt. Kommentar am Rande: Er hatte immer mehr Geld als die anderen, ein schickeres Auto und ein weitläufiges Grundstück mit einem riesigen Haus. Und jetzt hat er auch noch den größten Grabstein. Manche haben halt immer Glück.
Tirade 139 – Ruhiger Tag
Die Pfützen krachen
in allen Bäumen rascheln
graue Mumien
und Wolken streuen heimlich
die ersten kalten Krümel
Mundwinkelanalyse
Beim Blick in den Spiegel denke ich: Besser ein gutgelaunter Melancholiker als ein fröhlich tuender Griesgram. Aber ich müßte mich mal wieder rasieren – zur Erleichterung der Mundwinkelanalyse.
Familiäre Problemverschiebung
Die mittlere bis späte Adoleszenz ist eine spannende, aber auch unangenehme Zeit für viele Jugendliche. Hauptursache ihrer Probleme sind nicht selten die Eltern, besonders die alleinerziehenden. Diese reden sich mit Erfolg ein, ihre Kinder seien außerordentlich schwierig und man müsse sie deshalb erzieherisch auf einen rechten Weg bringen (auf dem man oft selbst nie angekommen ist). Dabei sind die Ursachen der beklagten Übel darin zu suchen, daß die Eltern ein wenig spät dran sind mit ihrer erzieherischen Aktivität und außerdem oft heillos überfordert mit sich selbst: eigenen spätpubertären Anwandlungen, beginnender oder sich bereits der Vollform nähernder Midlife-crisis, Torschlußpanik, Erfolgszwängen und was sonst noch an Damoklesschwertern über ihnen schweben mag. Da kommt der nervige Jugendliche gerade recht, um in die Rolle des Sündenbocks gedrängt zu werden. Und wehe, er spielt nicht mit bei dem Projektionsritual, das daraus entsteht, und durchschaut das Ganze womöglich. Das kann zu Renitenz auf beiden Seiten führen.
Am Horizont der Zeit
Flügelgeflimmer
ein Horn in der Nacht
Blick in die Weite
wo schwarze Kerzen flackern
am Abgrund weißer Zeiten