Die blöde Böe

Über »Segel auf Butterfly« von Vea Kaiser

Das Lexikon der maritimen Terminologie liegt auf dem Schreibtisch bereit, und das Abenteuer kann beginnen. Nun ja, das Abenteuerchen, denn man steuert nicht aufs offene Meer, sondern, bescheiden, wie man ist, »aufs offene Wasser«, immerhin also keine Fahrt in der geschlossenen Flasche, kein Ritt auf dem Buddelschiff.

Bevor es richtig losgehen kann, muß der Hintergrund beschrieben werden, denn das Ganze soll ja mehrschichtig daherkommen. Also werden im folgenden die Großeltern, aus deren Erbmasse das Segelbötchen stammt, von der höheren Warte jugendlicher Selbstüberschätzung gehörig durch den Kakao gezogen, ihre romantische Lebenseinstellung »enttarnt«. Verhöhnt, sollte man besser sagen. Zu dieser Verhöhnung gehört die Depersonalisierung im sprachwitzresistenten Dümmlichjargon: »Wir dachten, unsere Großeltern wären unkaputtbar«, weil sie nicht, wie andere Alte, »im Lift zu Blut-Lungen- und Stuhluntersuchungen emporgebracht wurden«. (Natürlich wird niemand zu einer Stuhluntersuchung irgendwo hingebracht, sondern das Darmmus ins Labor geschickt, doch woher soll ein junger Mensch das wissen? Und Blut-Lungen-Untersuchungen gibt es ebenfalls nur in der Phantasie von medizinisch Unbedarften.) Aber nein: »Totalschaden an Auto und Großeltern.«

Der Beitrag ist eine Sammlung von Klischees und nichtdurchdachten sprachlichen Bildern (z. B. »Packung Silikonbrüste« statt Kunsttittenfrau als mißlungene Metonymie). Man merkt, wie verzweifelt um den Anschein von Originalität gekämpft wird.

Bei aller demonstrativen Coolness gibt es aber auch »Tränen auf Pfirsichwangen«, Kirschgeruch und pflaumenfarbene und knallpinke Haarentferner und allerlei andere Kitschelemente wie das »Höschen auf dem Kopf« aus dem Handbuch »Wie schreibe ich eine erotische Erzählung?«

Zur Sprache: Das »unkaputtbar« hatte ich bereits erwähnt. »Als wir the first time in meinem Teakholzbett lagen« ist auch nicht ohne, ebensowenig die »ultimative« Traumfrau. Was sollte eine Traumfrau anderes sein als »ultimativ«? Alles schwächelt sprachlich genauso vor sich hin wie inhaltlich. »Urst blöde.« Beinahe schon urkomisch.

Die Erzählperspektive ist: »Ich, die ich«. Das sagt viel. Rechtschreibung und Zeichensetzung mangelhaft. Auch das sagt einiges.

Am Ende der Geschichte wird als Pointenersatz noch ein Filmzitat aus »The Big Lebowski« aufgeboten: Asche wird verstreut. Doch im Gegensatz zum Film nicht aufs eigene Haupt. Und über der kleinmaritimen Szene brennt nur gratwandernd die »gradwandern«de Sonne und weht die »blöde Böe«, aber nicht ein Hauch von Selbstironie. Nicht mal ironisches Fremdeln.

»Welthaltigkeitsfaktor« null Komma fünf von zehn. Es kommen andere Menschen vor, ein Flugzeug wird erwähnt und daß es Hippies (»Sonnenblumenmasche«) gegeben hat.

2 Antworten auf „Die blöde Böe

  1. Gast09. schreibt am 29.12.2009 um 17:48 Uhr:
    Finde ich alles sehr treffend. Als die las dachte ich mir schon, ne – das ist jetzt aber mal wieder voll keine Literatur und arme, arme östereichische literatur. Was soll denkt denn da die Jelinek?

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  2. Heute, gut zehn Jahre später, hörte ich die Autorin im Deutschlandradio, und mir war nicht wohl dabei. Als ich den Namen hörte, klingelte es bei mir. Wie bekannt mir das alles vorkam … Es war wieder wie damals, als ich in der Jury saß.

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