Über Kritik

Da wir in unserem fortgeschrittenen Denken beim Pluralismus der Perspektiven angekommen sind, sollten wir diesen auch bei der Kritik anwenden: Es gibt viele Formen von Kritik, und wir müssen in jedem einzelnen Fall herausfinden, ob die Kritik Wert für uns oder an sich hat oder nicht. Auch die Frage, ob eine Kritik „akzeptabel“ ist oder nicht, hängt ab von den Maßstäben, die wir anlegen, um Kritik zu beurteilen. Eine inhaltlich wertvolle Kritik kann ebenso unakzeptabel sein, zum Beispiel in der Form, wie eine von geringem Wert akzeptabel.

Einen allgemeingültigen Maßstab für Kritik gibt es nicht. Am besten scheint mir jedoch solche Kritik zu sein, die sich offen zeigt für jede Form der Kritik an der Kritik. Obgleich auch die selbstkritische Kritik alles Recht hat, auf exogene Kritik kritisch zu reagieren. Eine Kritik, die Kritik auszuschließen versucht, verliert ihr Recht.

These – Antithese – Synthese, das ist ein guter Weg, vorausgesetzt, die Synthese gebiert neue Thesen und Antithesen und erstarrt nicht in Selbstgefälligkeit.

Wie das Denken allgemein, so ist auch Kritik als Prozeß zu betrachten und nicht als Endpunkt eines Prozesses.

Der Hochmut und der Fall

Wenn man einige Erfahrung im Fallen gesammelt hat und die Fallgesetze nicht nur theoretisch kennt, sondern auch ihre praktische Anwendung mit der ein oder anderen schmerzlichen Empfindung leiblich durchzuexerzieren gezwungen war, kann man sich wie eine Katze auf wohlbekanntem Terrain ohne weiteres auch mal eine Spur Hochmut leisten, wenn man glaubt, fremdem, gänzlich unangemessenem Hochmut begegnen zu müssen. Aber nur dann – und auch dann nicht ohne das Bewußtsein, daß dies ein selbstironisch-spielerischer Akt ist und kein integraler Ausdruck der Persönlichkeit.