Wandrers Neid

Wenn der Neid an ihnen nagt, entdecken die Menschen gern ihre ansonsten verborgene moralische Ader. So wird der Wanderer auf Schlappen geneigt sein, dem mit dem festen Schuhwerk vorzuwerfen, er zertrete mit seinen Füßen unnötig viele von den zarten Blumen und sein fester Tritt schade den Wurzeln des Weges über Gebühr. 

Eine Antwort auf „Wandrers Neid

  1. Gretchen schreibt am 21.04.2009 um 20:46 Uhr:
    Hier, so wähnt‘ ich, steckt auch ein bißchen Humor mit drin. Ist’s also?
    Glänzende Sprache, Lyriost, wirklich und tief. Danke.

    Liebe Grüße und eine gute Nacht, Dir
    wünscht Gretchen

    Herbert schreibt am 21.04.2009 um 21:05 Uhr:
    Überhäuf ihn nicht zu sehr mit Lob, Gretchen. Im Grunde ist der Eintrag (wie der vorhergehende) nur eine weitere Variation der These Nietzsches, dass die Moral nur der Ausdruck eines Willens zur Macht sei. Eine im übrigen nicht besonders originelle psychologisierende Erklärung.

    Gretchen schreibt am 21.04.2009 um 21:28 Uhr:
    Guten Abend, Herbert.
    Es ist einfach schön hier auf Lyriost’s Seite, finden Sie nicht auch? Mir sind seine Worte Tiefe, solcher Art, die treu angeben, was er getroffen und angesehen hat .
    Weil ich das so sehe, lobe ich Ihn nicht einfach, sonden ich bin enzückt über das, was ich in seinem Wort treffe und wenn es gut getroffen ist, freue ich mich darüber und spreche (bzw. schreibe) es aus.

    Wünsche Ihnen, werter Herbert, einen schönen Abend
    Gruß Gretchen

    Gretchen schreibt am 22.04.2009 um 07:53 Uhr:
    Guten Morgen, Lyriost. Wünsche Dir einen angenehmen Tag. Bist Du noch in der Sonne?

    Lieben Gruß
    Gretchen

    P.S.: Wenn Du ein Bild beginnst zu malen, hast Du irgendwelche Vorgaben an denen Du weiter arbeitest oder blank slate?

    Lyriost schreibt am 22.04.2009 um 12:59 Uhr:
    Lieber Herbert, Sie haben insofern recht, als es mir tatsächlich unangenehm ist, gelobt zu werden. Mit (begründeter) Kritik kann ich besser umgehen.

    Eine Variation der These Nietzsches? Glaub ich nicht. Erst einmal ist es so, daß sich natürlich die Thesen von Philosophen, mit deren Schriften ich mich beschäftigt habe, in meinem Denken ablagern. Wie sollte es auch anders sein.

    Aber dennoch beobachte ich selbst und empfinde selbst. Und es sieht so aus, als hätten die Menschen sich in den letzten Jahrhunderten nicht wesentlich geändert.

    Es stimmt nicht, daß Nietzsche gesagt hat, die Moral sei Ausdruck des Willens zur Macht. So gesehn, wäre das eine grobe Verkürzung seiner Ansichten, die ich im übrigen nur bedingt teile. Er hat unterschieden in „Sklavenmoral“, die Ausdruck von Furcht und Ängsten, von Ressentiments sei, und einer „Herrenmoral“, in der sich der Wille zur Macht zeige.

    Bei meinem Beitrag geht es jedoch nur um den alltäglichen Egoismus, dessen Beschreibung natürlich ebensowenig originell ist wie dieser selbst. Mir liegt aber ohnehin wenig am Originellen. 😉

    Lyriost schreibt am 22.04.2009 um 13:06 Uhr:
    Liebe Gretchen, mit den Bildern ist das unterschiedlich. Manchmal gibt es eine Anregung durch künstleriche Darstellungen, manchmal habe ich ein Bild im Kopf, etwa aus einem Traum, und bisweilen ist es so, daß ich in der Mitte des „Blattes“ anfange – mal sehen, was daraus wird. Und dann kommt am Ende etwas ganz anderes dabei heraus. Wenn ich Schichten übereinandermale, ist es oft so, daß die ersten Schichten zum Schluß vollständig überlagert und nicht mehr erkennbar sind.

    Liebe Grüße an „alle“

    Gretchen schreibt am 22.04.2009 um 13:38 Uhr:
    Danke, vorab, und bis bald.

    Gretchen

    Herbert schreibt am 22.04.2009 um 20:33 Uhr:
    Natürlich hat Nietzsche verschiedenes über die Moral geschrieben. Entgegen deinen Darlegungen leitete er die europäische Moral aber aus dem „Willen zur Macht“ der „Ohnmächtigen“ her (vgl. z.B. S. 140 ff. in „Europa im Denken Nietzsches“ von Ralf Witzler, veröffentlicht von Königshausen & Neumann, 2001). Und dies ist genau der Gedanke, der deinen letzten beiden Einträgen zugrunde liegt. Die Übereinstimmung ist so verblüffend, dass ich Zweifel daran hege, dass dem tatsächlich deine eigenen Beobachtungen zugrunde liegen.

    Lyriost schreibt am 22.04.2009 um 23:34 Uhr:
    Lieber Herbert, soweit ich Nietzsche kenne, hat er nie vom „Willen zur Macht der Ohnmächtigen“ gesprochen. Witzler kenne ich nicht. Deine Zweifel seien dir gestattet, aber meine Beobachtungen haben wohl eher nichts mit Nietzsche zu tun, sind aber auch nichts sonderlich Bemerkenswertes. Für mich eher akzidentiell. Der obige Beitrag übrigens ist zurückzuführen auf http://kommentare.zeit.de/user/nom-de-net/beitrag/2009/04/20/argumente-entscheidung-und-selbstverwir klichung.

    Ganz allgemein bin ich ein wenig skeptisch gegenüber moralischen Haltungen und frage mich stets, welche Interessen dahinterstecken. Das ist schon alles. Tut man dies, dann wird manches klar – mit oder ohne Nietzsche.

    Lyriost schreibt am 22.04.2009 um 23:39 Uhr:
    http://kommentare.zeit.de/user/nom-de-net/beitrag/2009/04/20/argumente-entscheidung-und-selbstverwir klichung

    Herbert schreibt am 23.04.2009 um 19:30 Uhr:
    Z.B. Friedrich Nietzsche „Zur Genealogie der Moral“, Erste Abhandlung: »Gut und Böse«, »Gut und Schlecht«, Kapitel 7, Auszug:
    „Die Juden sind es gewesen, die gegen die aristokratische Wertgleichung (gut = vornehm = mächtig = schön = glücklich = gottgeliebt) mit einer furchteinflößenden Folgerichtigkeit die Umkehrung gewagt und mit den Zähnen des abgründlichsten Hasses (des Hasses der Ohnmacht) festgehalten haben, nämlich »die Elenden sind allein die Guten, die Armen, Ohnmächtigen, Niedrigen sind allein die Guten, die Leidenden, Entbehrenden, Kranken, Häßlichen sind auch die einzig Frommen, die einzig Gottseligen, für sie allein gibt es Seligkeit – dagegen ihr, ihr Vornehmen und Gewaltigen, ihr seid in alle Ewigkeit die Bösen, die Grausamen, die Lüsternen, die Unersättlichen, die Gottlosen, ihr werdet auch ewig [780] die Unseligen, Verfluchten und Verdammten sein!«… Man weiß, wer die Erbschaft dieser jüdischen Umwertung gemacht hat… Ich erinnere in betreff der ungeheuren und über alle Maßen verhängnisvollen Initiative, welche die Juden mit dieser grundsätzlichsten aller Kriegserklärungen gegeben haben, an den Satz, auf den ich bei einer andren Gelegenheit gekommen bin (»Jenseits von Gut und Böse«: II 653) – daß nämlich mit den Juden der Sklavenaufstand in der Moral beginnt: jener Aufstand, welcher eine zweitausendjährige Geschichte hinter sich hat und der uns heute nur deshalb aus den Augen gerückt ist, weil er – siegreich gewesen ist…“

    Lyriost schreibt am 24.04.2009 um 08:23 Uhr:
    Hallo, Herbert,

    dabei ist doch der ganze Aufstand Nietzsches gegen das „Narkotikum“ der Moral nichts weiter als das Aufbegehren eines schwachen Menschen gegen des starken Schopenhauers Mitleidsethik. Nietzsche schreibt von „Mächtigkeit und Pracht des Typus Mensch“, die verhindert werde durch die Moral. Aber wozu Mächtigkeit und Pracht, da hört die Infragestellung Nietzsches auf. Im übrigen ist der „Sklavenaufstand“, muß ich noch mal sagen, nicht der „Wille zur Macht“, sondern das Streben nach priesterlicher Vorherrschaft. Ganz was anderes.

    Und noch was: Es fällt auf, daß Nietzsche in der „Genealogie der Moral“ ständig mit moralischen Kategorien operiert, wenn er vom Souverän spricht. So spannend der Versuch seines Blickes auf die Moral auch sein mag, letztlich ist es doch nichts anderes als eine Zurückumkehrung der Umwertung auf so etwas wie Stärkemoral oder die selbstgesetzte Moral des Stärkeren – ohne jede Begründung. Keine Überwindung der Moral. Auch Nietzsche predigt Moral. Schopenhauer sagt dazu in der „Preisschrift über die Grundlage der Moral“: „Moral predigen ist leicht, Moral begründen schwer.“

    highspeeddirt schreibt am 28.04.2009 um 09:05 Uhr:
    Der Wanderer auf Schlappen fürchtet sich nur (mit Recht) davor, von den gestiefelten auf die Zehen getreten zu werden (siehe tödlicher Skifahrerhelm, deutsche Automobile (=Panzer),…). Gebt allen Sandalen (das Zweckdienliche, nicht mehr und nicht minder) und die Sache hat sich 🙂

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