Hinterherdenken

Es ist schon erstaunlich, wie weit unsere Kultur des Hinterherdenkens, des Paraphrasierens und Zitierens entfernt ist von dem, was ich als Ausdruck menschlicher Denkfähigkeit betrachte. Kaum hat man einen eigenen Gedanken, wird nachgefragt, von wem er entliehen sein könnte, so als sei aufmerksames Selbst-Denken etwas Abseitiges, Unnatürliches.

Aber wen wundert das, ist doch schon der Begriff „Nachdenken“ doppeldeutig. Natürlich darf nicht übersehen werden, daß jede ernsthafte Beschäftigung mit dem Denken anderer ein Nach-Denken ist und unser eigenes Denken durch die Gedanken anderer angeregt und befruchtet wird und unsere Sichtweisen von ihnen beeinflußt werden. Aber ist das nicht von jeher so?

Wir müssen schon weit in die Antike zurückgehen, um auf Denker zu treffen, die bei ihrem Blick auf Welt und Menschen nicht auf den Schultern anderer standen.

Wandrers Neid

Wenn der Neid an ihnen nagt, entdecken die Menschen gern ihre ansonsten verborgene moralische Ader. So wird der Wanderer auf Schlappen geneigt sein, dem mit dem festen Schuhwerk vorzuwerfen, er zertrete mit seinen Füßen unnötig viele von den zarten Blumen und sein fester Tritt schade den Wurzeln des Weges über Gebühr. 

Dominanzstreben

Besonders ausgeprägt ist die Abneigung gegen dominantes Verhalten traditionell bei denen, die mit ihrem eigenen Dominanzstreben gescheitert sind. Da redet man gern der Gleichheit das Wort. Wortreich abgelehnt wird erhebendes Streben auch von jenen, die auf durch Dominanzverhalten ergatterten hohen Stühlen sitzen und spüren, wie es unter ihren Hintern vibriert, weil jemand die Säge angesetzt hat an ihre bequemen Sitzgelegenheiten. Besonders die Stuhlsitzer mit den kurzen Beinen werden leicht nervös und zappeln rum, wenn einer Hand an ihren Stuhl anlegt. Sie schreien Zeter und Mordio ob des bösen, unmoralischen Dominanzstrebens derer, deren Köpfe außerhalb der Reichweite von Fußtritten liegen.