Verteidigung der Ruhe

Was tun wir, wenn uns einer sagt, unser Urteil beruhe auf Vorurteilen und sei deshalb getrübt? Wir fühlen uns verurteilt und sprechen dem andern die Urteilsfähigkeit ab. So verteidigt das Denken seine Nachtruhe. Es ist so ähnlich, als wenn wir träumten, wir seien bereits aufgestanden und auf dem Weg zur Arbeit, obgleich wir noch faul im Bett herumliegen. 

Scheuklappenwechsel

Wenn man sich vornimmt, ohne Scheuklappen zu denken, merkt man schnell, wie schwierig das ist. Man ist es nicht gewohnt und außerdem eingebunden in die kulturellen und intellektuellen Traditionen der Kultur, in der man das Denken gelernt hat. Schnell rutscht man von einem Ideologem in ein anderes und merkt plötzlich, daß man nur die Scheuklappen gewechselt hat. Vielleicht ist der Versuch, frei zu denken, erst einmal nicht mehr als die Beschleunigung des Scheuklappenwechsels. Zumindest ein Anfang. Am Ende steht dann vielleicht die durchsichtige Scheuklappe, weil es uns nicht gelingt, auf das gewohnte Gefühl dieser Klappe zu verzichten. So wie wir nicht ohne Kleidung in die Öffentlichkeit gehen mögen.

Neid und Schadenfreude

Geboren aus dem Neid, mit dem sich die Menschen der wichtigsten ihrer Freiheiten berauben, nämlich der, sich nicht mit andern vergleichen zu müssen, ist die Schadenfreude die kleine Schwester der Grausamkeit. Schadenfreude ist so etwas wie eine Spielzeugpistole der Zahnlosen und Ohnmächtigen. Genau das richtige Spielzeug für die Guten, Lieben und Netten, um ihrer auch ihnen selbst häufig verborgenen, aus Neid erwachsenen grausamen Neigungen Herr zu werden. Sicherlich ein brauchbares Spielzeug, um Schlimmeres zu verhüten. Mini-Katharsis.