Hinter die Pentimenti schauen

Die Menschheit hat im Laufe vieler Jahrtausende ihre häßliche Realität bis zur Unkenntlichkeit zu übermalen versucht mit dem, was wir Kultur oder auch Zivilisation nennen, und mehr und mehr haben die Maler vergessen, was sie da tun, wenn sie den Pinsel in die Farbe tauchen und Schicht um Schicht auf die bereits vorhandenen Schichten auftragen. Vergessen haben die Kolorateure auch, daß unter all den Krakelüren, auf denen sie herumklecksen, und unter den diversen weißen Neugrundierungen allerlei Lasuren und die ursprüngliche Grundierung verborgen sind. Und unter der ersten Grundierung befindet sich eine Leinwand. Manchmal reicht es schon, das Bild mal umzudrehen und von hinten anzuschauen.

Eine Antwort auf „Hinter die Pentimenti schauen

  1. ZooStation schreibt am 26.03.2009 um 11:24 Uhr:
    Viele haben sich ein Bild von sich gemalt und wollen gar nicht dahinter blicken.

    Gretchen schreibt am 26.03.2009 um 12:59 Uhr:
    Ich mag die Arbeiten von Francis Bacon, der die umgekehrte Seite der Leinwand zum Malen gegenüber der „richtigen“ bevorzugte.

    Lyriost schreibt am 26.03.2009 um 13:22 Uhr:
    Du meinst den Iren, nehme ich an, aber auch der Engländer sah manchmal genauer hin. 😉

    Gretchen schreibt am 26.03.2009 um 13:29 Uhr:
    Und:
    Francis war vielleicht einer der figurativen Maler, die, bevor die Farbe Berührung mit der Leinwand hatte, hinter den leeren Anschein blickte, um die Farbe besser beurteilen zu können. Und probierte den Zufall und Unfall der Farbgestalt aus;
    nach meiner bescheiden Meinung gibt es in der Malerei kein Telos, außer das Dazwischen, in dem es verwickelt zugeht oder so ähnlich.

    Lyriost schreibt am 26.03.2009 um 13:54 Uhr:
    Ich muß gestehen, ich kenne wenig von ihm, aber was ich gesehen habe, ist faszinierend und erschreckend. „Realitäts“überformung durch Unbewußtes. Als blicke man in einen Traumspiegel.

    Gretchen schreibt am 26.03.2009 um 15:44 Uhr:
    Francis Bacon: Ich denke da an das Phänomen der Äquivozität, den ganzen Namen betreffend
    zitieren
    Lyriost schreibt am 26.03.2009 um 16:14 Uhr:
    Ich weiß ja, daß du gern mit Namen und Bedeutungen spielst, aber hier komme ich im Nebel nicht drauf, was du meinst.

    Gretchen schreibt am 26.03.2009 um 17:09 Uhr:
    Eigentlich wollte ich das als Frage formulieren. Das Fremdwort „Äquivozität“, was genau meint es? (Der Begriff kam mir heute beim Kreuzworträtsel in die Quere)
    Mir fällt das Wort „Strauß“ in diesem Zusammenhang ein; es besteht aus einer bestimmten Buchstabenfolge, es lassen sich daraus drei verschiedene Bedeutungen ableiten; Strauß als Blumenstrauß, Strauß als Kampf (von Streit) und Strauß als Vogelart. Wie verhält es sich bei den Eigennamen, wenn sie identisch sind. Inwiefern kommen Eigennamen eine Bedeutung zu wie z.B. beim Konkretum „Strauß“? – ich kann es nicht blöder ausdrücken.

    Lyriost schreibt am 26.03.2009 um 17:41 Uhr:
    Sorry, ich kann da nur sagen, daß ich keinen Speck mag. Und hier den Speck leider nicht riechen kann, obwohl ich mich gerade wie eine Maus fühle. 😉

    Gretchen schreibt am 26.03.2009 um 18:05 Uhr:
    Vielleicht liegt es an meiner Blödigkeit. ;-
    Entschuldige.
    Aber warum fühlst Du Dich wie eine Maus?

    Lyriost schreibt am 26.03.2009 um 18:22 Uhr:
    … weil man mit Speck Mäuse fängt. 😉

    Gretchen schreibt am 26.03.2009 um 18:43 Uhr:
    Ich bin aber ganz auf Deiner Seite, ich kann’s nicht erklären und ebenso nicht beweisen. Es ist reine Intution, die mich dazu veranlaßt, Dir zu vertrauen. Mag sein, daß ich Dir wie die Schlange in der Wüste vorkomme, aber dann jene, die Moses aus dem Staube erhoben und zum Wahrzeichen gesetzt hat, listig, aber nicht arglistig. Ich mag Dein Denken und Dein Schreiben, anderenfalls wäre ich nicht hier.

    Lyriost schreibt am 27.03.2009 um 10:04 Uhr:
    … 😉

    Gretchen schreibt am 28.03.2009 um 17:10 Uhr:
    zu 13: hast recht, entschuldige, vielleicht zu viel Emphase und Asymmetrie.

    Aber: Glaubst Du, daß es heute so etwas gibt oder jemals gegeben hat wie den Absolutheitsanspruch in der Kunst?
    Vergleichen wir Raffael mit Francis Bacon (unabhängig vom Kontext ihrer erlebten Gesellschaft), nur ihre Werke. Geht das überhaupt? Hölderlin und Ernst Jandl?

    Lyriost schreibt am 29.03.2009 um 11:04 Uhr:
    Von Absolutheitsansprüchen halte ich nichts, weder in der Kunst noch sonstwo. Und warum sollten wir Raffael mit Francis Bacon vergleichen? Und gar unabhängig von ihrer Zeit. Vergleichen sollten wir eher das Ähnliche und nicht das Unähnliche (wenn wir denn vergleichen wollen). Man kann jedoch auch anders vergleichen, und das scheint mir erfolgversprechender fürs postmoderne Bewußtsein: Jandl mit Zen und Hölderlin mit Erich Arendt. Heutiges Denken ist für mich Komponieren des Gedachten und Geschöpften mit dem Eigenen zu einem Unbekannt. Und das ohne eine Zielvorstellung.

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