Ganz erstaunlich, was passiert, wenn ich mich in einem Beitrag über den Vorwurf des Apodiktischen äußere. Einer findet meine Infragestellung der Relevanz des Apodiktischen apodiktisch und bietet mir eine andere Herangehensweise und ein anderes Denken an, will mir einen anderen Denkort, nämlich seinen, zuweisen, natürlich ohne sich der Mühe einer Begründung zu unterziehen, und ist beleidigt, wenn ich nicht darauf eingehe. Ein anderer wiederum hält meine Sprache für elaboriert und gibt mir in stilistisch und lexikalisch ungehobelter Sprache, gewürzt mit mannigfaltigen Beleidigungen und Unterstellungen, gute Ratschläge, wie ich meinen Stil – und damit mein Denken – ändern könne. Und sie merken nicht, wie unverschämt, intolerant und rücksichtslos sie sich verhalten, wenn sie ihr eigenes Denken oder Sprechen zur kognitiven oder sprachlichen Norm erklären, an der ich mich zu orientieren hätte.
MariaHilf schreibt am 19.03.2009 um 08:56 Uhr:
man muss wohl nachdenken, wenn man liest was du schreibst – ich mag das….mach mir aber nicht immer die Mühe…..aber es macht mich weit im Kopf, wenn ich sie mir mache!….Inspiration! – danke dafür
Brises schreibt am 19.03.2009 um 09:35 Uhr:
Welche Auffassung über die Sprache hat ein Logiker im Unterschied zu einem Dichter? Und welche Konsequenz muß sich daraus für beide in der Ausübung ihres Berufs ergeben? Denken beide am selben „Ort“?
Lyriost schreibt am 19.03.2009 um 15:31 Uhr:
Tolle Frage. Darüber muß ich nachdenken. Aber an welchem Ort? Vermutung: verschiedene Aggregatzustände.
Brises schreibt am 19.03.2009 um 16:17 Uhr:
An welchem Ort? Hier. Wo die Temperaturen stets konsequent und optimal zu sein scheinen, und das Denken und Schreiben Ausdrucksformen spiegeln, welche Surrogate einer Erfahrung der Annäherung des Geistes (wenn auch nur vage) gegenüber dem Unaussprechlichen (dem Heiligen) sein könnten.
Dieser Ort gefällt mir. Hier ist ein Denken und Schreiben. Andernorts störte mich die faule Wärme und die wimmende Flut, das Kleben am Eigenen und das hastige Sich-Mitteilen in profanen wie überprofanen Dingen.
Freue mich auf den schreibenden Denkfluß.
Ich bin geöffnet.
Brises schreibt am 19.03.2009 um 17:39 Uhr:
wimmernde Flut… (7. Zeile)
Brises schreibt am 19.03.2009 um 18:18 Uhr:
Lyriost, habe Sie … verstanden (denke ich). Tolle Vermutung.
Orten wir gemeinsam.
Lyriost schreibt am 19.03.2009 um 18:36 Uhr:
Sehr gern, Brises, ich genieße gerade wieder mal die Intimität dieser Umgebung, fern von der „wimmernden Flut“. Sie haben ganz recht mit Ihrer Charakterisierung. Und mir fällt es wie Schuppen von den Augen, wie schnell man sich doch im Trubel verlieren kann. Ich erinnere mich gerade an den letzten Besuch in einer menschenleeren Kirche, die Stille, nur hin und wieder ein wenig knarrendes Holz. Sehr beruhigend, wenn da nicht das große Kreiz mit dem Leichnam wäre …
Brises schreibt am 19.03.2009 um 18:45 Uhr:
Zwei Fragen:
Warum haben Sie sie (die Kirche, die ohne Menschen war) besucht?
Was konnten Sie anderes hoffen als ein Kreuz zu erblicken?
Lyriost schreibt am 19.03.2009 um 19:50 Uhr:
Nun ja, Kindheitserinnerungen, die Kirche befindet sich in dem Ort, wo ich geboren bin. Es ist eine überaus große Kirche, sehr alt, so Mitte des 13 Jahrhunderts fertiggestellt.
Der eigentliche Grund, weshalb ich sie manchmal, wenn ich dort bin, aufsuche, ist die Ruhe und Weltabgeschiedenheit.
Religiöse Motive im üblichen Sinne gibt es bei mir nicht, jedenfalls keine vordergründigen.
Brises schreibt am 19.03.2009 um 20:22 Uhr:
Ruhe und Weltabgeschiedenheit?
Viele Menschen suchen heute Zerstreuung, mehr denn je.
Wieder zwei Fragen:
Ruhe vor was?
Abgeschieden von der Welt, warum?
zitieren
Brises schreibt am 19.03.2009 um 20:38 Uhr:
Anmerkung zu 10:
Die wenigsten der oben erwähnten Zertstreuten halten sich an alte Weisheiten: Mēden agān (zum Beispiel). Aber ich kann mich ebenso irren.
Brises schreibt am 19.03.2009 um 20:58 Uhr:
Anmerkung zu 11:
Aber die Mythologie kennt grausame Motive und gibt ihnen ein Sprechen aus den Tiefen bis zu den Höhen:
Mẹ̄nin aeịde, theạ, Pēlẹ̄iadeọ̄ Achilẹ̄os .
Lyriost schreibt am 19.03.2009 um 22:30 Uhr:
Achilleus fragt Brises: Wo ist Hippodameia von Lyrnessos, die ihm Zugesprochene?
Brises schreibt am 19.03.2009 um 23:13 Uhr:
Briseis weilte in Lyrnessos, von wo sie Achilleus stahl und sie wie einen Liebling aufnahm.
Gruß
Brises
Brises schreibt am 19.03.2009 um 23:51 Uhr:
Nun wieder zu den Fragen, lieber Lyriost:
Ruhe (vor was)?
Abgeschieden (von der Welt)?
Gedanken: bitte denke, schreibe, lichte in das Dunkel.
Liebe Grüße Brises
Lyriost schreibt am 20.03.2009 um 09:20 Uhr:
Ja, das ziellose Gewimmel hat schon manchmal etwas Surreales. Wie empfinden Sie Ihre Umwelt, werte/werter Brises?
Brises schreibt am 20.03.2009 um 13:22 Uhr:
Gewimmel. Ein Auftauchen von zu vielem, das ablenkt, und jener Quanitität haftet etwas Unbeugsames und sich wichtig Machendes an. In solchen Momenten suche ich gern die Einsamkeit.
Gruß
Brises
Brises schreibt am 20.03.2009 um 16:53 Uhr:
Umwelt?
überwiegend ambivalent.
Grüße von
Brises
Lyriost schreibt am 20.03.2009 um 18:01 Uhr:
Ablenkung, sagst du. Aber Ablenkung wovon? Auf was lenkst du zu, wenn du nicht abgelenkt bist?
Für mich bedeutet Gewimmel Anstrengung, weil ich mich in irgendeiner Weise mit ihm auseinandersetzen muß. Ich muß reagieren, Zuvorkommenheit zeigen oder Abwehr, je nachdem.
Brises schreibt am 20.03.2009 um 18:58 Uhr:
Gute Frage. Ich will Begegnung in der Lichtung, den entholzten Weg gehen zum Erkennen, wer ich sein könnte.
Gewimmel ist notwendig, weil dieses verhindert, daß ich mich nur noch um mich selbst drehe.
Ich folge dir darum: Gewimmel ist Arbeit in der Auseinandersetzung, ein Beurteilen und Handeln.
Ablenkung dagegen ist Gehölz, Sperrung und Verstrickung, daß auf den Weg Gefallene, daß den Hinfall des Wanderers provozieren könnte. Den Weg-Gehen bedeutet für mich zu orten wo die Lichtung trifft, in der ich etwas Sinnvolles zu empfangen hoffe.
Deine Erfahrung in der Kirche war ähnlich wie meine in der Krypta St. Honorat (nur ohne Kreuz).
Grüße von Breses
Brises schreibt am 20.03.2009 um 19:17 Uhr:
Grüße von Brises (nicht Breses), sorry.
Lyriost schreibt am 21.03.2009 um 00:09 Uhr:
Das auf den Weg Gefallene bedeutet jedoch auch Innehalten, Sprünge, möglicherweise die Suche nach Umgehungswegen. Ob wir auf eine Lichtung treffen, wissen wir nicht, noch was eine Lichtung tatsächlich ist. Wir haben zwar eine Vorstellung von ihr, könnten uns aber auch gewaltig irren. So mancher steht vielleicht im Licht und räsoniert über die Dunkelheit. Und es ist ebenso einer denkbar, der sich von Licht umflutet wähnt, während er durch tiefste Finsternis stolpert.
Brises schreibt am 21.03.2009 um 00:44 Uhr:
Dein Bedenken gibt mir ein Denken, das ich gern aufnehme. Ich glaube darin eine konsequente und wahrhaftige Form des menschlichen Voran-Schreitens in jenen Gängen zu erkennen, in welchen der Mensch in seinem Streben leicht zu irren pflegt. Grazie, Lyriost.
Ganz liebe Grüße an Dich
von Brises
LikeLike