Können Lahmköpfe eigentlich intelligentere Menschen als gleichwertig erkennen?

Was wie eine dumme Frage wirkt, ist tatsächlich eine ernstgemeinte parodistische Umdeutung einer ähnlichen Frage, die da lautete »Können Atheisten eigentlich alle Menschen als gleichwertig erkennen?«.

Die meisten Menschen mit ausgeprägtem Intellekt sind nach meinen Erfahrungen willens und in der Lage, weniger intellektuell geprägten Mitmenschen die gleichen Grundrechte zuzugestehen wie sich selbst, und bereit, die anderen trotz unterschiedlicher Fähigkeiten als essentiell gleichwertige Menschen zu betrachten. Das ist so, weil die intellektuellen Menschen, wenn sie nachdenken, was sie ja ganz gut können, zu dem Schluß kommen, daß intellektuelle Fähigkeiten zwar eine feine Sache sind, aber eher eine akzidentielle und daß es eine unfeine Herangehensweise wäre, den Wert des Menschen nach seinen Fähigkeiten und seiner Nützlichkeit zu bemessen. Und das nicht etwa nur aus moralischen Gründen, sondern durchaus aus egoistischen, denn der intelligente Mensch ist sich klar darüber, von heute auf morgen seine eigenen Fähigkeiten und seine Nützlichkeit einbüßen zu können, was ihn den Fähigkeits- und Nützlichkeitserwägungen anderer ausliefern würde.

Nun gibt es weniger intelligenzgeplagte Zeitgenossen, die, weil sie sich selbst oftmals für intelligenter und nützlicher halten als andere, schon mal in Frage stellen, daß andere ihnen gleichwertig sind, etwa weil die andern eine andere Hautfarbe haben, einen anderen Dialekt sprechen, körperbehindert sind oder sonstwie abweichen von der selbsterfundenen Norm des Menschlichen. Was nun, wenn die so in Frage gestellten Menschen über besondere Geistesgaben verfügen, die diejenigen derer übersteigen, die – wegen der genannten akzidentiellen Unterschiede Hautfarbe, Dialekt, körperliche Unversehrtheit – glauben, sie selbst seien etwas Besseres? Können die weniger Intelligenten nun erkennen, daß hier durch den Ausgleich im Akzidentiellen Gleichwertigkeit erreicht ist? Etwa: »Er kann zwar nicht laufen, aber dafür hat er einen scharfen Verstand.« Oder reichen die Geistesgaben der Bewerter dafür nicht aus? Konkret gefragt: Wird ein intelligenter Mensch von einem weniger intelligenten als intelligenter Mensch erkannt? Und wenn ja: Auch dann, wenn der intelligente Mensch ein Asylbewerber ist?

Noch einen Schritt weiter zu gehen und zu begreifen, daß die Essenz des Menschlichen nicht mit dem Zollstock der Nützlichkeit oder Fähigkeit, also im akzidentiellen Bereich, gemessen werden kann, wäre natürlich zuviel verlangt, das gebe ich gern zu. Ob nur ein feinfühlender Mensch im andern den fühlenden Menschen erkennt, ganz ohne alle Intelligenz, wäre eine weitere, vielleicht noch wichtigere Frage.

5 Antworten auf „Können Lahmköpfe eigentlich intelligentere Menschen als gleichwertig erkennen?

  1. MariaHilf schreibt am 27.02.2009 um 12:00 Uhr:
    ich…auf dem genannten Holzweg mich befindend, danke dir für deine Beiträge und denke nach….Wertigkeiten…mein Kopf? nützt nicht sooo viel…und meine Empfindlichkeit? macht mich offensichtlich zu nem harten Gegenüber – manchmal

    Isa schreibt am 06.03.2009 um 02:36 Uhr:
    Lieber Lyriost,

    ein Auszug aus dem Buch „Briefe und Botschaften“ von Abdu´l Bahá, dem Sohn des Begründers der Bahai – Religion (zB bahai.de). Das Buch ist vollständig auch zu finden in der wunderbaren Literatursammlung (ein Querschnitt der bedeutendsten Bücher aus den Weltreligionen) von „Ocean“ (kostenlos herunterladbar) auf: http://www.bahai-education.org/ocean .

    Ich bin seit etwa 25 Jahren Bahai und zu Deiner Fragestellung zum gegenseitigen oder eben nicht-gegenseitigen Erkennen verschiedener -zB – Intelligenzstufen, fiel mir folgende Stelle aus unserer Literatur ein, die ich nicht ganz aus dem Zusammenhang reissen und daher etwas umfänglicher hier einfügen möchte. Der Hintergrund zum Text war hier die Frage, ob Gott existiert und ob der Mensch diesen erkennen kann.

    „Wenn du darüber sorgsam nachdenkst, wirst du erkennen, daß eine niedrigere Stufe niemals die höhere erfassen kann. Dem Mineralreich, das niedriger ist, ist es beispielsweise versagt, das Pflanzenreich zu erfassen; dem Mineral wäre jedes derartige Verständnis ganz unmöglich. Ebenso erlangt das Pflanzenreich, wie weit es sich auch entwickeln mag, keine Vorstellung vom Tierreich, und jedes derartige Verständnis wäre auf seiner Stufe undenkbar; denn das Tier steht eine Stufe höher als die Pflanze: Dieser Baum hat keine Vorstellung von Hören und Sehen. Das Tierreich, wie weit es sich auch entwickeln mag, begreift niemals die Wirklichkeit des Verstandes, der das innere Wesen aller Dinge entdeckt und unsichtbare Wirklichkeiten erfaßt; denn verglichen mit der des Tieres, ist die Stufe des Menschen sehr hoch. Auch wenn all diese Wesen in der bedingten Welt nebeneinander bestehen, verhindert die Verschiedenheit ihrer Stufen, daß sie das Ganze begreifen; denn keine niedrigere Stufe kann eine höhere verstehen. Solches Verständnis ist unmöglich.

    21.3
    Die höhere Stufe aber versteht die niedrigere. Das Tier erfaßt zum Beispiel das Mineral und die Pflanze, der Mensch versteht die Stufen des Tieres, der Pflanze und des Minerals. Das Mineral indes kann keinesfalls die Reiche des Menschen verstehen. Und trotz der Tatsache, daß alle diese Wesenheiten in der Welt der Erscheinung nebeneinander bestehen, kann keine niedrigere Stufe jemals eine höhere erfassen.

    21.4
    Wie könnte es da einer bedingten Wirklichkeit – und das ist der Mensch – möglich sein, das präexistente Sein, das Göttliche dem Wesen nach zu verstehen? Der Stufenunterschied zwischen dem Menschen und der göttlichen Wirklichkeit ist abertausendmal größer als der Unterschied zwischen Pflanze und Tier. Und was der Mensch in seinem Geist heraufbeschwören kann, ist nur das aus geschmückte Phantasiebild seiner menschlichen Beschaffenheit; es umfaßt nicht Gottes Wirklichkeit, sondern wird von ihr umfaßt. Das heißt, der Mensch begreift seine eigenen Einbildungen, aber die Wirklichkeit des Göttlichen kann niemals begriffen werden. Sie umfaßt ihrerseits alles Erschaffene, und alles Erschaffene liegt in ihrer Hand.“

    Einen lieben Gruß,

    Isa

    Lyriost schreibt am 06.03.2009 um 10:09 Uhr:
    Vielen Dank, Isa. Das ist sehr schön und klar und deutlich. Liebe Grüße zurück

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  2. „Die meisten Menschen mit ausgeprägtem Intellekt sind nach meinen Erfahrungen willens und in der Lage, weniger intellektuell geprägten Mitmenschen die gleichen Grundrechte zuzugestehen wie sich selbst, und bereit, die anderen trotz unterschiedlicher Fähigkeiten als essentiell gleichwertige Menschen zu betrachten“
    Das finde ich ein bisschen lustig, nicht nur, weil es sich gar nicht mit meiner Erfahrung deckt, sondern weil du ja offensichtlich selbst auch Schwierigkeiten damit hast.
    Aber wahrscheinlich meinst du es einfach anders, als ich es verstehe.

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  3. Wenn sich das nicht mit deinen Erfahrungen deckt, Muriel, dann hast du vielleicht einen merkwürdigen Freundes- oder Bekanntenkreis oder eine andere Vorstellung von Intellektualität als ich. Aber was genau ist „lustig“ daran? Und inwiefern habe ich deiner Meinung nach „damit“ (womit genau?) Schwierigkeiten? Und wieso noch dazu „offensichtlich“? Also wäre jetzt eine Antwort schön auf meine konkrete Frage: Womit habe ich deiner Meinung nach offensichtlich Schwierigkeiten? Mir ist das nämlich nicht bekannt – trotz Offensichtlichkeit und Lustigkeit. Bin gespannt. 😉

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  4. Mag sein. Aber du bist außerdem noch nicht interessiert an einem aufrichtigen Austausch, deswegen denke ich mal, ich tue uns beiden einen Gefallen, indem ich uns die Zeigeranwendung spare, jetzt noch ein paar Iterationen so zu tun, als würden wir miteinander reden.
    Horrido, schönes Wochenende!

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