Wenn wir uns allzusehr mit unseren Meinungen identifizieren, laufen wir Gefahr, sie für Wissen zu halten. Dieses Scheinwissen lähmt uns und nimmt dem Prozeß der Meinungsbildung alle Dynamik. Wir prüfen nur noch, ob unsere Erlebnisse und Wahrnehmungen unser Wissen bestätigen, und nicht mehr, ob unser Wissen mit den neuen Erfahrungen übereinstimmt. Im ungünstigsten Fall wissen wir über das Bescheid, was geschieht, ohne unsere äußere Wahrnehmung ins Bewußtsein zu heben, ja wir können es nicht, weil uns unser Bewußtsein signalisiert, Neuaufnahmen seien nicht nötig, da alles, was an die Tür klopft, bereits bekannt und bewertet sei. Keineswegs wegen Überfüllung geschlossen, sondern geschlossene Gesellschaft.
Zwischenweltler schreibt am 05.12.2008 um 11:11 Uhr:
Ein psychologisches Gesetz: Assimilation [die Integration eines Gegenstands menschlicher Erfahrung in ein kognitives Schema] kommt immer vor Akkomodation [die Anpassung eines kognitiven Schemas an neue Erfahrungen].
Eher passe ich neue Infos meinen vorhandenen Schemata an, als dass ich meine Schemata ändere.
…aber Du hast das viel schöner formuliert. 😉
Lyriost schreibt am 05.12.2008 um 12:19 Uhr:
Du auch, Zwischenweltler? 😉
Zwischenweltler schreibt am 05.12.2008 um 12:55 Uhr:
…aber sicher doch! Wer nicht?
Diese nüchtern intellektuelle Beschreibung dieses Musters bekam ich einmal – und das durchaus berechtigt – vor den Kopf geknallt. Aber es war in gewisser Weise heilsam, denn es ist gut, sich dieses nur allzu menschliche Verhalten immer mal wieder vor Augen zu führen. 😉
Unbreakable schreibt am 08.12.2008 um 22:06 Uhr:
Kann mir ja nicht passieren. Weil ich ein Mädchen bin. Des Mädchens zweiter Vorname: Widerspruch. Mein Geschwätz (meine Meinung) von gestern, hat schon heut keine Bedeutung mehr. Hach … wie schwer hat’s ein Junge dagegen.
Lyriost schreibt am 08.12.2008 um 23:40 Uhr:
Solange er kein Mädchen hat, hat’s jeder Junge leicht … 😉
Unbreakable schreibt am 09.12.2008 um 22:57 Uhr:
(Ir)Realistisch gesehen, könnte er es bleiben, hielte er sich an die leichten Mädchen. ;o)
maxnix schreibt am 13.12.2008 um 03:20 Uhr:
1. Wenn ich widerspenstige Gegenstände meiner Erfahrung passend mache und in mein kognitives Schema hämmere, riskiere ich ausser schleichender Verblödung nicht viel. Fummle ich dagegen an meinen Schemata herum, die ja innig miteinander verwoben meine gesamte Welt darstellen, fällt mir am Ende der Himmel auf den Kopf. Deshalb sind Konservative nach 80 Jahren meistens strohdumm, aber glücklich und haben alle anderen um Jahre überlebt.
2. @ Unbreakable: Das ‚Was schert mich mein dummes Geschwätz von gestern‘ stammt m.W. von Adenauer. Aber vielleicht war der nur ein verhindertes Funkenmariechen.
Unbreakable schreibt am 14.12.2008 um 19:34 Uhr:
So mancher übersieht, dass das Progressive und das Konservative potentielle Wesenszüge des Individuums sind. Sie bedingen einander dialektisch. Nach welcher Richtung der Pendel ausschlägt hängt nicht nur von den Bedürfnissen sondern vor allem von der Sättigung dieser Bedürfnisse ab. Wer Konservative als strohdumm aber glücklich bezeichnet, ist übersättigt. Maxabernix, er merkt’s ja selbst nicht.
M.E. gibt es keinen Gedanken, der noch nicht gedacht wurde; auch Adenauer hat nur abgekupfert, ob als verhindertes Funkenmariechen sei dahingestellt.
Lyriost schreibt am 14.12.2008 um 19:52 Uhr:
Wenn man es mit der Dialektik ernst meint, kann man nicht sagen, es gäbe keinen Gedanken, „der noch nicht gedacht wurde“, denn da es eine dialektische Interaktion zwischen einer sich verändernden Welt und sich verändernden Individuen gibt, müssen zwangsläufig hin und wieder neue Gedanken entstehen. Außerdem stellte sich, wenn alles nur „abgekupfert“ wäre, die Frage, wann der letzte neue Gedanke in die Welt kam. Wenn das mit den abgekupferten Gedanken stimmte, dann frage ich mich, wo zum Beispiel Einstein „abgekupfert“ hat und weshalb das Internet nicht schon früher erfunden wurde.
Der Gedanke, alles sei nur abgekupfert, ist zwar ein abgekupferter, aber auch ein fehlerhafter Gedanke: Viele haben das schon gesagt, angefangen bei Salomon, glaube ich, richtiger es es dadurch allerdings nicht geworden. Ich vermute, der Gedanke, alles sei nur abgekupfert, ist von jemandem in die Welt gesetzt worden, dem das eigenständige Denken schwerfällt oder der aus Bequemlichkeit darauf verzichtet. 😉
Unbreakable schreibt am 14.12.2008 um 20:15 Uhr:
Das ist nur der konservative Zug … an dem kann sich dann das Progressive reiben ;o).
Einstein muss seit Jahrzehnten herhalten … ist es nicht mal wieder an der Zeit für einen neuen Gedanken?
Und wahrhaft, ich ergetz mich an den Gedanken anderer und seien sie noch so alt – zumal auf mich erstere Theorie wohl zutrifft – allein das Denken fällt mir schwer. ;o)
Lyriost schreibt am 14.12.2008 um 21:41 Uhr:
Zur Entlastung Einsteins seien genannt: Konrad Zuse, Watson und Crick, Ken Wilber mit seiner integralen Theorie, Sheldrake mit seinen morphischen Feldern, die Neurowissenschaften, Edward Lorenz und die Chaostheorie, James Lovelock, stellvertretend für viele andere Picasso und die Rolling Stones, Stockhausen usw. usf.
Es gibt zu jeder Zeit mehr neue Gedanken, als jeder von uns wahrnehmen kann. Und dann gibt es noch, bei manchen, unter dem Schutt des Anerzogenen und Angelesenen, das Eigene. Man muß es nur rauskramen. 😉
Unbreakable schreibt am 14.12.2008 um 21:47 Uhr:
Wenn man bei all diesen „das Eigene“ zu sehen glaubt, sieht man am Tatsächlichen vorbei. Auch die Simpsons arbeiten nur Vorhandenes auf. (Zu meiner Entlastung sei gesagt … die meisten kenn ich gar nicht) ;o)
Unbreakable schreibt am 14.12.2008 um 21:52 Uhr:
P.S.
Das meinte ich mit neuen alten Gedanken … chaostheoretisch werd ich mich kundig machen – das passt begriffsmäßig … der Rest muss warten, ggf. bis er schwarz wird.
Danke für den/die Tip(p)/s
Lyriost schreibt am 14.12.2008 um 21:57 Uhr:
Wie kann man am „Tatsächlichen“ vorbeisehen, wenn man noch nicht geschaut hat? Und woher will man wissen, was das „Tatsächliche“ ist? 😉
Unbreakable schreibt am 14.12.2008 um 22:02 Uhr:
Treib mich nicht in die Enge!!!!
Das fühlt man (wenn man ein Mädchen ist) ;o)
Zwischenweltler schreibt am 14.12.2008 um 22:02 Uhr:
Zugegeben, auch ich durchlebte schon Phasen, in denen ich den Eindruck hatte, es gäbe keine neuen Gedanken mehr. Bestenfalls neu Varianten längst bekannter Gedanken.
Heute weiß ich, woher dieser Eindruck kommt: Aus der Gefangenschaft in sich selbst. In der Verfolgung immer gleicher Gedankenkreise, die sich mit dem Muster der Assimilation nicht durchbrechen lassen.
Das Ausbrechen aus diesen Kreisen ist ein einziger Schritt – der Schritt des Zulassens, der Schritt des Einlassens. Angst verspürt der Mensch, wenn ihm Neues begegnet. Das war schon immer so. Doch diese Angst zu überwinden, ist kein Kunststück – es ist Fortschritt.
Unbreakable schreibt am 14.12.2008 um 22:08 Uhr:
Waren deine Eltern früher nicht wütend genug auf dich oder zu wütend, Zwischenweltler, dass du erst später lerntest?
Ups … das war böse!
Zwischenweltler schreibt am 14.12.2008 um 22:11 Uhr:
Ich lerne aus innerem Antrieb. Du verweigerst Dich. Das ist bitter.
Unbreakable schreibt am 14.12.2008 um 22:16 Uhr:
Ich stellte eine Frage, du stellst eine unbewiesene These auf.
Das Bittere ist in dir.
Zwischenweltler schreibt am 15.12.2008 um 08:43 Uhr:
Die erste These (die sich übrigens leicht als unbegründeter Angriff interpretieren ließe) kam von Dir, beste Unbreakable, auch wenn Du sie als Frage getarnt hast. Und selbst wenn – selbst wenn ich zwischen Wut und nicht Wut aufgewachsen wäre, selbst wenn ich erst spät mit dem Lernen begonnen hätte – gäbe es keinen Grund für mich, nach Entschuldigugngen zu suchen, weshalb ich daran NICHT zerbrochen bin.
Du hingegen erscheinst mir desillusioniert. Das meinte ich mit „bitter“. Mag sein, daß ich mich täusche. Doch auch manche Jungs besitzen weibliche Intuition. 😉
Unbreakable schreibt am 15.12.2008 um 10:12 Uhr:
Du irrst, Zwischenweltler, weder greife ich an, noch bin ich desillusioniert. Jene „These“, die du „leicht als unbegründeten Angriff interpretieren“ könntest, war und ist schlicht eine Frage – auf deren Beantwortung ich natürlich nicht bestehe. ;o)
Manch Mädchen fehlt`s halt an der weiblichen Intuition. ;o)
Zwischenweltler schreibt am 15.12.2008 um 10:24 Uhr:
„Ups… das war böse!“ …. Du bist scheinheilig, meine Beste!
Aber das Thema „Scheinheiligkeit“ überlassen wir doch lieber dem Hausherren hier. Dazu gab’s schon mal einen sehr interessanten Eintrag.
Unbreakable schreibt am 15.12.2008 um 10:28 Uhr:
Na na … das war lediglich der fehlgeschlagene Versuch, eine Antwort zu provozieren. Heilig im Zusammenhang mit mir passt nicht mal mit einem „Schein“ davor. ;o)
Irgendwann find ich den „scheinheiligen“ Eintrag des Hausherrn. :o)
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