Gedanken und Stil

Die Gedanken sind frei. Das sagt sich so leicht. Aber was heißt das? Unsere Gedanken sind ein unentwirrbares chaotisches Gewusel, von dem wir nur einen kleinen Teil mitbekommen, denn wenn wir sie lassen, halten sie sich nicht an die Vorgaben irgendeiner Gedankenverkehrsordnung, sie sind wie eine Herde Wildpferde, die durch unseren Kopf galoppiert, sich trennt, mit anderen Herden vereinigt und wieder trennt …

Wir schauen dem, wenn wir mal zur Ruhe kommen, fasziniert oder auch beängstigt zu und staunen über die Vielfalt der Farben und Formen. Und wenn wir genauer hinsehen, stellen wir verwundert fest, daß sich ständig Eigenes mit Fremdem vermischt, ja, daß wir bei der Betrachtung gar nicht unterscheiden können zwischen Autochthonen und Eroberern: Verkleidete Kolonialisten und Missionare haben sich unter die Eingeborenen gemischt.

Da bleibt uns nichts übrig, als die Gedanken einzufangen, um sie genauer zu betrachten, sie in unsere eigene Ordnung zu bringen, notfalls auch zu zwingen. Nur wer die Gedanken in seinem Kopf einfängt und domestiziert, Fremdes vom Eigenen trennt, kann davon sprechen, daß seine Gedanken (wenigstens ein bißchen) frei sind.

Also fangen wir die Gedanken ein, versehen sie mit dem Brandzeichen unseres eigenen Stils und lassen sie wieder frei.

Eine Antwort auf „Gedanken und Stil

  1. grenzgaenger schreibt am 16.05.2008 um 11:29 Uhr:
    ich kann mich des leidigen gefühls nicht erwehren, daß es eine vielzahl von menschen zu geben scheint, die herzlich gerne auf die tätigkeit der gedankenindividualisierenden bereiche ihres hirns verzichten. bestenfalls werden die ausformulierten gedanken anderer syntaktisch ein wenig verändert ausgespuckt. manche machen das bewußt, aus faulheit, manche merken es nicht einmal. ich bin mir noch nicht sicher, welche kategorie von individualgedankenverweigeren ich nervtötender finden soll.

    ich für meinen teil greife durchaus gerne explizite gedanken anderer auf, finde es jedoch extrem schwierig, die grenze zu ziehen zwischen un- oder bestenfalls halbverdautem und individualverdautem wieder ausscheiden eben jener.

    diese grenzen zu definieren, zu ziehen, liegt jedoch im auge des betrachters bzw. der betrachter. was ich für eigenes gedankengut halte, mag ein anderer immer noch für abgekupfert oder für nicht wirklich durchdacht halten. das jedoch würde ich wiederum in die kategorie kommunikations-immanent verfrachten. ganz befreien kann man sich davon wohl nicht. womit wir wieder bei der freiheit der gedanken angelangt wären…von den neuesten thesen der neuro- und kognitionswissenschaften diesbezüglich will ich hier gar nicht erst anfangen 🙂

    spannend.

    Lyriost schreibt am 16.05.2008 um 11:46 Uhr:
    Die Individualität besteht nicht so sehr darin, was einer denkt, sondern wie er es denkt. Neue Gedankeninhalte sind etwas sehr Seltenes. Auf das unverwechselbare Brandzeichen kommt es an. 😉

    grenzgaenger schreibt am 16.05.2008 um 13:48 Uhr:
    sagte ich das nicht bereits? oder so ähnlich? oder habe ich mich falsch verstanden? oder womöglich dich? oder noch schlimmer? habe ich deine oben stehenden gedanken lediglich wiederholt? sprache, ich sags ja. meinen dein brandzeichen und meine verdauung das selbe? oder das gleiche? himmel. jetzt wirds kompliziert. du entschuldigst mich? ich muss mal kurz in mich gehen und die funktionalität meines zerebralen sprachverdauungsapparats überprüfen…

    Lyriost schreibt am 16.05.2008 um 15:25 Uhr:
    Die Verdauung entspricht dem selektiven Blick und geht dem Brennen voraus. Fragt sich nur, wer oder was da mit welcher Intention blickt und wie groß der Abstand ist. Womit wir bei der Psychoanalyse wären …

    grenzgaenger schreibt am 16.05.2008 um 16:27 Uhr:
    einspruch. ohne selektiven blick keine verdauung. und die individualität der intention (von der SELBSTanalyse mal abgesehen) und somit letztendlich der ausscheidung ist vom abstand abhängig. womit ich wiederum irgendwie bei den hühnern geladet wäre.

    Lyriost schreibt am 16.05.2008 um 16:49 Uhr:
    Einspruch wogegen? Hier überlappen sich nur die Metaphern. Verdauung ist doch als Ganzes ein selektiver Vorgang, Spalterei: Das eine wird hier deponiert, das andere dort, und der Rest wird als Bob in die Bahn geschickt. Womit ich beim Ei wäre. 😉

    grenzgaenger schreibt am 16.05.2008 um 17:22 Uhr:
    ich gebe dir zähneknirschenderweise recht bezüglich der selektivität der verdauung, die das einverleibt haben ja dann doch schon irgendwie impliziert. auch mit dem hochsprung in den tiefen der tropen sollte man es nicht übertreiben. schon gar nicht, wenn man dabei gefahr läuft, einen eiertanz zu veranstalten.

    naja, solange man sich bezüglich des eiertanzes (…) eine gewisse individualität bewahrt ;-)…

    ich werde jetzt mal meine machete hervorkramen, und ein wenig licht ins tropische dickicht, das mich gerade umgibt, bringen.

    insgesamt ist das ein höchst spannendes und komplexes thema. freiheit und individualiät vs. determiniertheit von gedanken und gefühlen, die man diesbezüglich ja eigentlich ebenfalls nicht außer acht lassen darf…ähhh, sind emotionen gedanklich determiniert? oder andersherum? können sie unabhängig voneinander existieren? und überhaupt: wer oder was ist das determinierende agens? wo bin ich denn jetzt wieder gelandet? in der philosophie? beim glauben? in der psychologie oder doch in den neurowissenschaften? hilfeee…. 😉

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