Qualitätsjournalismus 2

Der Spiegel schreibt:

Medizin ist männlich, schon seit Jahrhunderten. Anatomische Forschung, die Dosierung von Medikamenten oder krankheitstypische Symptome: Maßstab ist der männliche Körper. Für Frauen kann das tödliche Folgen haben.

Trotz dieser alarmierenden Zustände mit tödlichen Folgen werden Frauen hierzulande durchschnittlich allerdings fünf Jahre älter als Männer. »Frauen sind bei derselben Krankheit im Schnitt vier Jahre älter als Männer, wenn sie die Diagnose bekommen.«

Und trotzdem leben sie länger. Darüber sollte man mal nachdenken. Das hat man wohl getan. Ergebnis:

»Ein Großteil der zeitlichen Unterschiede lässt sich wahrscheinlich dadurch erklären, dass Krankheiten bei Frauen im Schnitt später auftreten als bei Männern.«

Genial.

SPIEGEL ONLINE

Kriminalromane

Das Überhandnehmen von Kriminalromanen in der zeitgenössischen Literatur spätestens seit Umberto Ecos »Der Name der Rose« ist nicht nur ein Zeichen für die zunehmende Erwartung der Leser, die durch Fernsehen und Kino geprägten Spannungsbögen auch in Büchern wiederzufinden, es ist auch eine Folge der allgemein wachsenden Einsicht, daß die Geschichte der Menschheit, allgemeines Hauen und Stechen, das schöpferisch-zerstörerische Wirbeln der Aggressionen, sich gut durch Mord und Totschlag exemplifizieren läßt: Menschheitsgeschichte als Kriminalgeschichte.

Geistige Verfettung

Genauso wie wir darauf achten sollten, unseren Körper nicht übermäßig mit Fastfood zu quälen, sollten wir nicht bedenkenlos geistige Nahrung in uns hineinschlingen, ohne uns bewußtzumachen, was wir in uns aufnehmen. Geistige Verfettung ist zwar nicht wie die körperliche auf den ersten Blick zu sehen, aber mindestens ebenso unheilvoll.

Gedanken und Stil

Die Gedanken sind frei. Das sagt sich so leicht. Aber was heißt das? Unsere Gedanken sind ein unentwirrbares chaotisches Gewusel, von dem wir nur einen kleinen Teil mitbekommen, denn wenn wir sie lassen, halten sie sich nicht an die Vorgaben irgendeiner Gedankenverkehrsordnung, sie sind wie eine Herde Wildpferde, die durch unseren Kopf galoppiert, sich trennt, mit anderen Herden vereinigt und wieder trennt …

Wir schauen dem, wenn wir mal zur Ruhe kommen, fasziniert oder auch beängstigt zu und staunen über die Vielfalt der Farben und Formen. Und wenn wir genauer hinsehen, stellen wir verwundert fest, daß sich ständig Eigenes mit Fremdem vermischt, ja, daß wir bei der Betrachtung gar nicht unterscheiden können zwischen Autochthonen und Eroberern: Verkleidete Kolonialisten und Missionare haben sich unter die Eingeborenen gemischt.

Da bleibt uns nichts übrig, als die Gedanken einzufangen, um sie genauer zu betrachten, sie in unsere eigene Ordnung zu bringen, notfalls auch zu zwingen. Nur wer die Gedanken in seinem Kopf einfängt und domestiziert, Fremdes vom Eigenen trennt, kann davon sprechen, daß seine Gedanken (wenigstens ein bißchen) frei sind.

Also fangen wir die Gedanken ein, versehen sie mit dem Brandzeichen unseres eigenen Stils und lassen sie wieder frei.