Seit ich zum ersten Mal Nikolaus Lenaus Version des »Faust« las, verblaßte für mich der ganze mythologisch überfrachtete Goethe-„Faust“ zu einer Art metaphysischem Tranquilizer für religiöse Esoteriker und zu einer harmlosen Quelle für geflügelte Worte. Das mag ungerecht sein, aber ich habe es so empfunden. Wo Goethe das Göttliche suchend herumirrt, kommt Lenau schnell zur Sache und auf den Punkt:
Du böser Geist heran, ich spotte dein!
Du Lügengeist ich lache unserm Bunde,
Denn nur der Schein geschlossen mit dem Schein, hörst du,
Wir sind getrennt von dieser Stunde.
Zu schwarz und bang,
Als dass ich wesenhaft,
Bin ich ein Traum,
Entflatternd deiner Haft.
Ich bin ein Traum,
Mit Lust und Schuld und Schmerz,
Und träume mir
das Messer in das Herz.