In einem Gespräch über den Leib malte jemand ein schönes metaphorisches Bild:
Der Leib ist das Orchester und die Organe sind die Instrumente der Seele.
Der Dirigent ist das Selbst.
Der Komponist das unsterbliche ICH.
Die Musik selbst die himmlische Äußerungsform des transzendenten Seins.
Der Zustand des Todes die Stufe zum Belegen neuer Dirigier- und Kompositionskurse.
Der Schlaf das Konzert.
Wachsein das fleißige Üben von Etüden.
Und die Geburt ein wiederkehrendes Debüt mit neu gestimmten Instrumenten.
Ich schlug daraufhin vor, Selbst und Ich auszutauschen. Damit war er nicht einverstanden.
Hier die Begründung meines Vorschlags:
Wo anfangen? Ganz grob vereinfacht: Wie Sie wissen, gibt es mehrere Stränge der abendländischen Philosophie, die, ausgehend von Platon, zu ganz unterschiedlichen Ich-Konzepten geführt und unser Denken über uns und unser Inneres geprägt haben.
Die eine Linie führt über Aristoteles, aber auch Plotin zur Patristik und zu den Scholastikern, natürlich mit vielen Brüchen und Widersprüchen hin zu Descartes und Kant usw., die andere von den Vorsokratikern über Platon/Sokrates mit vielen Zwischenstufen und Richtungen über Kant zu Schopenhauer und Nietzsche, Bergson und Freud.
Daneben gibt es natürlich unzählige andere Konzepte und nicht zu vergessen die Philosophie des Ostens mit Nagarjuna, Laotse usw. Die Ich- Konzepte all dieser Richtungen sind unterschiedlich, und das gleiche gilt für die Vorstellung einer »Seele«. Welches dieser Konzepte wollen wir nun zugrunde legen?
All die Bezeichnungen wie Seele, Ich, Ego, Selbst, Geist, Bewußtsein müssen wir erst einmal definieren, um über die von Ihnen gewählte poetisch-metaphorische Ebene hinauszukommen. Bei diesen Definitionsversuchen werden wir große Schwierigkeiten bekommen, uns zu einigen, da Ihr Denken, wie ich vermute, eher den aristotelisch-cartesianischen Pfaden folgt, während meines wohl stärker von den voluntaristischen und den östlichen Vorstellungen geprägt ist.
Für mich ist das Ich etwas Vergängliches, eine Ausprägung dessen, was ich als Subjekt bezeichnen möchte, das, was alles sieht und von niemandem gesehen wird, und das unvergänglich ist. Das Selbst ist das, was die unterschiedlichen Teile des Ich zusammenhält, das Subjekt-Ich, das Ich-Objekt, also den materiellen Leib, wobei das, was Sie Seele nennen, das Subjekt-Ich ist, das Unsterbliche im Gegensatz zum principium individuationis.
Das Ich ist sterblich, die Kraft aber, die das Ich, aber nicht nur das Ich, sondern alle Erscheinungsformen des Seienden zur Existenz zwingt, ist ewig. Das Ich ist nur geborgt, aber gleichzeitig notwendig, damit das Subjekt seiner selbst in einer Erscheinungsform gewahr werden kann.
Ich hoffe meine kurze, grobe Skizze verdeutlicht Ihnen, weshalb ich die Degradierung des Ich vorgeschlagen habe.