Über Polemik

Für die einen ist Polemik unsachliche Auseinandersetzung, für die andern Zuspitzung ihrer Argumentation. Meistens ist es beides; es kommt darauf an, wer mit wem in polemischen Wettstreit tritt. Da kann dann jeder Sehfähige sehen, wer seine Sache beherrscht und wer nicht.

Der schlechte Polemiker tritt auf wie ein Paukist ohne Orchester. Er wirft mit Unterstellungen um sich, operiert mit falschen Zahlen, pflegt Feindbilder, greift Personen oder Personengruppen pauschalisierend und vor Verachtung schäumend an und teilt grobe Beleidigungen aus. Weit von der Sache und von tatsächlichen Argumenten entfernt, verbeißt er sich in das Bild seiner Gegner, das er sich mit Hilfe grober weißer Leinwand und schwarzer Farbe zurechtmalt, und tautologisiert blind vor sich hin, immer an Äußerlichkeiten haftend und verstrickt in die eigenen Vorurteilsmuster, die er auf die Zuhörer oder Leser zu übertragen versucht, wenn diese Muster nicht bereits mehr oder weniger deckungsgleich vorhanden sind. Das geht aber nur dann gut, wenn die Angegriffenen nicht anwesend sind oder kein Rederecht besitzen und das Gros der Zuhörer durch bewußtseinstrübende Getränke beeinträchtigt wird: etwa auf den berühmten Aschermittwochsveranstaltungen der Parteien hierzulande.

Die Polemiken der Antike kennt dieser Analphabet in Sachen Polemik natürlich ebensowenig wie die lehrreichen Schriften von Kraus und Tucholsky. Und Schopenhauers »Eristische Dialektik« würde er, darauf angesprochen, für eine Frühschrift von Marx halten, auch der übrigens, aber das weiß unser Hobbypolemiker nicht, ein begnadeter Polemiker. Nein, solche Schmalspurpolemiker, die allerorten in der Mehrzahl sind und schon von weitem daran erkennbar, daß sie beim Rudern mit den Händen ständig die eigene Nase berühren, können im Wettstreit mit einem ernstzunehmenden Gegner nur sich selbst gefährlich werden. Besonders dann, wenn ihre ehelichen oder außerehelichen Bewundrerinnen vergessen haben, ihnen die Fingernägel zu schneiden.

Dieserart Polemiker besuchen Rhetorikseminare der Volkshochschule und trainieren vor dem Spiegel Gestik, Mimik und Augenrollen. Und ihre Wohnungen sind voll mit Karikaturen aller Menschen und Gruppen, denen sie vom Bösen das Böseste wünschen. Sie beziehen all ihre Adrenalinstöße aus ihren Träumen, in denen sie wie Siegfried den Drachen zur Strecke bringen. Und sie glauben allen Ernstes, ihr Taschenmesser sei ein Schwert. Ihre Feindbilder sind ihr heimliches heiliges Buch, und sie trinken in ihren schwärzesten Tagträumen das Blut ihrer Widersacher aus dem heiligen Gral. Die tatsächlichen Feinde des billigen Polemikers aber sind andere: Clowns, die Polemiker spielen.

Der wahre Polemiker hat kein Feindbild, sondern Feinde. Auch er ist Solist, aber er spielt Klavier.

Eine Antwort auf „Über Polemik

  1. Keinohrhase schreibt am 17.03.2008 um 22:26 Uhr:
    Ich wurde letztens gefragt: „Warum schreibst du deine Gedanken nieder und lässt sie durch Fremde bewerten? Geht es dir ausschließlich um die Bewertung, oder darum, deine Gedanken anderen näher zu bringen?“. Ich war ehrlich und antwortete: „Es geht mir um beides“.

    Wenn sie ehrlich sind, geht es ihnen genau so wie mir.

    Sie schreiben, weil Sie eine Gegenmeinung erwarten. Diese wird Ihnen durch einen guten oder einen schlechten Kommentar geliefert. Somit müssen Sie damit rechnen, dass Sie eines Tages auch über schlechte Polemiker stolpern werden.

    „Er wirft mit Unterstellungen um sich, operiert mit falschen Zahlen, pflegt Feindbilder, greift Personen oder Personengruppen pauschalisierend und vor Verachtung schäumend an und teilt grobe Beleidigungen aus.“ Diese Aussage passt sehr gut zu der jetzigen Zeit-Community-Stimmung. Ich war sehr überrascht, wie viel Mobbing öffentlich betrieben wird und das die Redaktion die Situation nicht mehr unter Kontrolle hat. Es ist aber der Trend der Zeit und nicht der Zeitung „Zeit“, zu mobben und schlechte Polemik zu verbreiten.

    Sie dürfen sich nicht als Opfer Nr. 1 betrachten. An erster Stelle, ganz weit vorne liegt ein gewisser „Michael C“. Ihn kann keiner toppen, und er hört und hört nicht auf zu schreiben. Immer und immer wieder, Woche für Woche. Manchen Gedanken kann man nicht mehr folgen. Andere sind gut oder (teils) gut. ER lässt sich von keinem schlechten oder Möchtegernpolemiker einschüchtern.

    SIE schreiben, weil sie nicht anders können und weil SIE das Schreiben lieben.

    Schreiben sie einfach weiter, und wenn es Ihnen manchmal von zu viel Polemik schlecht wird, ziehen Sie sich in Ihrem Elfenbeinturm zurück. Da sind Sie in Sicherheit.
    zitieren
    Lyriost schreibt am 18.03.2008 um 08:24 Uhr:
    Lieber Hase ohne Ohren,

    erst mal vielen Dank für deinen Kommentar. Hier auf meinem Blog ist der Ton lockerer und persönlicher, und deshalb darfst du mich ruhig duzen. Wenn du das nicht möchtest, dann können wir auch beim Sie bleiben. Das wäre dann aber die Ausnahme.

    Der obige Beitrag hat wenig bis gar nichts mit der ZEIT-Community zu tun, außer der Tatsache, daß er auch dort veröffentlicht wurde. Ich beschreibe nur ein allgemeines Phänomen, das es schon immer gegeben hat, in der Presse, am Biertisch, in Wahlkämfen usw.

    In den letzten Jahren wird die Möglichkeit der persönlichen Meinungsäußerung in vielen Foren im Internet erfreulicherweise immer stärker genutzt, und jeder kann kundtun, was ihn bewegt. Daß die Qualität der Gedanken, die auf diese Weise veröffentlicht werden, sehr unterschiedlich ist, versteht sich von selbst, und ein jeder, der die nötige Urteilskraft besitzt, kann das richtig einordnen.

    Nun gibt es einige, die nur über bescheidene zerebrale Fähigkeiten und ein daraus resultierendes weitgehend binäres Weltbild verfügen, die über andere herfallen, deren Meinung ihnen nicht paßt. Und das tun sie manchmal unter der Headline Polemik mit den Mitteln, die ich oben beschrieben habe. Kleingeister, die sich für ernstzunehmende Polemiker halten, in Wirklichkeit jedoch nichts sind als keifende Zwerge. Andere wiederum besitzen durchaus die intellektuellen Fähigkeiten, die notwendig sind, um einen tatsächlichen Dialog zu führen, sind aber verblendet von ideologischen Vorurteilen oder einfach nur zerfressen von Haß auf alles, was anders ist als sie selbst.

    Wie mich solche Leute bewerten, ist mir herzlich egal, und ich habe genügend Hirnschmalz und auch die sprachlichen Mittel, ihnen entgegenzutreten. Und wenn es drauf ankommt und ich Lust dazu habe, ist meine Klappe groß genug, um einen jeden dieser Leute kleinzukriegen oder, besser gesagt, deren Gartenzwergcharakter deutlich werden zu lassen. Und ich habe ausreichend Selbstbewußtsein, um es nötigenfalls mit einem ganzen Haufen von ihnen aufzunehmen.

    Ja, die ZEIT-Community, das ist schon ein merkwürdiges Phänomen, aber spannend und anregend zugleich. Bei Gelegenheit werde ich mal wieder was drüber schreiben.

    Michael C., weil du ihn angesprochen hast, ist wirklich ein Sonderfall, fast schon wert, psychogrammatisch charakterisiert zu werden. In manchen seiner Beiträge läßt sich, wenn man sich die Mühe macht, seinen konfusen Satzbau und die verschobene Denkstruktur in eine gewisse Ordnung zu bringen, durchaus eine gute Absicht und ein elementarer Wunsch nach Ehrlichkeit erkennen. Manchmal sogar der Ansatz eines klugen Gedankens. Sein Hauptproblem aber ist, daß er sich überschätzt und entsprechend anmaßend auftritt, was natürlich, wie sollte es anders sein, den verdienten Spott zur Folge hat. Er ist ein Opfer, ja, aber in erster Linie ein Opfer seiner selbst.

    Warum schreibe ich? Es macht mir Spaß, und ich bin eitel genug zu wissen, daß ich nicht nur mir selbst, sondern auch andern etwas mitzuteilen habe. Was sie damit tun, ist ihre Sache, nicht meine. Anerkennung freut mich, aber weder brauche ich sie, noch erwarte ich, daß mein Schreiben irgendwas bewirkt.

    Und der Elfenbeinturm ist kein Schmollwinkel, sondern der Ort abseits des Gedränges, der mir die Möglichkeit gibt, mit der notwendigen Distanz auf das Geschehen um mich herum zu blicken. Wer mittendrin steht, sieht nicht viel.

    Schöne Grüße
    Ly
    zitieren
    Keinohrhase schreibt am 18.03.2008 um 20:59 Uhr:
    Lieber Lyriost,

    edle Reinheit ist zu unserer Zeit rar geworden. In dem Moment, indem ich mit dem Lesen fertig war, hat mich dieses Gefühl überkommen. Meine Gedanken standen da, von jemand ausgesprochen, der völlig anders schreibt als ich, der das sehr schnell erkannt, und noch schneller, sich an meiner Schreibweise angepasst hat.

    Luther würde sagen: „Dein Hals ist wie ein Elffenbeinen thurm“. Du machst Dein Namen aller Ehre.

    Ich musste in dem Moment erkennen, dass ich, obwohl meiner Meinung nach zu einer intellektuellen Gemeinschaft gehöre, nie eine einzige Aufgabe von den vielen, die ich am Tage erledige, ausgewählt und für sie gelebt habe. Ich habe mich immer um die gesellschaftlichen Folgen meiner Handlungen gekümmert, und habe nie einzig nach wissenschaftlicher, oder wie DU nach künstlerischer Wahrheit gesucht.

    Der Kleingartenzwergcharakter entwickelt sich bei vielen von uns latent, und führt zu der Entstehung einer fünften Kategorie von Menschen: der Schauspieler, der den Leader- und den Pinpong-Typ, den Fachidiot und sogar den nützlichen Idiot auf einmal im Schatten stellt.

    Der Schauspieler ist triebgesteuert, redet viel, hat nichts zu sagen, fasst das bereits Gesprochene zusammen, und hat immer das letzte Wort, weil der der zuletzt spricht, Recht hat. Er schlüpft in einer Rolle mit der er sich nicht identifiziert, nur um die anderen zu blenden, und weil er sonst als fünfter Menschentyp nicht existieren würde. Er ist eine leere Hülle, und versucht die ganze Zeit krampfhaft, sie mit reinen Seelen zu füllen. Er wird geehrt von Seinesgleichen, und für den bevorstehenden Weg gut ausgerüstet, weil sie Ihn zu ihrem Nachfolger formen wollen. Sie riechen und erkennen sich vom Weiten. Sie verfügen über eine native und keine kognitive Intelligenz. Das stört sie nicht. Sie Leben sehr gut auch so, weil sie sich nicht so viele Gedanken über sich selbst machen.

    Du als ein im „Elfenbeinturm lebender Mensch“, solltest den Umstand, dass auch ein überdurchschnittlich gebildeter Andersmensch sein Metier nicht verstehen kann, als unvermeidliche Tatsache annehmen…und steh’ somit über alle Dinge.

    Verzeihe Fehler, die mir unterlaufen. Ich schreibe in eine für mich fremde Sprache.

    Viele Grüße
    Keinohrhase
    zitieren
    Rex_et_Deus schreibt am 26.03.2008 um 22:49 Uhr:
    hohoho Zensur im Elfenbeinturm!

    Du Chinese! *lächel*
    zitieren
    Lyriost schreibt am 27.03.2008 um 00:16 Uhr:
    Du mußt lernen zu argumentieren, statt zu unterstellen, zu beleidigen, zu vermuten, falsche Analogien zu bilden und und und. Und vor allem mußt du lernen zu lesen. Dann fällt das Denken irgendwann auch leichter. Aber erst mal rate ich dir, genauer hinzuschauen, bevor du deine psychologische Naivität ablegen kannst. Du bist kein Denkpartner. Dazu bist du nicht kreativ genug. Aber das kommt vielleicht noch mit den Jahren, Bübchen. Denk erst mal darüber nach, was das Wort „Zensur“ bedeutet. Wer glaubst du, wer du bist, daß du dir das Recht herausnimmst, andere grundlos persönlich anzuranzen?
    Wenn das eine Art Therapie von Minderwertigkeitskomplexen ist, dann mach das woanders. Ich bin kein Kinderpsychologe.

    Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..