Manchmal
schwimmst du
zu weit hinein
ins Blaue
ins Tageswörtermeer
da wo die Wellen
sich brechen
und die Bretter
sich drehn
doch wenn der
Wind erlahmt
schmeckst du Asche
im Mund
und die Häute sehen
die salzigen Muster
die sich in die
Poren schleichen
und du fühlst dich
wie Hakenfleisch
bald ist es Zeit
für die Zunge
an Land
zu gehn
Tag: 15. Januar 2019
Der Prozeß der Erinnerung
»Die Erinnerung ist ein unzuverlässiges Instrument«, sagt Günter Grass. »Deswegen ist die Erinnerungsarbeit ein Prozess, die (sic!) immer aufs Neue geprüft werden muss.«
Nun wurde ja genügend darüber geschrieben, daß die Grass’sche Erinnerungsarbeit besonders schleppend, geradezu schneckenhaft vor sich geht, jedenfalls dann, wenn es sich um Verstrickungen der eigenen Person handelt. Bei Verfehlungen anderer dagegen hat Grass in aller Regel traditionell weniger Hemmungen gehabt, die Moralkeule unter dem Schreibtisch vorzuholen. Aber so sind wir Menschen nun einmal: Man denke an die Sache mit dem Splitter und dem Balken aus der Bergpredigt.
Was aber muß immer wieder geprüft werden? Geprüft werden muß die eigene Erinnerung, und das ist ein immerwährender Prozeß mit hoffentlich vielen Revisionen und Wiederaufnahmeverfahren, bei dem wir zugleich Ankläger und Verteidiger sein sollten. Wer der Richter ist, wissen wir nicht so genau, aber wahrscheinlich sind auch der wir selbst: unheilige Trinität.
Und wenn der Richter ein guter Richter ist, dann wird er zu keiner Zeit abschließend urteilen, sondern uns Gelegenheit zur Bewährung geben und nie das Wort sprechen: »Eine Revision ist nicht möglich.«
Eines aber sollten wir bei dem Verfahren auf keinen Fall: Wir sollten unsere Wahrheitsfindung nicht an den Zuschauern im Gerichtssaal und den Gerichtsreportern orientieren, die bei genauerer Betrachtung allesamt eine überraschende Ähnlichkeit mit uns selbst haben.
Tirade 232 – Schlaf der Gerechten
Die Steine schlafen
im Sand der großen Städte
aber sie ticken
im Arm der Gravitation
Dioskuren der Zeiten
Tirade 117 – Schwarze Logik
Der Stein in der Hand
irgendwie losgeflogen
gegen irgendwas
Hauptsache irgendwie krachts
so irgendwo irgendwie
oder so
Globalisierung und Wettbewerb
Diejenigen, die jetzt aus Überschüssen der EG subventionierte Billig-Hühnerteile, die hier keiner mehr essen mag, tiefgekühlt nach Ghana, Kamerun und in andere afrikanische Länder schicken, müssen sich darüber im klaren sein, daß so mancher der ausgebooteten und arbeitslos gewordenen afrikanischen Hühnerzüchter demnächst in ein Boot steigt, versucht, nach Europa zu gelangen und, wenn er es schafft, wenig später in europäischen Parks Billig-Drogen an Schulkinder verkaufen wird.
Wenn dann irgendwann die Entwicklungshilfe wider Erwarten tatsächlich ausgeweitet wird, können die Reichen der afrikanischen Länder sich, wenn sie es nicht schon längst getan haben, in den Industrieländern die notwendigen Kühlanlagen, gebraucht oder gar fabrikneu besorgen, und vielleicht bleibt auch noch etwas für die ärmere Bevölkerung übrig, etwa in Form von Medikamenten gegen Salmonellen.
Authentizität
Wenn der geübte Versteckspieler auf eine Meinungsparty geht, vergißt er nie seine Edelmaske: Authentizität.
Strukturelle Gewalt und Gummigeschosse
Strukturelle Gewalt erzeugt Angst und Ohnmacht. Ohnmacht erzeugt übertriebene physische Gewalt. Wenn die strukturelle Gewalt ihrerseits von übertriebener physischer Gewalt flankiert ist, steht es zwei zu eins, und so wird aus Wut Haß. Die Folge ist ausufernde, grenzenlose Gewalt.
Ruhe und Kraft
In der Ruhe liegt die Kraft, sagt man. Aber worin liegt die Ruhe? Liegt sie nicht vor allem im Bewußtsein der Kraft?