Die unangenehmste Eigenschaft von verbalem Schwachsinn ist, daß er in Hohlkopfkreisen rasend schnell inflationär wird. Besonders dann, wenn dieserart Hülsenfrüchte auf dem furchtbar fruchtbaren Mist der Minderwertigkeitsgefühle sprießen, gibt es schon bald kein Halten mehr.
So ist das auch mit der Wendung »auf Augenhöhe«. Blauäugig erfunden, so will ich mal ohne genaue Kenntnis der Geburtsurkunde behaupten, von der Partei mit den drei Ablagerungen von Fliegendreck im Namen, die sich gerade einen Haufen Hämatome beim Überspringen der 5-Prozent-Hürde eingefangen hatte, aber »auf gleicher Augenhöhe« mit einer hochprozentigen Partei verhandeln wollte, nimmt dieser wortgewordene Minderwertigkeitskomplex inzwischen derart narzißtische und abstruse Formen an, daß es mir an der Zeit zu sein scheint, dem etwas entgegenzuhalten.
Pressemeldungen der letzten Tage: Delmenhorst ist mit dieser Ausstellung mit großen Museen auf Augenhöhe getreten, Pocher will mit Schmidt auf Augenhöhe zusammenarbeiten, MAN verhandelt auf Augenhöhe mit VW, Firstgate will auf gleiche Augenhöhe mit PayPal kommen, Langer ist auf Augenhöhe mit Woods, in Frankfurt kann man beim Wolkenkratzer-Fest per Ballon »auf Augenhöhe mit den Chefetagen« kommen. Im Zoo kommt man mit Gorillas oder Adlern auf Augenhöhe, und manchmal, wenn einer vergißt, den Käfig zuzumachen, anschließend mit den Ärzten im Klinikum, aber nur, wenn einer von denen Rollstuhlfahrer ist.
Selbst in der »Zeit« kann man solcherlei Bückwunschpoesie lesen: »Er dozierte, aber auf Augenhöhe.«
Die Aufzählung ließe sich so lange fortsetzen, bis der nächste Stromausfall dem ein Ende setzt oder der Schlaf mich übermannt.
Bei alldem sollte man nicht vergessen: Im Lebensmittelgeschäft, und nicht nur dort, sind Waren in Augenhöhe teurer als Bückware.
So habe ich mich unlängst entschlossen, immer dann, wenn einer etwas von gleicher Augenhöhe sagt, zu fragen, ob er ein Fußbänkchen dabeihabe, das er mir leihweise überlassen könne. Solches Understatement wird gern angenommen.
Zum Schluß noch etwas Rätselhaftes aus der Rubrik Augenhöhe: »Vertreter des Kultusministeriums und Schulkritiker haben in Tübingen konferiert. Das Gespräch dauerte zwei Stunden und wurde an einem ovalen Tisch, also auf Augenhöhe, geführt.«
Ich stelle mir das mal lieber nicht so arg detailliert vor.
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