Pause

Wie Roman Kaminski in George Taboris Inszenierung von Becketts „Warten auf Godot“ vorsichtig die Regieanweisung Pause ausspuckt und damit das Beckettsche Schweigen punktgenau trifft, das hat mich beeindruckt und geht mir nicht aus dem Kopf.

Bis später einmal. Pause.

Wenn im Duden Buchstaben spazierengehen

Zum Stichwort erstere – letztere heißt es im neuesten Duden online (Richtiges und gutes Deutsch):

erstere – letztere: erstere und letztere – eigentlich Komparativbildungen zu erste und letzte – werden nicht mehr auf die durch eine Zahl ausgedrückte strenge Reihenfolge beliebig vieler Lebewesen oder Dinge bezogen, sondern auf das Näher- oder Fernerliegen zweier Lebewesen oder Dingen. Sie werden wie diese – jene oder der/die/das eine – der/die/das andere gebraucht: Sie besaß ein Haus in der Stadt und eins auf dem Lande. Ersteres/Jenes [Haus] hatte sie gekauft, letzteres/dieses [Haus] war ihr durch Erbschaft zugefallen. Nicht angemessen ist erstere – letztere, wenn von mehr als zwei Lebewesen oder Dinge die Rede ist. Also nicht: Charlotte, Maria und Hans gingen spazieren. Die Erstere war barhäuptig, der Letztere trug eine Pelzmütze. Auch setzt erstere – letztere eine gegensätzliche Betrachtungsweise voraus. Um Gemeinsamkeiten zu beschreiben, verwendet man beispielsweise beide oder die eine wie die andere.

Quelle: Duden – Richtiges und gutes Deutsch Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim 2007

Alles soweit fast richtig, nur muß es richtig richtig heißen: … auf das Näher- oder Fernerliegen zweier Lebewesen oder Dinge. Zweier Dinge, nicht zweier Dingen.

Hier hat sich das „n“ an einen Ort verirrt, wo es nichts zu suchen hat. Aber wie kommt es hierher? Ich nehme an, es hat sich unerlaubt entfernt und ist zu einem kleinen Spaziergang aufgebrochen, denn weiter unten im Text fehlt es: „… wenn von mehr als zwei Lebewesen oder Dinge die Rede ist.“ Natürlich sollte von zwei „Dingen“ die Rede sein – und nicht von zwei „Dinge“. Und wenn das „n“ selbst nicht weiß, wo es sich aufzuhalten hat, dann muß man es ein wenig beraten.

Dafür gibt es die (kostenpflichtige) Duden-Sprachberatung, die auch kostenpflichtig ist, wenn ein Leser die Sprachberatung beraten möchte, weil er Fehler im Duden entdeckt hat.

Das Duden-Jahresabonnement kostet fast 100 Euro, und eine Möglichkeit, die Redaktion online auf Fehler hinzuweisen, ist nicht vorgesehen.

Anmerkung: Inzwischen gibt es das Abo nicht mehr. Fehler im Duden und die überteuerte Sprachberatung aber immer noch.

Frauen und Politik

Wenn eine Frau in Deutschland in der großen Politik Karriere machen will, sollte sie sich vorher mit dem Tailleur von Angela Merkel in Verbindung setzen. Und anschließend mit deren Friseur.

Wenn sie nicht gleich einen Termin bekommt, ist sie gut beraten, als Vorübung bis auf weiteres in den ausgelassenen Kommunionsanzug ihres Mannes zu schlüpfen und ordentlich Haxen zu essen, bis sie den Stoff wurstig ausfüllt.

Und Finger weg von Handschuhen.

Knirschende Reifen

In einem Buch las ich den schönen Satz: „Die Reifen knirschten auf dem kalten Kies der Auffahrt.“ Keine onomatopoetische Köstlichkeit, aber doch immerhin eine solide alliterative Wortfolge, die bei vielen Lesern den Geräuschezauberer im Kopf aus seinem Tiefschlaf aufzuwecken und ihn in Aktion treten zu lassen vermag.

Hört man jedoch genauer hin, dann ist da nicht nur ein Knirschen zu vernehmen, sondern auch das Quietschen der Hautschuppen der Autorin, die sich voller Freude die Hände reibt, weil ihr, wie sie glaubt, wieder mal eine glanzvolle Lautmalerei gelungen ist.

Die Sache hat nur einen kleinen Makel, denn was da so prächtig knirscht in der Stille der kühlen Nacht, das sind nicht die Reifen, ob sie nun kalt sind oder warm: Es ist der kalte Kies, der knirscht. Und das ist etwas, was der Kies in fast jedem Roman tut, wenn man ihn läßt. So wie die Reifen in Romanen und Filmen quietschen – ganz gleich ob der Untergrund das erlaubt oder nicht.

Reifen quietschen auch im Sand und im Schlamm, das sind wir gewohnt. Aber knirschen? Knirschende Reifen im Kies? Nicht mal im Traum.

Meinungsbildung

Jeder hat seine Meinung. Das soll er. Aber recht hat, wer recht hat. Und richtig ist, was richtig ist.

Wer recht hat und was richtig ist, das wird sich (wobei das erstere weniger wichtig ist als das zweite, was vielen leider weniger bekannt ist) dem ehrlichen und selbstkritischen Mitmeiner und dem urteilsfähigen Publikum zeigen, wenn es auch manchmal etwas länger dauert, bis die Luft in den Arenen nach den Wortgefechten oder nach dem Rauch um nichts klarer wird, als sie vorher war.

Natürlich hat jeder ein Recht auf seine eigene Meinung, aber es hat auch jeder das Recht, diese Meinung als unangemessen zu qualifizieren oder als nicht allgemeinverbindliches Privatvergnügen. Dazu reicht es jedoch nicht aus, einfach die eigene Meinung dagegenzustellen, es bedarf schon des einen oder anderen Argumentes. Daß ein großer Teil der Disputierenden und ein noch größerer der schweigend Partizipierenden nicht beurteilen kann, welches Argument das bessere ist, damit müssen wir leben.

So hat jeder seine Meinung. Aber nicht jede Meinung ist es wert, gehabt zu werden. Schon gar nicht von mir. In bezug auf die Hirntätigkeit gibt es, man denke an den Umweltschutz, glücklicherweise keine Demokratie.

Berliner Architekturimpressionen

Vor ein paar Tagen war ich mal wieder am Potsdamer Platz (der Film, den ich sehen wollte, lief leider nur dort im Cinemaxx), und ich war dazu verdonnert, die Leistungsschau der modernen Architektur zu ertragen, diese sterile Ansammlung von Betonschrott, Stahl und Glas. Wie jedes Mal, wenn ich dort entlanggehe, kam ich mir vor wie in einer überdimensionalen Vasenausstellung im Museum Woolworth und freute mich einzig darüber, daß das Weinhaus Huth die Zeiten und die Zeitenwenden überstanden hat. 

Im Gegensatz dazu ist vom Brikett der Republik, auch Palast der Republiiik genannt, glücklicherweise immer weniger zu sehen, was wohl nur noch ein paar ideologisch asbestresistente Fossilien bedauern mögen.

Jetzt kann man nur hoffen, daß die Arbeiten im ehemaligen Kronleuchterzirkus bald abgeschlossen werden und das geplante Humboldt-Forum Gestalt annimmt, und zwar ohne sich avantgardistisch gebärdendes Bauhaus-Blech, das sich modern nennt, obwohl es doch eher davon lebt, daß es antihistoristische Theorie transportiert und wurzellose Ahistorie gebiert. Architektur als das übriggebliebene Granulat des letzten Winters.

Da etwas wirklich Neues und Innovatives nicht in Sicht ist und auch nicht dem gegenwärtigen Lebensgefühl in Berlin entspricht, bin ich ganz einverstanden mit der beschlossenen Lösung, die ich als historistisches Zitat betrachte, mit dem die Berliner und die Touristen gut leben könnten.

Allerdings wünschte ich mir, die Verantwortlichen würden sich dazu durchringen, bei all der geplanten zitierenden Altbauerei für deutliche, am besten ironische Anführungszeichen zu sorgen, um den Romantikern aller Fachrichtungen den allzu romantisierenden Blick nach hinten zu verstellen.

Zu philosophisch

Sollte einer sich die Mühe machen und versuchen, die Verhältnisse durch differenziertes Denken sichtbar werden zu lassen und auf den Punkt zu bringen, kommt immer schnell ein Hohlkopf daher und sagt: Jetzt wollen wir mal nicht zu philosophisch werden.

Erfolg und Professionalität

Erfolg hat meistens nicht viel mit guter Leistung und Professionalität zu tun. Es muß nur genügend Leute geben, die das anerkennen, was du tust, und rote Teppiche auf deine groben Bretter legen. In diesem Fall kannst du dir sogar die Leistung sparen. Bohlen werden beinahe ganz von allein zu Laufstegen.