Wir kämpfen alle
gegen Mühlenflügel
auf dürren Beinchen
wachsen Mut und Moos
wir bohren Löcher in die
tauben Hügel
und noch die Zwerge
sehn sich riesengroß
Tag: 25. November 2018
Tirade 78 – Ohne Brille
Betäubtes Sehen
Sonnenbrille der Moral
huschende Schatten
in Träumen bunte Bilder
das Wirbeln der Begierden
Tirade 77 – Rücksichtnahme
Du fragst nach der Schuld
wenn deine Füße schmerzen
ich lerne gehen
mancher Schritt ist ungeplant
solltest nicht soviel stehen
Gepflegter Wandel
Nur wer einen Sinn für Kontinuität hat, kann sich Diskontinuität leisten. Wenn er aber keinen Sinn für Diskontinuität hat, wird seine Kontinuität schnell zur Fessel, und er gesellt sich denen zu, die ihre Unbeweglichkeit von vornherein mit Kontinuität verwechseln. Da besteht die Bewegung des Lebens dann manchmal nur noch darin, daß oben etwas hereingesteckt wird und unten wieder herauskommt. Aber das kontinuierlich.
Eskapismus
Von gesellschaftspolitisch interessierten Menschen wird Poeten häufig vorgeworfen, sie interessierten sich nicht genügend für das Politische, und gern wird in diesem Zusammenhang das Wort Eskapismus gebraucht. Daß Poeten gesellschaftspolitisch Interessierten vorwerfen, sie beschäftigten sich zuwenig mit Poesie, hört man dagegen eher selten.
Dabei ist jede einseitige Orientierung eine Art Weltflucht und Verengung des Horizonts, und die Hierarchie der Prioritäten ist nicht allgemeingültig festzulegen. Nicht jedem ist es existentielles Bedürfnis, seinen Hintern auf Gewerkschaftsversammlungen breitzusitzen.
Über Ismen
Geschlossene ideologische Systeme sind nichts anderes als mehr oder weniger gut ausgestattete Gefängniszellen für unser Denken, je nach Geschmack eingerichtet, und manchmal (bei exquisitem Geschmack) sogar ansehnlich und gemütlich.
Zwar wird der Weitblick durch die geringe Größe des Fensters ein wenig eingeschränkt, und die Bilder, die wir uns von der Welt machen können, sind alle mit dunklen Streifen verunstaltet. Aber das ist doch nur eine Widerspiegelung der gestreiften Realität und nicht den Gitterstäben vor dem Fenster geschuldet. Oder?
Wer sich an diesen häßlichen Balken im Auge stört, dem sei geraten, lange genug zu meditieren. Dann verschwinden sie von ganz allein. Man muß sich nur den richtigen Ismus aussuchen, um frei zu sein und klar in die Welt blicken zu können.
Moralische Fragen
Neulich las ich, »Arbeitssuchenden dürften keine Angebote aus dem Erotikbereich vorgelegt werden«. Nun frage ich mich: Dürfen Vegetariern oder feinfühligen Menschen Jobangebote aus dem Schlachthofbereich gemacht werden?
Vermutlich ohne weiteres.
Wir zwei
Wir zwei
wir sind wie
rote Rosen
im Frühling
der nicht enden will
wir zwei wir sind
Gewittertosen
und sanfter Atem
weich und still
Tirade 76 – Photographie des Unbewußten
Betrachte das Bild
kein freies Spiel der Farben
gefiltertes Sein
unbewußte Gestaltung
ein Blick ins Verborgene